Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit drei Urteilen vom 25.09.2024 (Az.: II R 2/22, II R 36/21 und II R 46/22) wesentliche Fragen zur grunderwerbsteuerlichen Behandlung von Unternehmensumstrukturierungen geklärt. Die Entscheidungen betreffen die Anwendung der Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG (sog. Konzernklausel) bei konzerninternen Umstrukturierungen und stellen wichtige Klarstellungen zur Vorbehaltens- und Nachbehaltensfrist sowie zu konzerninternen Beteiligungsverhältnissen dar.
Hintergrund
§ 6a GrEStG regelt eine Steuerbefreiung für bestimmte konzerninterne Umstrukturierungen. Danach bleibt der Erwerb von Grundstücken innerhalb eines Konzerns unter bestimmten Bedingungen von der Grunderwerbsteuer befreit. Voraussetzung ist, dass eine Mindestbeteiligung des herrschenden Unternehmens in Höhe von 95 % am Kapital oder Gesellschaftsvermögen unmittelbar und/ oder mittelbar an der am Rechtsvorgang beteiligten Gesellschaft bzw. an den am Rechtsvorgang beteiligten Gesellschaften bereits fünf Jahre vor (Vorbehaltensfrist) und fünf Jahre nach (Nachbehaltensfrist) dem Rechtsvorgang ununterbrochen besteht. Ziel der Regelung ist es, konzerninterne Umstrukturierungen steuerlich nicht zu belasten, solange die wirtschaftliche Einheit erhalten bleibt.
Urteil II R 2/22 – Grunderwerbsteuerliche Begünstigung einer Ausgliederung eines Einzelunternehmens auf eine neu gegründete Kapitalgesellschaft
Sachverhalt
Eine Einzelkauffrau übertrug ihr Einzelunternehmen samt eines inländischen Betriebsgrundstücks im Wege der Ausgliederung zur Neugründung auf eine neu gegründete GmbH, deren Alleingesellschafterin sie wurde. Das Finanzamt versagte die Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG und setzte Grunderwerbsteuer fest. Dagegen klagte die Steuerpflichtige.
Entscheidung des BFH
Der Bundesfinanzhof entschied, dass die Ausgliederung eines Einzelunternehmens auf eine zu diesem Zweck neu gegründete Kapitalgesellschaft nach § 6a des GrEStG steuerbegünstigt sein kann.
Besondere Aspekte der Entscheidung
- Die in § 6a Satz 4 GrEStG vorgesehene Vorbehaltensfrist kann in den Fällen der Ausgliederung zur Neugründung umwandlungsbedingt nicht eingehalten werden, weil die neu gegründete Gesellschaft erst durch die Ausgliederung entsteht. Dies steht der Steuerbefreiung jedoch nicht entgegen.
- Die Nachbehaltensfrist bleibt bestehen: Die Steuerpflichtige muss ihre Beteiligung an der Kapitalgesellschaft mindestens fünf Jahre in Höhe von 95 % oder mehr halten, um die Steuerbegünstigung nicht nachträglich zu verlieren.
Urteil II R 46/22 – Einbringung von Kommanditanteilen in Vorrats-GmbH
Sachverhalt
Im Fall des BFH-Urteils II R 46/22 brachten die Kommanditisten einer grundbesitzenden GmbH & Co. KG ihre Kommanditanteile im Wege der Sachkapitalerhöhung in ihre jeweils im Vorjahr erworbene Vorrats-GmbH ein. Damit lag ein grunderwerbsteuerbarer Vorgang gem. § 1 Abs. 2a GrEStG vor, der aber von der Finanzverwaltung – entgegen der Auffassung der Steuerpflichtigen – als grunderwerbsteuerpflichtig eingestuft wurde, da die Voraussetzungen des § 6a GrEStG nicht erfüllt seien.
Entscheidung des BFH
Der BFH entschied, dass die Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 6a GrEStG auch bei einem gem. § 1 Abs. 2a GrEStG grundsätzlich steuerbaren Wechsel im Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Kommanditgesellschaft aufgrund einer Einbringung der Anteile der Kommanditisten an dieser Gesellschaft in eine Vorrats-GmbH greifen kann, soweit die Voraussetzungen des § 6a Satz 3 und Satz 4 GrEStG erfüllt sind.
Besondere Aspekte der Entscheidung
- Bei der Einbringung von Anteilen in eine Vorrats-GmbH kann nicht auf die Einhaltung der Vorbehaltensfrist verzichtet werden. Die Rechtsgrundsätze aus BFH II R 2/22 (siehe oben) sind nicht auf den Streitfall übertragbar, da im Unterschied zur dort behandelten Ausgliederung zur Neugründung eine Vorrats-GmbH bereits zivilrechtlich vor der Einbringung der Kommanditanteile besteht, auch wenn die Einbringung der Anteile eine sog. wirtschaftliche Neugründung darstellt und es daher den Gesellschaftern grundsätzlich möglich wäre, eine Vorrats-GmbH schon so frühzeitig zu erwerben, dass die fünfjährige Vorbehaltensfrist vor der Einbringung eingehalten werden kann.
- Für die grunderwerbsteuerrechtliche Anwendung des § 6a Satz 4 GrEStG kommt es jedoch nicht auf die wirtschaftliche Neugründung an. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass die Vorrats-GmbH bereits vor der wirtschaftlichen Neugründung zivilrechtlich existent war, am Rechtsverkehr teilnehmen und ihre Anteile erworben werden konnten. Es fehlt somit an einer Gründung zum Zwecke der Ausgliederung wie in BFH II R 2/22.
Urteil II R 36/21 – Anwendung des § 6a GrEStG bei ausländischen Anteilsübertragungen
Sachverhalt
Im BFH-Urteil II R 36/21 wurde folgender Sachverhalt behandelt: Die in Irland ansässige Muttergesellschaft A hielt seit über fünf Jahren mittelbar über ihre irische Tochtergesellschaft B Beteiligungen an weiteren Gesellschaften mit inländischem Grundbesitz. Im Jahr 2010 gründete A die Klägerin nach dem Recht der britischen Jungferninseln und war deren Alleingesellschafterin. Kurz nach der Gründung übertrug A sämtliche Anteile an B auf die Klägerin (sog. Verlängerung der Beteiligungskette). Das Finanzamt sah in dieser Anteilsübertragung einen grunderwerbsteuerpflichtigen Vorgang gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG und lehnte die Anwendung der Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG ab.
Entscheidung des BFH
Der BFH stellte klar, dass auch ausländische Gesellschaften in Fällen der sog. Verlängerung der Beteiligungskette, bei der der übertragende Alleingesellschafter zugleich Alleingesellschafter der erwerbenden Gesellschaft ist, nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 und 4 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegen, wenn der Gesellschaft, deren Anteile übertragen werden, ein inländisches Grundstück gehört. Der Anwendungsbereich des § 6a GrEStG ist nicht eröffnet.
Besondere Aspekte der Entscheidung
- Für die Steuerbarkeit i. S. d. § 1 GrEStG ist es unerheblich, ob die Zuordnung der Grundstücke unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten unverändert bleibt (Verlängerung der Beteiligungskette). Maßgeblich ist der Rechtsträgerwechsel.
- Die Anwendbarkeit des § 6a GrEStG hängt davon ab, ob der unter der ausländischen Rechtsordnung vollzogene Rechtsvorgang eine entsprechende Umwandlung i. S. d. § 6a GrEStG a. F. darstellt. Dies ist bei einer symbolischen Gegenleistung und bei Übertragungen im Wege der Einzelrechtsnachfolge (kein Umwandlungsmerkmal) wie im Streitfall nicht der Fall.
- Parallelen zur privilegierten Ausgliederung zur Neugründung (II R 2/22) sieht der BFH nicht.
Praxishinweis
Die Urteile des BFH bringen mehr Rechtssicherheit für konzerninterne Umstrukturierungen und bestätigen die weite Auslegung des § 6a GrEStG. Unternehmen sollten jedoch sicherstellen, dass die Beteiligungsverhältnisse vor und nach der Umstrukturierung den gesetzlichen Vorgaben entsprechen und im Einklang mit der neuen BFH-Rechtsprechung stehen, um eine nachträgliche Grunderwerbsteuerpflicht zu vermeiden.