Aufgrund der vorgenommenen Änderungen der Insolvenzordnung (InsO) aktualisierte das IDW die hiervon betroffenen Passagen in IDW PS 270 n.F., Tz. A11 und A13. Die ergänzende Zusammenstellung von F&A behandelt häufig gestellte Fragen zur Verwendung von Prognosezeiträumen für die Beurteilung der Fortführung der Unternehmenstätigkeit im Rahmen der Abschlussprüfung. Die jeweiligen Antworten stellen praktische Hinweise mit exemplarischem Charakter dar, die weder zusätzliche Anforderungen noch eine verbindliche Auslegung beinhalten.
Anlass für die veröffentlichten Fragen und Antworten (F&A) des IDW waren die Änderungen der am 01.01.2021 in Kraft getretenen InsO sowie des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG). Erstmals wurden konkrete Fristen für die Würdigung möglicher Insolvenzantragsgründe in den Gesetzestext aufgenommen. Zuvor waren diese Prognosezeiträume durch Rechtsprechung und berufsständische Anforderungen (vgl. IDW S 11) vorgegeben, wobei in der Regel auf das laufende und das folgende Geschäftsjahr abgestellt wurde.
Nunmehr betragen die Prognosezeiträume 24 Monate für eine drohende Zahlungsunfähigkeit gemäß § 18 InsO, zwölf Monate für eine Überschuldung gemäß § 19 InsO und befristet für 2021 im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie lediglich vier Monate, wenn die (potentielle) Überschuldung i.S.d. § 19 InsO auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen ist.
Drohende Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen, und bewirkt ein Insolvenzantragsrecht. Überschuldung hingegen liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt und die Fortführung des Unternehmens in den nächsten zwölf Monaten nicht überwiegend wahrscheinlich ist, und löst eine Insolvenzantragspflicht aus.
Die folgenden praktischen Hinweise mit exemplarischem Charakter lassen sich aus den F&A des IDW für die Beurteilung der Unternehmensfortführung durch einen Abschlussprüfer ableiten:
- Für die Zwecke der handelsrechtlichen Fortführungsprognose reicht auch im Kalenderjahr 2021 ein verkürzter Prognosezeitraum von vier Monaten nicht aus, da der Abschlussprüfer der Würdigung der Fortführungsprognose zumindest einen Zeitraum von zwölf Monaten ab dem Abschlussstichtag zugrunde zu legen hat. Sofern das Management kürzere Zeiträume heranzieht, hat der Abschlussprüfer eine Ausdehnung des Prognosezeitraums auf zwölf Monate einzufordern.
- Die gesetzlichen Vertreter können nach dem Going-Concern-Prinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB) von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit ausgehen, sofern dem keine tatsächlichen oder rechtlichen Gegebenheiten – wie bspw. eine Insolvenzantragspflicht – entgegenstehen. Für die handelsrechtliche Fortführungsprognose reicht es aus, wenn das Management lediglich eine Insolvenzantragspflicht gemäß § 19 Abs. 2 InsO würdigt. Das Bestehen eines Insolvenzantragsrechts ist unerheblich, weil das Management entscheiden kann, ob es vom Antragsrecht Gebrauch macht oder nicht.
- Bei der Frage welche Konsequenzen für die Abschlussprüfung das Bestehen eines Insolvenzantragsrechts mit sich bringt, sind die einschlägigen Prognosehorizonte zu berücksichtigen. Würdigt das Management mit Hilfe einer 24-monatigen Fortbestehensprognose, ob ein Insolvenzantragsrecht nach § 18 InsO vorliegt, und ergibt sich im gesamten Zeitraum keine Zahlungsunfähigkeit, kann der Abschlussprüfer von der Unternehmensfortführung ausgehen. Liegt eine drohende Zahlungsunfähigkeit im Zeitraum zwischen zwölf und 24 Monaten vor, hat der Abschlussprüfer unter Anwendung seines pflichtgemäßen Ermessens zu würdigen, wie bedeutend die zu Grunde liegenden Ereignisse und Gegebenheiten für die handelsrechtliche Fortführungsannahme sind. Je weiter das Ereignis oder die Gegebenheit in der Zukunft liegt, desto bedeutender müssen die Anzeichen für die Unternehmensfortführungsprobleme sein. Liegen vergleichbare Ereignisse oder Gegebenheiten innerhalb des handelsrechtlichen Prognosezeitraums von zwölf Monaten vor, sind weitergehende Prüfungshandlungen durchzuführen.
- Grundsätzlich liegt die Feststellung einer bedeutsamen Verzögerung bei der Aufstellung des Abschlusses im pflichtgemäßen Ermessen des Abschlussprüfers. Aspekte für die Beurteilung können hierbei der verbleibende Prognosezeitraum im Zeitpunkt der Aufstellung des Abschlusses, das Ausmaß der Überschreitung von gesetzlichen Aufstellungsfristen und der Ablauf der gesetzlichen Offenlegungsfrist sein, wobei bei letztgenanntem Kriterium stets eine bedeutsame Verzögerung vorliegt.
- Bei der Frage, wann die Zwölf-Monatsfrist für die handelsrechtliche Fortführungsprognose zu laufen beginnt, ist zu berücksichtigen, ob die Kriterien eines Krisenunternehmens oder der bedeutsamen Aufstellungsverzögerungen vorliegen. Krisenunternehmen sind vereinfachend Unternehmen, deren gesetzliche Vertreter eine Insolvenzantragspflicht aufgrund einer Überschuldung beurteilen. Liegt weder ein Krisenunternehmen noch eine bedeutsame Aufstellungsverzögerung vor, genügt i.d.R. ein Prognosehorizont von zwölf Monaten ab dem Abschlussstichtag. Liegt kein Krisenunternehmen, aber eine bedeutsame Aufstellungsverzögerung vor, kann womöglich eine Ausdehnung des Prognosezeitraums über die zwölf Monate nach dem Abschlussstichtag als notwendig erachtet werden. Bei Krisenunternehmen hat der Abschlussprüfer – unabhängig von einer Aufstellungsverzögerung – den Prognosehorizont von zwölf Monaten ab dem Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Prognose zugrunde zu legen.
- Liegt eine bedeutsame Verzögerung vor, sind vom Abschlussprüfer zunächst die Gründe hierfür zu erfragen. Bringen diese neue Erkenntnis über Ereignisse oder Gegebenheiten, die bedeutsame Zweifel an der Fortführung der Unternehmenstätigkeit aufwerfen, kann der Abschlussprüfer bereits eine aktualisierte Fortführungsprognose bzw. eine Verlängerung des Prognosezeitraums vom Management anfordern. Ist der Abschlussprüfer der Auffassung, dass die bedeutsame Verzögerung mit Ereignissen oder Gegebenheiten zusammenhängen könnte, welche die Fortführung der Unternehmenstätigkeit betrifft, hat er zusätzliche Prüfungshandlungen durchzuführen und zu würdigen, ob sich hieraus neue Erkenntnisse für die Fähigkeit zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit bzw. das Vorliegen einer wesentlichen Unsicherheit ergeben. Ergeben sich neue Zweifel an der Fähigkeit zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit, kann der Abschlussprüfer – sofern nicht bereits geschehen – eine aktualisierte Fortführungsprognose des Managements unter Berücksichtigung der neuen Erkenntnisse anfordern.
Aufgrund der vorgenommenen Änderungen der Insolvenzordnung (InsO) hat das IDW Passagen in IDW PS 270 n.F. angepasst. Hierbei betont das IDW unterschiedliche Zeiträume in Abhängigkeit verschiedener Szenarien. Die Ausführungen zu den (im Einzelfall unterschiedlich langen) erforderlichen Prognosezeiträumen für die Beurteilung der Fortführung der Unternehmenstätigkeit ist nicht nur für den Abschlussprüfer, sondern auch für die gesetzlichen Vertreter, die den Jahresabschluss aufstellen, von hoher Relevanz.