Mit seinem Urteil konkretisiert der BFH die vorangegange Rechtssprechung des Bundesfinanzhofs (Urteil vom 14.03.2012 – XI R 33/09, BStBl II 2012, 477, Rn. 38 m.w.N, Urteil vom 15.05.2018 – VII R 14/17, BFH/NV 2018, 1137, Rn. 18) zur Befreiung von der Pflicht der elektronischen Übermittlung der E-Bilanz aufgrund von wirtschaftlicher Unzumutbarkeit. Vorangegangen war ein Rechtsstreit am Schleswig-Holsteinische Finanzgericht, der zur Revision zugelassen wurde (Schleswig-Holsteinisches FG vom 09.09.2020 – 3 K 6/20).
Streitig war im vorliegenden Fall, ob die Klägerin einen Anspruch darauf hat, dass das beklagte Finanzamt zur Vermeidung unbilliger Härte auf die elektronische Übermittlung der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung der Klägerin verzichtet. Hintergrund ist die Pflicht des § 5b EStG, dass für Veranlagungszeiträume nach dem 31.12.2011 Unternehmen ihre Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung sowie eine eventuell notwendige Überleitungsrechnung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung übermitteln müssen.
Ausgenommen von der Abgabepflicht einer E-Bilanz werden kann ein Unternehmen nur dann, wenn es die Tatbestandsmerkmale der Härtefallregelung des § 5b Abs.2 i.V.m. § 150 Abs. 8 AO erfüllt und damit der Verzicht auf die elektronische Übermittlung zur Vermeidung unbilliger Härte beiträgt.
Diese unbillige Härte i.S.d. § 5b Abs. 2 EStG liegt vor, wenn es dem Steuerpflichtigen wirtschaftlich und persönlich unzumutbar ist, die Erklärung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung einzureichen (vgl. Senatsurteil in BFHE 236, 283, BStBl II 2012, 477, Rz 38; BFH-Urteil vom 15.05.2018 – VII R 14/17, BFH/NV 2018, 1137, Rz 18). § 150 Abs. 8 AO konkretisiert diese wirtschaftliche bzw. persönliche Unzumutbarkeit dahingehend, dass diese vorliegt, wenn die Schaffung der technischen Voraussetzungen für eine elektronische Übermittlung nur mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand möglich ist oder der Steuerpflichtige nach seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht oder nur eingeschränkt in der Lage ist, die Möglichkeiten der elektronischen Übermittlung zu nutzen.
Im Ergebnis folgt der BFH der Argumentation des FG Schleswig-Holstein und hat sich für die Verpflichtung zur Abgabe der E-Bilanz in dem zu beurteilenden Fall ausgesprochen.
Der BFH stellt klar, dass im Falle der Klägerin keine unbillige Härte i.S.d. § 5b Abs. 2 EStG vorliege. So urteilte er, dass eine unbillige Härte nicht schon dann vorliegt, wenn die Einkünfte des bilanzierenden Steuerpflichtigen im Wirtschaftsjahr gering oder negativ sind. Vielmehr ist zu beurteilen, ob angesichts des Umfangs der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung die vom Steuerpflichtigen zu tragenden Kosten unverhältnismäßig sind. Nur wenn dies der Fall ist, liegt ein nicht unerheblicher finanzieller Aufwand i.S.d. § 150 Abs. 8 S. 2 Hs. 1 AO vor. Dieses Tatbestandsmerkmal sah der BFH im Falle der Klägerin als nicht erfüllt an, da unter Berücksichtigung einer Bilanzsumme von 16.277 €, von Gewinnrücklagen in Höhe von 3.810 €, Umsatzerlösen von 2.648 € und einem Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit von 660 € ein finanzieller Aufwand in Höhe von 40,54 € pro Jahr für die elektronische Übermittlung einer Bilanz auch bei einem Kleinstunternehmen kein erheblicher finanzieller Aufwand sei.
Die persönliche Unzumutbarkeit der Klägerin sah der BFH – genauso wie zuvor das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht – als ebenfalls nicht erfüllt an. Bei der Klägerin handelte es sich um eine UG. Gegenstand des Unternehmens ist der Betrieb von sog. Internetplattformen. Ein Steuerberater wurde von der Klägerin für die Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten nicht in Anspruch genommen. In den Jahren 2017 und 2018 übermittelte die Klägerin ihre Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung in Papierform, ihre Steuererklärung übermittelte sie hingegen in elektronischer Form. Im vorangegangen Verfahren wertete das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht dies bereits zutreffend als Indiz dafür, dass keine persönliche Unzumutbarkeit vorliege, da die Klägerin über taugliche Hardware und die nötigen Kenntnisse verfüge, sodass es ihr nur an der entsprechenden Software mangele. Demnach liegt kein Mangel an individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten i.S.d. § 150 Abs. 8 S. 2 AO der für die Klägerin handelnden Personen vor. Der BFH konkretisiert mit diesem Urteil die Auslegung des § 150 Abs. 8 AO weiter. Die vom Gesetzgeber angedachte großzügige Auslegung im Hinblick auf Kleinstbetriebe muss vor allem in Bezug auf die wirtschaftliche Unzumutbarkeit einer genaueren Prüfung unterzogen werden. So merkt der BFH in seinem Urteil an, dass auch bei Kleinstbetrieben kein voraussetzungsloser „automatischer“ Anspruch auf Befreiung von der Pflicht zur elektronischen Übermittlung der Bilanz bestünde. Weder § 5b Abs. 2 EStG noch § 150 Abs. 8 AO sehen laut dem BFH einen derartigen „Automatismus“ vor, sondern verlangen in jedem Fall das Vorliegen einer unbilligen Härte i.S.d. § 5b Abs. 2 EStG.
Mit seinem Urteil unterstreicht der BFH damit, dass in nur sehr selten Ausnahmefälle Unternehmen von der Verpflichtung zur Abgabe einer E-Bilanz befreit werden können.