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Ukraine-Krieg: Fachlicher Hinweis des IDW (1. Update) – Rechnungs­legung 2022 (HGB)

Am 08.04.2022 hat das IDW ein erstes Update zu dem im März 2022 veröffentlichten fachlichen Hinweis zu den Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf die Rechnungslegung und Prüfung verabschiedet. Zahlreiche Fragestellungen und Aspekte wurden neu aufgenommen, andere aktualisiert. Mit fast 70 Seiten gibt das Update wertvolle Hilfestellungen für die Praxis. Weitere relevante Fragen und Antworten sollen in fortlaufenden Updates veröffentlicht werden.

Vorbemerkung

Der Beginn des Ukraine-Krieges am 24.02.2022 stellt ein einschneidendes Ereignis für die Weltwirtschaft dar. Unmittelbar haben bspw. die Kapitalmärkte und Rohstoffmärkte reagiert. Die weltweite Verunsicherung hält weiterhin an – auch mehr als einen Monat nach Kriegsbeginn. Die Auswirkungen des Krieges haben auch Auswirkungen auf die Rechnungslegung und Abschlussprüfung auf.

Für die Rechnungslegung ergeben sich zahlreiche Auswirkungen für die Bilanzierung, Bewertung und Berichterstattung – sowohl bereits zum 31.12.2021 als auch in laufender Rechnung des Jahres 2022. Grundsätzlich stellt der Kriegsausbruch ein wertbegründendes Ereignis des Jahres 2022 dar. Das erste Update des fachlichen Hinweises des IDW zu den Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf die Rechnungslegung und deren Prüfung behandelt zahlreiche neue Fragestellungen, die insbesondere Auswirkungen auf die laufende Rechnungslegung nach HGB und IFRS für Stichtage nach dem Kriegsausbruch haben.

Überblick

Der im Februar 2022 begonnene Ukraine-Krieg nimmt nicht nur auf den wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Alltag Einfluss, sondern tangiert mittelbar und unmittelbar die Rechnungslegung und Berichterstattung der Unternehmen.

Während zu das kalenderjahrgleiche Geschäftsjahr 2021 die Auswirkungen des Kriegsbeginns am 24.02.2022 vorwiegend den Nachtragsbericht, die Lageberichterstattung sowie die allgemeine Beurteilung der Unternehmensfortführung betreffen, zeichnet sich für die Zeit danach ein anderes Bild. Für die Rechnungslegung ab dem 24.02.2022 – sowohl für Stichtage nach Kriegsbeginn als auch die laufende Rechnungslegung bei einem kalenderjahrgleichen Geschäftsjahr – ergeben sich zahlreiche aktuelle Fragestellungen mit unmittelbarem Bezug zur Bilanzierung, Bewertung und Berichterstattung.

Das IDW hat seine Ausführungen im ersten Update zu seinem fachlichen Hinweis zu den Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf die Rechnungslegung und deren Prüfung wie folgt gegliedert:

  • Auswirkungen auf die Rechnungslegung zum Stichtag 31.12.2021 (HGB und IFRS),
  • Auswirkungen auf die handelsrechtliche Rechnungslegung für Stichtage nach Kriegsausbruch,
  • Auswirkungen auf die IFRS-Rechnungslegung für Stichtage nach Kriegsausbruch,
  • Auswirkungen auf die Abschlussprüfung,
  • Auswirkungen der Sanktionen auf Vertragsbeziehungen.

Im Folgenden wird vorwiegend auf die neuen respektive im ersten Update aktualisierten Aspekte eingegangen, wobei die Rechnungslegung seit Kriegsbeginn nach HGB betrachtet wird.

Rechnungslegung und Berichterstattung seit Kriegsbeginn (Handelsrecht)

Bezogen auf die Auswirkungen auf die handelsrechtliche Rechnungslegung äußert sich das IDW bspw. zu der Frage, ob die aktuelle Situation einen Anwendungsfall für die Möglichkeit der Inanspruchnahme des Konsolidierungswahlrechts nach § 296 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 HGB darstellt. In zeitlicher Hinsicht müssen die Beschränkungen nach § 296 Abs. 1 Nr. 1 HGB am betrachteten Konzernbilanzstichtag bestanden haben. Die aktuellen Ereignisse im Jahr 2022 können also nicht eine Einschränkung bereits zum 31.12.2021 begründen. Allerdings können sich aus der aktuellen Situation Beschränkungen ergeben hinsichtlich der Möglichkeit der Datenbeschaffung oder es kann zu erheblichen Verzögerungen bei der Aufstellung des Konzernabschlusses kommen. Insoweit können die Auswirkungen des Ukraine-Krieges nach Auffassung des IDW im Einzelfall die Voraussetzungen für eine unangemessene Verzögerung im Sinne der Vorschrift erfüllen, wenn die sogenannten „Reporting Packages“ nicht oder nur mit erheblicher Verzögerung an das Mutterunternehmen geliefert werden können. Wenn auf Grundlage der beiden vorgenannten Regelungen keine Vollkonsolidierung des Tochterunternehmens mehr erfolgt, ist eine Einbeziehung nach Maßgabe der Equity-Methode zu prüfen. Kommt auch diese nicht in Frage, hat eine Bewertung zu fortgeführten Anschaffungskosten zu erfolgen, wobei die Beteiligung dann vor dem Hintergrund des handelsrechtlichen Niederstwertprinzips auf ihre Werthaltigkeit zu überprüfen ist.

Der Ukraine-Krieg kann im Einzelfall außerplanmäßige Abschreibungen – sowohl im Anlagevermögen als auch im Umlaufvermögen – zur Folge haben. Daher sind aktivierte immaterielle Vermögensgegenstände (einschließlich aktivierter Firmenwerte) ebenso auf ihre Werthaltigkeit hin zu untersuchen wie Sachanlagen. In diesem Zusammenhang kommt eine Abschreibung nur dann in Frage, wenn sich die Folgen des Ukraine-Krieges dauerhaft auf die Werthaltigkeit der aktivierten Beträge auswirken, mitunter also eine voraussichtlich dauernde Wertminderung eingetreten ist. Im Finanzanlagevermögen besteht im Falle einer voraussichtlich nicht dauerhaften Wertminderung ein Abschreibungswahlrecht. Die Bestimmung des beizulegenden Werts von Finanzanlagen hat für den Fall von Beteiligungen oder Anteilen an verbundenen Unternehmen unter Beachtung der Regelungen nach IDW RS HFA 10 zu erfolgen. Sofern für Wertpapiere des Anlagevermögens Börsenkurse vorliegen, hat die Beurteilung der voraussichtlichen Dauerhaftigkeit der Wertminderung mit Blick auf die Dauer und den Umfang der eingetretenen Wertminderung zu erfolgen.

Für Vorräte und Forderungen des Umlaufvermögens gilt das strenge Niederstwertprinzip. Bei der Ermittlung der Herstellungskosten für die Vorräte ist auf die zutreffende Behandlung von Leerkosten zu achten. Zudem hat eine verlustfreie Bewertung der zum Stichtag vorliegenden Vorräte und Waren unter Berücksichtigung etwaiger noch bis zur Fertigstellung anfallenden Herstellungskosten zu erfolgen. Bei Forderungen des Umlaufvermögens können sich Wertberichtigungen auf Grund von Zahlungsschwierigkeiten infolge der Kriegsauswirkungen ergeben.

Wenn hinsichtlich liquider Mittel Verfügungsbeschränkungen vorliegen, sind diese Positionen unter den sonstigen Vermögensgegenständen auszuweisen und nach den handelsrechtlichen Grundsätzen zu bewerten. Ein Ausweis von verfügungsbeschränkten Bankguthaben unter den liquiden Mittel ist nicht mehr sachgerecht. Sofern die Beschränkungen so weit gehen, dass der Bilanzierende über die Mittel gar nicht mehr verfügen kann und diese ihm damit nicht mehr zuzurechnen sind, sind diese Beträge aufwandswirksam auszubuchen. Auch für Zwecke der Kapitalflussrechnung ist die Verfügungsbeschränkung zu beachten. Hier hat entweder ein gesonderter Ausweis der nicht zahlungswirksamen Veränderungen des Finanzmittelfonds oder eine entsprechende Überleitungsrechnung zwischen dem Finanzmittelfonds und den in der Bilanz ausgewiesenen liquiden Mitteln einschließlich der verfügungsbeschränkten Mittel zu erfolgen, wenn der Bilanzierende die Verfügungsbeschränkung als nicht schädlich für die Abgrenzung des Finanzmittelfonds ansieht.

Im handelsrechtlichen Jahresabschluss kann sich durch den Ukraine-Krieg die Notwendigkeit der Bildung von Rückstellungen ergeben. Preisänderungen auf den relevanten Beschaffungs- und/oder Absatzmärkten, Leistungsstörungen in Beziehungen zu Geschäftspartner bzw. Lieferketten sowie die eingeschränkte Verfügbarkeit von Personal können den Ansatz von Rückstellungen bedingen. Einerseits ist an den Ansatz von Drohverlustrückstellungen, insbesondere bei Absatzgeschäften, zu denken. Darüber hinaus kann der Ansatz einer Verbindlichkeitsrückstellung wegen etwaiger Verstöße gegen Sanktionsregelungen in Betracht kommen, wenn das bilanzierende Unternehmen im Einzelfall gegen ordnungs- oder bußgeldbewehrte Sanktionsregelungen verstoßen hat. Sofern ein Unternehmen seinen Zahlungsverpflichtungen nicht fristgerecht nachkommen kann, weil bspw. Geldüberweisungen an bestimmte russische Banken nicht möglich sind (wegen des Ausschlusses vom SWIFT-Zahlungsabwicklungssystem), ist der Ansatz weiterer Schuldposten wegen des Zahlungsverzugs bzw. infolge von Verzinsungen zu prüfen. Ebenso kann sich ein Rückstellungsbedarf aus der Inanspruchnahme von Haftungsverhältnissen ergeben, wenn und soweit die Inanspruchnahme bisher immer als unwahrscheinlich, nun aber als wahrscheinlich einzustufen ist.

Aus der Währungsumrechnung können sich Ergebniseffekte ergeben, wenn bestehende in Fremdwährung geführte oder zu erfüllende Sachverhalte zum Stichtag mit einem abweichenden Kurs als dem bisher angesetzten umzurechnen sind. Hierbei sind im Jahresabschluss die Regelungen nach § 256a HGB zu beachten. Kurzfristige Sachverhalte sind stets zu dem am Stichtag geltenden Kurs umzurechnen. Bei langfristigen Sachverhalten sind die generellen handelsrechtlichen Bewertungsgrundsätze zu beachten. Die Währungsumrechnung von einzelnen Sachverhalten nach § 256a HGB bzw. von Abschlüssen im Rahmen des Konzernabschlusses nach § 308a HGB hat zu den allgemeinen Grundsätzen zu erfolgen. Von einer Hochinflation ist nach Ansicht des IDW noch nicht auszugehen.

Im Rahmen der Anhangberichterstattung weist das IDW zutreffend auf verschiedene mögliche Berichtspflichten hin. Neben der Nachtragsberichterstattung weist das IDW auf eine ggf. notwendige Neubeurteilung außerbilanzieller Sachverhalte oder sonstiger finanzieller Verpflichtungen hin. Auch kann sich die Einschätzung hinsichtlich der Inanspruchnahme von Haftungsverhältnissen und der Nichtpassivierung einer Rückstellung zugunsten eines notwendigen Rückstellungsansatzes ändern. Wenn sich einzelne Sachverhalte ergebniswirksam in der Gewinn- und Verlustrechnung niederschlagen, ist zu prüfen, ob Betrag und Art der Aufwendungen und Erträge als außergewöhnlich anzusehen sind.

Ausblick

Mit seinem fachlichen Hinweis zu den Auswirkungen des Ukraine-Krieges hat sich das IDW im März bereits zu ersten dringlichen Fragen, mit denen sich die Bilanzierenden und deren Abschlussprüfer aktuell konfrontiert sehen, geäußert.

Neben der Rechnungslegung und Berichterstattung zum 31.12.2021 sind auch zahlreiche Fragestellungen für die Rechnungslegung und Stichtage nach dem Kriegsbeginn zu beachten – sowohl nach HGB als auch nach IFRS. Darüber hinaus hat der Abschlussprüfer sich mit den aktuellen Auswirkungen der Kriegsgeschehnisse auseinander zu setzen. Über die Themen Rechnungslegung und Prüfung hinaus befasst sich das IDW auch mit ausgewählten Auswirkungen der Sanktionen. Das nun seit April 2022 vorliegende umfassende erste Update hat zahlreiche Ausführungen aktualisiert, greift viele weitere wichtige Fragestellungen auf und beantwortet Zweifelsfragen der Praxis. Die Ausführungen bieten auf nunmehr fast 70 Seiten eine wichtige Hilfestellung für die Praxis. Weitere relevante Fragen und Antworten sollen in fortlaufenden Updates des IDW veröffentlicht werden.

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