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OLG Brandenburg, Beschluss vom 26.08.2022, 7 W 82/18

Nicht plausible Unternehmensplanungen sind anzupassen, auch wenn Anpassungen nur geringe Auswirkungen auf den Wert haben

Das OLG Brandenburg hat mit dem Beschluss vom 26.08.2022 (Az.: 7 W 82/18) zum Ausdruck gebracht, dass für Zwecke der Ermittlung einer Barabfindung im Rahmen eines Squeeze-Outs der „wahre“ Unternehmenswert zu ermitteln sei. In der Folge sei den Minderheitsaktionären ein voller Ausgleich für die Übernahme ihrer Aktien anzubieten. Wenn der Unternehmensbewertung eine unter Würdigung der Gesamtumstände unplausible Planung zugrunde liegt, sei die Planung anzupassen, auch wenn die Anpassungen insgesamt nur zu geringfügigen Abweichungen beim Unternehmenswert führen.

Mit Beschluss vom 26.08.2022 (Az.: 7 W 82/18) äußerte sich das OLG Brandenburg unter anderem zu der Frage der Notwendigkeit der Anpassung einer Planungsrechnung bei der Unternehmensbewertung im Zuge eines Squeeze-Outs.

Im Rahmen eines Squeeze-Outs müsse die den Minderheitsaktionären angebotene Barabfindung den vollen Wert des Unternehmensanteils abbilden, um den Vorgaben aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG gerecht zu werden. Die Barabfindung müsse dem Aktionär die volle wirtschaftliche Kompensation seiner Unternehmensbeteiligung verschaffen, die nicht unter dem Verkehrswert liegen dürfe.

Der Unternehmenswert sei im Wege einer Schätzung gemäß § 287 ZPO zu ermitteln (§ 738 Abs. 2 BGB) Der Wert der Unternehmensbeteiligung könne dabei sowohl unmittelbar, etwa durch den Rückgriff auf den Börsenwert der Anteile, als auch mittelbar als quotaler Anteil an dem durch eine geeignete Methode ermittelten Unternehmenswert bestimmt werden. Die eine oder andere Methode scheide dann aus, wenn sie aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls nicht geeignet ist, den „wahren“ Wert des Unternehmens abzubilden. Wenn die Abfindung nicht nach dem Anteilswert, der in der Regel dem Börsenwert der gehaltenen Aktien zu entnehmen ist, bestimmt wird, sei der Anteil des Minderheitsaktionärs am Unternehmenswert zugrunde zu legen. Entscheidend sei, dass die gewählte Methode in der Wirtschaftswissenschaft oder Betriebswirtschaftslehre anerkannt und in der Praxis gebräuchlich ist.

Das OLG Brandenburg bringt zum Ausdruck, dass es zur Ermittlung des Verkehrswerts der Aktie weder eine als einzig richtig anerkannte Methode gebe noch eine der gebräuchlichen Methoden in der Wirtschaftswissenschaft unumstritten sei. Im Rahmen der vom Gericht vorzunehmenden Schätzung sei bei einem werbenden Unternehmen die Ertragswertmethode eine grundsätzlich geeignete Methode.

Grundlage für die Unternehmensbewertung nach der Ertragswertmethode ist regelmäßig eine Planungsrechnung. Einige Antragsteller haben im vorliegenden Fall eingewandt, dass die der Bewertung zugrunde liegende Planungsrechnung nicht plausibel sei. Der gerichtlich bestellte Abfindungsprüfer hat auf Basis eines Beschlusses des Senats daraufhin seine ursprüngliche Einschätzung zur Plausibilität der Planungsrechnung überprüft.

Im vorliegenden Fall gelangte das OLG Brandenburg auf Basis der erneuten Prüfung der Planung durch den gerichtlich bestellten Abfindungsprüfer zu dem Ergebnis, dass einige der Planung der Geschäftsführung des Bewertungsobjekts zugrunde liegenden Annahmen nicht realistisch seien und die gesamte Planung in der Gesamtbetrachtung nicht angemessen sei. In der Folge sei die Planungsrechnung anzupassen. Die angepasste Planung führte zu einem Abfindungswert, der im Vergleich zur angebotenen Abfindung lediglich um 3,6 % höher war. Ungeachtet der geringen Abweichung sei nach Auffassung des OLG Brandenburg eine Anpassung der Barabfindung geboten.

Das OLG Brandenburg weist zwar darauf hin, dass bei der Tatsachenfeststellung zur Unternehmensbewertung im Spruchverfahren die in die Zukunft gerichteten Planungen der Unternehmen und die darauf aufbauenden Prognosen ihrer Erträge nur eingeschränkt überprüfbar sind. Planungen und Prognosen seien in erster Linie ein Ergebnis der jeweiligen unternehmerischen Entscheidung der für die Geschäftsführung verantwortlichen Personen. Diese Entscheidungen seien aber auf zutreffenden Informationen und daran orientierten, realistischen Annahmen aufzubauen; sie dürfen zudem nicht in sich widersprüchlich sein. Könne die Geschäftsführung auf dieser Grundlage vernünftigerweise annehmen, ihre Planung sei realistisch, dürfe diese Planung nicht durch andere – letztlich ebenfalls nur vertretbare – Annahmen des Gerichts ersetzt werden.

Das OLG Brandenburg sieht in der geringfügigen Abweichung keinen Grund, die Anpassungen bei der Abfindungsbemessung außer Acht zu lassen. Dem OLG Brandenburg folgend beruhen die Abweichung nicht auf Unterschieden im Auf- oder Abrunden von Ergebnissen oder unterschiedlichen Faktoren, die wenige Prozentpunkte voneinander abweichen, oder etwa einer geringfügigen Abweichung vom Börsenkurs. Maßgeblich sei vielmehr die von der Geschäftsführung ursprünglich aufgestellte Planung, die tatsächlichen Entwicklungen in der Vergangenheit und die Halbjahreszahlen nicht ausreichend berücksichtigte. Die daraus folgende Bemessung der Umsatzzahlen und der Rohertragsmarge jeweils am unteren Rand plausibler Bandbreiten führte zu Planannahmen, die nicht mehr nachvollziehbar seien und mithin zur Ermittlung des wahren Werts der übernommenen Aktien nur eingeschränkt geeignet waren. Im Interesse des vollen Ausgleichs der aus dem Unternehmen ausgeschiedenen Aktionäre sei die Anpassung trotz der im Vergleich der Abfindungsbeträge geringfügigen Abweichung von 3,6 % vom angemessenen Wert vorzunehmen.

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