Nach Bekanntwerden des sogenannten „Wirecard-Skandals“ hat der deutsche Gesetzgeber bereits im Sommer 2020 angekündigt, rasch zu handeln und Maßnahmen zu ergreifen, um zukünftig noch besser die Richtigkeit von Rechnungslegungsunterlagen sicherstellen und damit das am Kapitalmarkt verloren gegangene Vertrauen zurückgewinnen zu können. Als Ergebnis dessen wurde das Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG) am 20.05.2021 vom Deutschen Bundestag verabschiedet. Der Bundesrat hat dem Gesetz am 28.05.2021 zugestimmt. Im Wesentlichen tritt das FISG zum 01.07.2021 in Kraft.
Nach dem Gesetzesbeschluss zum Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG) des Deutschen Bundestags vom 20.05.2021 hat der Bundesrat dem Beschluss am 28.05.2021 zugestimmt. Größtenteils werden die darin enthaltenen Neuerungen bereits zum 01.07.2021 in Kraft treten. Gegenstand des Gesetzes sind unter anderem Veränderungen in Bezug auf die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse (sogenannte PIE – Public Interest Entity), die Bilanzkontrolle sowie den Bilanzeid. Zudem wird die Haftung von Abschlussprüfern erheblich verschärft.
Stärkung der Abschlussprüferunabhängigkeit
Als ein zentraler Bestandteil des Gesetzes gilt die weitere Stärkung der Abschlussprüferunabhängigkeit bei PIE-Prüfungen, indem § 319a HGB durch das FISG ersatzlos gestrichen wird. Damit fallen die bislang in dieser Vorschrift enthaltenen Mitgliedstaatenwahlrechte für ein mögliches Abweichen vom in der EU-Abschlussprüferverordnung (EU-VO Nr. 537/2014) festgeschriebenen Katalog der verbotenen Nichtprüfungsleistungen weg. Stattdessen hat die sogenannte black list in Deutschland unmittelbar Gültigkeit, d.h. für den Prüfer eines Unternehmens von öffentlichem Interesse sind keine Nichtprüfungsleistungen mehr erlaubt. Konkret bedeutet dies, dass die Erbringung von bestimmten
- Steuerberatungsleistungen (§ 319a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HGB i.d.F. vor FISG) und
- Bewertungsleistungen (§ 319a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HGB i.d.F. vor FISG)
durch PIE-Prüfer nicht mehr zulässig sind. Zudem wird die antragsbezogene Genehmigung von Steuerberatungsleistungen (sogenannte fee cap) ebenfalls abgeschafft. Zusätzlich stellt ein neuer § 316a HGB klar, dass die Vorschriften der EU-Abschlussprüferverordnung für alle Kapitalgesellschaften von öffentlichem Interesse Vorrang vor nationalen Normen haben. Von diesen Maßnahmen verspricht sich der Gesetzgeber die Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen Abschlussprüfung sowie die Erhöhung des Vertrauens der Finanzmarktakteure in Bestätigungsvermerke.
Als weiterer Schritt zur Stärkung der Unabhängigkeit wird im Zusammenhang mit PIE-Prüfungen durch die Aufhebung von § 318 Abs. 1a HGB i.d.F. vor FISG eine verpflichtende externe Rotation des Abschlussprüfers nach zehn Jahren (d.h. ohne Verlängerungsmöglichkeit) geschaffen.
Bei der internen Rotation wird die Zeitdauer, während der verantwortliche Prüfungspartner an einer PIE-Prüfung teilnehmen kann, auf fünf Jahre reduziert (§ 43 Abs. 6 WPO).
Bilanzkontrolle
Das bisherige zweistufige und auf die freiwillige Mitwirkung der geprüften Unternehmen ausgerichtete Enforcement-System bei sogenannten Unternehmen von öffentlichem Interesse wurde grundlegend reformiert. Künftig ist allein die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) für die Bilanzkontrolle zuständig. Zur Umsetzung dessen erhält die BaFin hoheitliche Befugnisse. Besteht ein Verdacht auf Bilanzverstöße, kann die BaFin direkt und unmittelbar gegenüber den betreffenden Kapitalmarktunternehmen auftreten. Die bislang als zweite Enforcement-Komponente agierende Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) wird abgeschafft.
Falscher Bilanzeid
Verschärfungen bringt das FISG auch auf Seiten der Unternehmen: Die Verantwortlichen sollen bei Abgabe eines unrichtigen Bilanzeids durch einen neuen § 331a HGB härter bestraft werden: Künftig kann eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren verhängt werden. Mit dieser Verschärfung des Bilanzstrafrechts soll die abschreckende Wirkung einer falschen Erklärung, der Abschluss/Lagebericht vermittele ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, deutlich erhöht werden.
Abschlussprüferhaftung
Das FISG verschärft die zivilrechtliche Haftung der Abschlussprüfer gegenüber den geprüften Unternehmen deutlich (§ 323 HGB). Während die Haftung bei der Prüfung von Kapitalgesellschaften von 1 Mio. EUR auf 1,5 Mio. EUR erhöht wird (bei grober Fahrlässigkeit: 12 Mio. EUR), beträgt die Haftungshöchstgrenze im Zusammenhang mit der Prüfung von Kapitalgesellschaften, die kapitalmarktorientiert i.S.v. § 264d HGB sind, nun sogar 16 Mio. EUR – dies stellt eine Vervierfachung dar. Bei grober Fahrlässigkeit sowie Vorsatz existiert in diesen Fällen überhaupt keine Höchstgrenze mehr. Der neue § 332 Abs. 2 HGB verschärft das Strafmaß bei der Erteilung von inhaltlich unrichtigen Bestätigungsvermerken bei PIE-Abschlussprüfungen (Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe).
Weitere Änderungen
Darüber hinaus beinhaltet das FISG Änderungen an zahlreichen weiteren Gesetzen wie z.B. dem WpHG, BörsG, ZAG, KAGB, um nur einige zu nennen. Damit soll die Corporate Governance gestärkt, der Handel von BaFin-Beschäftigten mit bestimmten Finanzinstrumenten verboten sowie der Datenaustausch zwischen verschiedenen Institutionen (z.B. Finanzbehörden, polizeiliche Daten im Kontext der Geldwäschebekämpfung) gestärkt werden.