Das steuerliche Einlagekonto dient der Abgrenzung, ob Auszahlungen der Gesellschaft beim Gesellschafter als steuerpflichtige Dividenden oder als steuerfreie Kapitalrückzahlungen zu behandeln sind. Bei inländischen Kapitalgesellschaften erfolgt eine jährliche Feststellung des steuerlichen Einlagekontos. Hinsichtlich der steuerlichen Behandlung von Kapitalrückzahlungen aus Drittstaaten gab es bislang keine einheitliche Stellungnahme der Finanzverwaltung zur inzwischen umfangreichen Rechtsprechung.
Der BFH hat in den Urteilen vom 20.10.2010 (I R 117/08) und vom 13.07.2016 (VIII R 73/13) entschieden, dass bei Ausschüttungen von Drittstaaten-Kapitalgesellschaften eine steuerneutrale Einlagenrückgewähr vorliegen kann, sofern unter Heranziehung des einschlägigen ausländischen Handels- und Gesellschaftsrechts von einer Rückzahlung aus einer Kapitalrücklage bzw. von der Rückzahlung von nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen auszugehen sei. Dies gilt nach dem BFH-Urteil vom 13.07.2016 (VIII R 47/13) auch wenn kein steuerliches Einlagekonto nach § 27 KStG geführt wird. In der Fortentwicklung seiner Auffassung hat der BFH mit Urteil vom 10.04.2019 (I R 15/16) entschieden, dass zwar die Höhe des sogenannten ausschüttbaren Gewinns einer Drittstaatengesellschaft nach dem jeweiligen ausländischen Handels- und Gesellschaftsrecht zu ermitteln sei, seine Verwendung und damit auch die (nachrangige) Rückgewähr von Einlagen jedoch der gesetzlichen Verwendungsfiktion des § 27 Abs. 1 Satz 3 und 5 KStG unterliege.
Für die Einlagenrückgewähr von Drittstaatengesellschaften sieht das Gesetz kein gesondertes Feststellungsverfahren vor. Die steuerliche Behandlung von Ausschüttungen kann deshalb nur im Festsetzungsverfahren geklärt werden, wofür das BMF (Schreiben vom 21.04.2022, IV C 2 – S 2836/20/10001 :002) nun folgende Vorgaben macht:
1. Nennkapitalrückzahlungen
Für Fälle der Nennkapitalrückzahlung bei ausländischen Gesellschaften ist § 7 Abs. 2 KapErhStG (Gesetz über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln) anzuwenden. Diese Regelung sieht vor, dass Kapitalherabsetzungen und deren Rückzahlung innerhalb von fünf Jahren nach Ausgabe neuer Anteile als Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG gelten, soweit sie den Betrag der Erhöhung des Kapitals nicht übersteigen. Nur außerhalb dieser Frist erfolgte Leistungen können steuerneutrale Einlagenrückgewähr sein.
Das tatsächliche Vorliegen einer Nennkapitalrückzahlung ist durch geeignete Unterlagen (insbesondere den Beschluss über die Nennkapitalherabsetzung und -rückzahlung) nachzuweisen.
2. Rückzahlungen von nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen
Die Höhe des sogenannten ausschüttbaren Gewinns, das gezeichnete Kapital und die nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen (z.B. Kapitalrücklage) sind aus der ausländischen Handelsbilanz für das dem Jahr der Leistung vorangegangen Jahr abzuleiten. Die Verwendungsreihenfolge des steuerlichen Einlagekontos (§ 27 Abs. 1 Satz 3 und 5 KStG) ist einzuhalten. Ein Direktzugriff auf die Einlagen ist ausgeschlossen.
Für die Feststellung einer Einlagenrückgewähr soll der Anteilseigner folgende Angaben und Unterlagen in deutscher Sprache vorlegen:
- Nachweis über die unbeschränkte Steuerpflicht der ausschüttenden Körperschaft oder Personenvereinigung in einem Drittstaat für den beantragten Zeitraum;
- Höhe der Beteiligung des inländischen Anteilseigners;
- Beschlüsse und Nachweise über die geleistete Ausschüttung;
- ausländische Bilanz der die Leistung erbringenden Gesellschaft.
- EWR-Körperschaften
3. EWR-Körperschaften
Für EWR-Körperschaften sieht das Gesetz einen Antrag zur Feststellung auf steuerfreie Einlagenrückgewähr nach § 27 Abs. 8 Satz 3 KStG vor. Bei Fehlen eines solchen – aufwendigen – Antrags wird nach § 27 Abs. 8 Satz 9 KStG eine steuerpflichtige Ausschüttung fingiert. Der BFH hat in seinem Urteil vom 04.05.2021 (VIII R 17/18) ernstliche Zweifel an der Vereinbarkeit dieser Regelung mit den europäischen Grundfreiheiten geäußert.
Das BMF-Schreiben sieht nun ohne Erläuterung die entsprechende Anwendung der Grundsätze für Drittstaaten-Körperschaften vor, sofern die betreffende Körperschaft selbst keinen wirksamen Antrag zur Feststellung der Leistung als Einlagenrückgewähr gem. § 27 Abs. 8 KStG gestellt hat. Damit wird die Fiktion einer steuerpflichtigen Ausschüttung praktisch ausgehebelt.
Das Schreiben findet in allen noch offenen Fällen Anwendung, was im Rahmen von laufenden Betriebsprüfungen unbedingt berücksichtigt werden sollte.
Fazit:
Es ist sehr begrüßenswert, dass die Finanzverwaltung schlussendlich die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze anerkennt und die erforderlichen Nachweise konkret benennt. Die entsprechende Anwendung auf EWR-Körperschaften war erforderlich. Der individuelle Nachweis wird dem Antrag nach § 27 Abs. 8 Satz 3 KStG in den meisten Fällen vorzuziehen sein.