Die Europäische Kommission hat am 26.02.2025 das erste sog. Omnibus-Paket zur Bürokratieentlastung von Unternehmen vorgestellt. Im Fokus stehen gezielte Anpassungen verschiedener regulatorischer Anforderungen, insbesondere im Bereich der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Durch höhere Schwellenwerte und eine zeitliche Verschiebung der Berichtspflichten sollen (insbesondere große mittelständische) Unternehmen administrativ entlastet werden, ohne jedoch die langfristigen Nachhaltigkeitsziele der EU zu gefährden.
Überblick
Am 26.02.2025 hat die Europäische Kommission das erste sog. „Omnibus-Paket“ zur Nachhaltigkeitsberichterstattung vorgestellt. Vor dem Hintergrund des angestrebten Ziels der Bürokratieentlastung sollen umfassende Erleichterungen für die von der Nachhaltigkeitsberichterstattung betroffenen Unternehmen geschaffen werden. Die geplanten Anpassungen betreffen vor allem die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die EU-Taxonomie-Verordnung sowie die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) mit dem Ziel, die Umsetzung der regulatorischen Anforderungen zu erleichtern und den bürokratischen Aufwand für Unternehmen zu verringern.
Die wichtigsten Änderungen, die im Rahmen des Omnibus-Pakets mit Blick auf die Nachhaltigkeitsberichterstattung von der EU vorgeschlagen wurden, sind:
1. Fristverlängerung bei der erstmaligen Nachhaltigkeitsberichterstattung
Eines der bedeutendsten Elemente des Omnibus-Pakets ist die vorgeschlagene Fristverlängerung für die Erstanwendung der CSRD-Vorgaben für diejenigen Unternehmen, die nicht bereits seit dem Jahr 2024 (erster Nachhaltigkeitsbericht in 2025) der Nachhaltigkeitsberichterstattung unterliegen (= Kohorte 1, die großen kapitalmarktorientierten Gesellschaften). So soll für den großen Kreis der gemäß CSRD erstmals zur Berichterstattung über das Jahr 2025 (im Jahr 2026) verpflichteten großen Kapitalgesellschaften (Kohorte 2) – und damit für die zahlreichen Unternehmen, die sich überhaupt erstmals mit der Nachhaltigkeitsberichterstattung auseinandersetzen müssen – der erstmalige Berichtszeitraum um zwei Jahre auf das Jahr 2027 verschoben werden (sofern das Geschäftsjahr dem Kalenderjahr entspricht). Die Veröffentlichung dieser Nachhaltigkeitsberichte soll dann im Jahr 2028 erfolgen. Auch für Unternehmen aus der Kohorte 3, d. h. die kapitalmarktorientierten kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), soll sich das Jahr der Erstberichterstattung von derzeit 2026 (mit Opt-Out-Option bis 2028) um zwei Jahre verschieben.
Für die großen kapitalmarktorientierten Gesellschaften (Kohorte 1) ändert sich nichts hinsichtlich der zeitlichen Regelungen – sie fallen nach der CSRD seit dem Berichtsjahr 2024 unter die Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung gemäß CSRD/ESRS. In Deutschland besteht allerdings die Besonderheit, dass der deutsche Gesetzgeber die CSRD noch nicht in nationales Recht transferiert hat, sodass die eigentlich seit dem Jahr 2024 berichtspflichtigen Unternehmen bzw. Gruppen in Deutschland für das Berichtsjahr 2024 noch weiterhin den „alten“ Regelungen zur nichtfinanziellen Berichterstattung nach dem CSR-Richtlinien-Umsetzungsgesetz vom 11.04.2017 (basierend auf der Non-Financial Reporting Directive (NFRD)) unterliegen.
2. Anpassung bzgl. des Anwenderkreises der Nachhaltigkeitsberichterstattung
Ein weiterer wesentlicher Bestandteil des vorgeschlagenen Reformpakets ist die Änderung der Schwellenwerte, die für die Pflicht zur Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten gelten. Künftig sollen nach der CSRD nur noch Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern und entweder einem Umsatz von über 50 Mio. EUR oder einer Bilanzsumme von mehr als 25 Mio. EUR einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen müssen. Derzeit sehen die entsprechenden Regelungen noch eine Schwelle von 250 Mitarbeitern vor, d. h. mit der Schaffung einer neuen, deutlich höheren Schwelle in Bezug auf die relevante Mitarbeiteranzahl würde sich der Kreis derjenigen Unternehmen, die von der Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung nach den europäischen Vorgaben betroffen sind, erheblich reduzieren. Die EU spricht in diesem Zusammenhang davon, dass sich der Anwenderkreis um 80 % reduzieren würde.
Diese geplante Änderung betrifft insbesondere die Unternehmen aus der Kohorte 2, die erstmals ab dem Jahr 2025 – bzw. nach den jüngsten EU-Omnibus-Vorschlägen dann ab dem Jahr 2027 – CSRD-berichtspflichtig wären. Hierbei handelt es sich um die großen mittelständischen Gesellschaften bzw. Unternehmensgruppen, für die die (bei einem dem Kalenderjahr entsprechenden) Berichtspflicht nach den jetzigen CSRD-Vorgaben bereits seit dem 01.01.2025 läuft und die demzufolge in den letzten Monaten und Jahren schon intensive Ressourcen in die (Vorbereitung einer) CSRD- und ESRS-konformen Nachhaltigkeitsberichterstattung gesteckt haben. Alle diejenigen, die weniger als 1.000 Mitarbeiter haben, sollen nun von der Umsetzung der umfangreichen Berichtspflichten wieder ausgenommen werden.
Faktisch ist davon auszugehen, dass damit für die zur Kohorte 3 gehörenden kapitalmarktorientierten KMU die Nachhaltigkeitsberichterstattung wieder abgeschafft wird, da sich die Anforderungen „mehr als 1.000 Mitarbeiter“ einerseits und „KMU“ andererseits in den allermeisten Fällen ausschließen dürften.
Diese geplante Anpassung wird vor allem die administrative Last für kleinere Unternehmen deutlich verringern und ihre Bürokratie erheblich reduzieren. Mit dem neuen Mitarbeiter-Schwellenwert soll sichergestellt werden, dass die Nachhaltigkeitsberichterstattung weiterhin von den großen Unternehmen getragen wird, während KMU entlastet werden, ohne dass die grundlegenden Ziele der CSRD gefährdet werden.
3. Vereinfachung der ESRS und Stärkung des VSME-Standards
Auch die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) sollen im Rahmen des Omnibus-Pakets durch eine Überarbeitung des derzeit bestehenden umfassenden Regelwerks vereinfacht werden. Die EU-Kommission plant, die in den Berichtsstandards enthaltenen Anforderungen klarer und präziser zu formulieren, mit einem stärkeren Fokus auf quantitative Informationen. In vielen Bereichen sollen qualitative Angaben entfallen, was den Berichterstattungsprozess insgesamt transparenter und weniger aufwändig machen soll. Dies wird Unternehmen in die Lage versetzen, ihre Nachhaltigkeitsberichte effizienter zu gestalten und die Erstellung der Berichte zu vereinfachen.
Von der ursprünglich geplanten Erarbeitung und Einführung eigenständiger sektorspezifischer Berichtsstandards nimmt die EU wieder Abschied. Auch dies soll zur Vereinfachung beitragen, denn diese branchenspezifischen ESRS hätten noch zusätzliche, tiefergehende Anforderungen gebracht.
Nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass durch die geplante Reduzierung des Anwenderkreises eine Vielzahl an Unternehmen wieder aus der Berichtspflicht herausfällt, erwartet die EU eine deutlich steigende Relevanz für die freiwillige Nachhaltigkeitsberichterstattung. Um auch für diese Unternehmen eine strukturierte und vergleichbare Berichterstattung zu ermöglichen, soll der von der EFRAG für freiwillig berichtende kleine und mittlere Unternehmen entwickelte sog. VSME-Standard (EFRAG Voluntary Sustainability Reporting Standard for non-listed SMEs (VSME)) gestärkt werden. Der VSME-Standard wurde im Dezember 2024 von der EFRAG in finaler Fassung veröffentlicht und soll nun – ggf. nach Überarbeitung – von der EU als Delegierter Rechtsakt verabschiedet und im EU-Amtsblatt veröffentlicht werden. Damit erhält er die gleiche Verbindlichkeit wie die umfassenden ESRS.
Zudem beabsichtigt die EU, die Anforderungen für Unternehmen, die nicht direkt berichtspflichtig, aber Bestandteil einer Liefer- bzw. Wertschöpfungskette sind, zu reduzieren. Für diese Fälle soll geregelt werden, dass von ihnen weniger umfangreiche Informationen an die originär berichtspflichtigen Unternehmen geliefert werden müssen. Konkret ist vorgesehen, den Umfang der Daten, die verlangt werden können, am VSME-Standard auszurichten und somit durch diesen eine Begrenzung der anzufordernden Daten zu schaffen. Diese Anpassung zielt darauf ab, den sog. „Trickle-down-Effekt“ zu reduzieren und unnötige Abfragen von Informationen zu vermeiden. Sie trägt dazu bei, die Anforderungen an die Berichterstattung für Unternehmen entlang der gesamten Liefer- bzw. Wertschöpfungskette zu harmonisieren und den administrativen Aufwand zu reduzieren.
4. Überarbeitung der EU-Taxonomie-Verordnung
Weitere vorgeschlagene Änderungen des Omnibus-Pakets vom 26.02.2025 beziehen sich auf die EU-Taxonomie-Verordnung. Auch hier geht es darum, zur Entlastung der Unternehmen und zur Reduzierung der Komplexität des Regelwerks die bestehende Verordnung so zu modifizieren, dass künftig nur noch Unternehmen, die mehr als 1.000 Mitarbeiter und einen Umsatz von über 450 Mio. EUR erzielen, verpflichtet werden sollen, über ihre Tätigkeiten gemäß den Kriterien der EU-Taxonomie-Verordnung zu berichten und für identifizierte Taxonomie-fähige bzw. Taxonomie-konforme Wirtschaftsaktivitäten die geforderten Kennzahlen Umsatzerlöse, CapEX und OpEx zu veröffentlichen.
Da die 1.000-Mitarbeiter-Schwelle den geplanten neuen Grenzwerten für die Nachhaltigkeitsberichterstattung in der CSRD entspricht, die vorgesehene 450 Mio. EUR-Umsatzschwelle jedoch deutlich über die für die Nachhaltigkeitsberichterstattung relevante Größe von 50 Mio. EUR hinausgeht, reduziert sich der Kreis derjenigen Unternehmen bzw. Gruppen, für die die EU-Taxonomie-Verordnung relevant ist, noch mehr. Künftig wird es demzufolge Unternehmen geben, die zwar der Pflicht zu einer CSRD-/ESRS-konformen Nachhaltigkeitsberichterstattung unterliegen, nicht aber der Pflicht zur Anwendung der EU-Taxonomie-Verordnung (Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern, aber weniger als 450 Mio. EUR Umsatz).
Für kleinere Unternehmen wird es weiterhin möglich sein, die EU-Taxonomie-Verordnung freiwillig anzuwenden. Dies könnte relevant sein, wenn Unternehmen – bspw., weil es in der Branche üblich ist – auf freiwilliger Basis unter Nutzung der EU-Taxonomie (und damit anhand einer festgelegten Struktur) über ihre erzielten Fortschritte bei der Umsetzung nachhaltiger Geschäftsstrategien informieren möchten.
5. Erleichterungen bei der Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten
Das Omnibus-Paket sieht ebenfalls eine Änderung der Prüfanforderungen für Nachhaltigkeitsberichte vor, denn es soll auf die derzeit in der CSRD vorgesehene Ausweitung der Prüfungssicherheit von einer begrenzten zu einer hinreichenden Sicherheit (voraussichtlich ab dem Jahr 2028) verzichtet werden. Stattdessen soll es in Zukunft ausreichen, wenn Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung einer Prüfung mit begrenzter Sicherheit unterziehen. Diese Änderung soll verhindern, dass bei einem späteren Wechsel zu einer höheren Sicherheit – die hinreichende Sicherheit entspricht dem Sicherheitsniveau bei einer Abschlussprüfung – sowohl die damit verbundenen Kosten als auch der Aufwand bei der Prüfung ansteigen. Darüber hinaus plant die EU, von der Verabschiedung eines Prüfungsstandards für Zwecke der Nachhaltigkeitsberichterstattung abzusehen und stattdessen lediglich Guidelines für die Prüfung mit begrenzter Sicherheit vorzugeben.
Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die Art der Prüfung keinerlei Einfluss darauf hat, wie ein Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen ist. Es existiert keine „Erstellung mit begrenzter Sicherheit“, sodass die berichtspflichtigen Unternehmen unabhängig von der Prüfungssicherheit stets mit höchster Sorgfalt richtige und vollständige Nachhaltigkeitsberichte erstellen müssen.
Chancen und Herausforderungen für mittelständische Unternehmen
Die EU-Vorschläge aus dem Omnibus-Paket bringen sowohl Chancen als auch Herausforderungen mit sich.
Das Omnibus-Paket bietet insbesondere für die kleineren der großen mittelständischen Unternehmen erhebliche Chancen:
- Die geplanten verlängerten Fristen und die vereinfachten Berichtspflichten verschaffen diesen Unternehmen mehr Zeit, sich auf die Anforderungen der CSRD vorzubereiten und die notwendigen Prozesse und Systeme zu implementieren. So können die Unternehmen nicht nur die Compliance-Anforderungen besser erfüllen, sondern auch ihre Nachhaltigkeitsstrategie langfristig effektiver gestalten.
- Die vorgesehene Reduzierung der Anforderungen aus den Vorgaben der EU-Taxonomie-Verordnung und die Vereinfachung der ESRS bieten den Unternehmen die Möglichkeit, ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung schneller und mit weniger bürokratischem Aufwand umzusetzen.
- Die geplante Erleichterung bei der Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten trägt ebenfalls dazu bei, die finanziellen Belastungen der Unternehmen zu verringern.
Dennoch bringen die neuen Regelungen auch Herausforderungen mit sich:
- Unternehmen müssen sicherstellen, dass sie die weiteren Entwicklungen der neuen Regelungen und nationalen Umsetzungsfristen genau verfolgen, damit sie die Anforderungen korrekt und fristgemäß umsetzen.
- Die Anpassung bestehender Systeme an die neuen Vorgaben könnten zu zusätzlichen Kosten und Anstrengungen führen. Dies betrifft auch die internen Prozesse.
- Nicht zuletzt besteht eine gewisse Abhängigkeit von zukünftigen politischen Entwicklungen – sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene.
Insgesamt stellt das Omnibus-Paket einen bedeutenden Schritt zur Vereinfachung der Nachhaltigkeitsberichterstattung und Reduzierung von bürokratischen Lasten für Unternehmen dar. Es bietet Unternehmen, insbesondere im Mittelstand, die Chance, ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung zu reduzieren und bei der Vorbereitung von den verlängerten Fristen zu profitieren. Vor diesem Hintergrund sollten die Unternehmen diese Gelegenheit nutzen, um ihre Nachhaltigkeitsstrategie entsprechend auszurichten und sie zukunftsfähig zu gestalten, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben.
Die rechtliche Umsetzung des Omnibus-Verfahrens erfolgt über den regulären legislativen Prozess der EU. Nach der Veröffentlichung der Vorschläge durch die EU-Kommission am 26.02.2025 finden Verhandlungen zwischen dem Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat statt. Sobald eine Einigung erzielt wurde, werden die Änderungen im EU-Amtsblatt veröffentlicht und treten damit als geltendes EU-Recht in Kraft.
Anschließend müssen alle EU-Mitgliedstaaten die Änderungen an der CSRD in nationales Recht umsetzen. Die Übernahme der Fristverschiebung um zwei Jahre soll dabei nach dem Willen der EU noch bis zum 31.12.2025 erfolgen, damit die betroffenen Unternehmen zumindest dahingehend Rechtssicherheit erlangen. Mit Blick auf die inhaltlichen Modifikationen (z. B. Erhöhung des Schwellenwerts auf 1.000 Mitarbeiter sowie Überarbeitung der ESRS) ist derzeit von einem längeren Zeithorizont auszugehen. Für die betroffenen Unternehmen bleibt es damit weiterhin entscheidend, die nationalen Umsetzungsaktivitäten genau zu verfolgen und rechtzeitig auf die Änderungen zu reagieren, um keine Fristen zu versäumen und alle neuen Anforderungen ordnungsgemäß umzusetzen.