Das Finanzgericht Düsseldorf hatte am 24.11.2024 zu entscheiden, ob die unentgeltliche Übertragung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs unter Fortführung der Buchwerte möglich ist, wenn Weideland zurückbehalten wurde.
Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf 3 K 2604/21 E vom 22.11.2024
Wird ein Betrieb, ein Teilbetrieb oder der Anteil eines Mitunternehmers an einem Betrieb unentgeltlich übertragen, so sind gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG bei der Ermittlung des Gewinns des bisherigen Betriebsinhabers die Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen, die sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung ergeben. Dabei macht es für die Anwendung des § 6 Abs. 3 EStG keinen Unterschied, ob der übertragende Betrieb aktiv betrieben wurde oder ob es sich um einen ruhenden Betrieb in Form eines Verpachtungsbetriebs handelt.
Der Rechtsnachfolger ist gemäß § 6 Abs. 3 Satz 3 EStG an die in Satz 1 genannten Werte gebunden. Diese (zwingend) angeordnete Buchwertfortführung durch den unentgeltlichen Rechtsnachfolger führt zu einer interpersonellen Verlagerung der stillen Reserven.
Eine steuerbegünstigte Betriebsübertragung i. S. d. § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG liegt nur vor, wenn der Betrieb als organisatorische Einheit erhalten bleibt. Dies setzt voraus, dass alle wesentlichen Teile des Betriebsvermögens auf den Rechtsnachfolger übergehen. Als funktional wesentlich sind dabei alle Wirtschaftsgüter anzusehen, die für den Betriebsablauf ein erhebliches Gewicht haben, mithin für die Fortführung des Betriebes notwendig sind oder dem Betrieb das Gepräge geben. Ein Grundstück ist für den Betrieb wesentlich, wenn es die räumliche und funktionale Grundlage für die Geschäftstätigkeit bildet und es dem Unternehmen ermöglicht, seinen Geschäftsbetrieb aufzunehmen und auszuüben. Ob in dem Wirtschaftsgut erhebliche stille Reserven enthalten sind, ist bei der rein funktionalen Betrachtungsweise unerheblich.
Die Flächen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs stellen in der Regel wesentliche Betriebsgrundlagen dar, weshalb sie bei der Übergabe des Hofes grundsätzlich mitübertragen werden müssen. Allerdings wird der Zurückbehalt kleinerer Flächen in der Rechtsprechung und Literatur als unschädlich angesehen, wobei Großteils auf eine Grenze von 10 % abgestellt wird.
Einen Automatismus dergestalt, dass bei Überschreiten der 10 %-Grenze stets eine wesentliche Betriebsgrundlage anzunehmen ist, gibt es dagegen nicht. Vielmehr kommt es auf die Besonderheiten des Einzelfalls an, weshalb auch bei prozentual größeren land- und forstwirtschaftlichen Flächen die Zugehörigkeit zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen zu verneinen sein kann. Denkbar ist dies insbesondere bei Flächen, bei denen eine Eigenbewirtschaftung aus objektiven Gründen ausscheidet, weil z. B. das Grundstück seiner Art nach nicht zum konkreten Betriebszweck passt (wie z. B. eine Weidefläche im Betriebsvermögen eines Weinguts) oder weil eine landwirtschaftliche Nutzung des Grundstücks nicht möglich ist (z. B. unfruchtbares Brachland, naturschutzrechtlich geschützte Flächen, mit Schadstoffen kontaminierte Grundstücke). Aber auch dann, wenn eine eigenbetriebliche Nutzung zwar objektiv grundsätzlich möglich wäre, aber seit erheblicher Zeit nicht (mehr) stattgefunden hat, kann die Zugehörigkeit eines Grundstücks zu den funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen zu verneinen sein. Denn wenn ein Wirtschaftsgut über einen langen Zeitraum hinweg nicht für eigenbetriebliche Zwecke genutzt wurde, dann ist es für die Erreichung des Betriebszwecks offensichtlich nicht erforderlich und besitzt infolgedessen auch keine erhebliche Bedeutung für die Betriebsführung. Die Entscheidung, wie der Betrieb geführt wird und welche Wirtschaftsgüter dafür konkret benötigt werden, steht allein dem Betriebsinhaber zu. Entschließt sich dieser, ein Wirtschaftsgut nicht mehr eigenbetrieblich nutzen zu wollen, kann er es – durch Verkauf oder Entnahme – aus dem Betriebsvermögen entfernen oder es wahlweise – durch Brachliegenlassen oder Verpachtung – im Betriebsvermögen halten. In letzterem Fall verliert das Wirtschaftsgut die Zugehörigkeit zu den funktional wesentlichen Betriebsgrundlagen spätestens dann, wenn der Wille, dieses dauerhaft oder zumindest langfristig nicht mehr eigenbetrieblich nutzen zu wollen, durch objektive Anhaltspunkte (wie z. B. durch langjährige Verpachtung) erkennbar wird. Je länger ein Wirtschaftsgut nicht eigenbetrieblich genutzt wurde, desto offensichtlicher ist dessen fehlende Bedeutung für die Betriebsführung.
Das zurückbehaltene, seit langem verpachtete Weideland stellt keine wesentliche Betriebsgrundlage dar, da es sich nicht mehr um notwendiges, sondern lediglich gewillkürtes Betriebsvermögen handelt.
Revision wurde nicht zugelassen.