Das Finanzgericht Düsseldorf entschied, dass die Einlage der Alleingesellschafterin in die Kapitalrücklage und anschließende Begleichung des Gesellschafterdarlehens gestaltungsmissbräuchlich ist.
Das Finanzgericht Düsseldorf entschied am 22.12.2021 (Az 7 K 101/18 K,G,F), dass die Einlage der Alleingesellschafterin in die Kapitalrücklage einer Kapitalgesellschaft und die anschließende Begleichung der Verbindlichkeit aus Gesellschafterdarlehen gestaltungsmissbräuchlich war.
Zwischen der Alleingesellschafterin und der Kapitalgesellschaft (Klägerin) bestand ein Verrechnungskonto (ICA-Konto), über welches sämtliche Kapital- und Liquiditätsüberhänge im Wege des Cash-Pooling-Verfahrens ausgeglichen wurden. Das Verrechnungskonto wurde marktüblich verzinst. Über das Gesellschaftsdarlehen waren Rangrücktrittserklärungen ausgesprochen. Das Darlehen war in der Bilanz der Alleingesellschafterin vollständig wertberichtigt. Das Verrechnungskonto wies einen Habensaldo aus und war in der Bilanz der Alleingesellschafterin ebenfalls zu ca. 50 % wertberichtigt.
Am 28.11.2011 erfolgte durch die Alleingesellschafterin eine Einzahlung in die Kapitalrücklage mit Gegenbuchung auf dem Verrechnungskonto. Am gleichen Tage wurde das Gesellschafterdarlehen getilgt. Die Finanzverwaltung sah darin einen Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO und erhöhte das zu versteuernde Einkommen der Klägerin als Forderungsverzicht um den Betrag der Einzahlung in die Kapitalrücklage in Höhe von EUR 17,3 Mio.
Die Finanzverwaltung argumentierte wie folgt:
Die Vorschrift des § 42 AO ist dem Grunde nach anwendbar, weil die „Umgehung des Steuergesetzes“ sich nicht auf eine einzelne Rechtsnorm beziehe, sondern auf das Gesetz als Ganzes. Die gewählte Vorgehensweise sei ungewöhnlich und zur Erreichung des definierten Ziels unangemessen gewesen. Das Ziel der Beseitigung der handelsbilanziellen Überschuldung hätte durch einen einfachen Forderungsverzicht erreicht werden können. Die „Zuführung“ in die Kapitalrücklage durch eine lediglich buchungstechnische Gutschrift auf dem ICA-Konto und die unmittelbar anschließende Verrechnung mit Verbindlichkeiten seien hingegen ungewöhnlich gewesen und hätten allein der Steuerminderung gedient. Durch beachtliche außersteuerliche Gründe sei die Gestaltung nicht zu rechtfertigen gewesen. Die Unangemessenheit der Gestaltung folge daraus, dass lediglich ein auf dem Papier vollzogenes Hin- und Herzahlen stattgefunden habe, die Alleingesellschafterin wirtschaftlich aber nicht belastet worden sei. Es habe lediglich eine Verrechnung der Einlageforderung mit der nicht mehr werthaltigen Verbindlichkeit aus dem Gesellschafterdarlehen und dem negativen Saldo des ICA-Kontos gegenüber der Alleingesellschafterin stattgefunden. Es läge insoweit kein dem Urteil des FG München vom 27.10.2009 (Az 6 K 3941/06) vergleichbarer Sachverhalt vor, der wegen der Finanzierungsfreiheit des Gesellschafters für unbedenklich beurteilt worden sei. Denn in jenem Sachverhalt sei der leistende Gesellschafter durch die Zuführung tatsächlicher Barmittel wirtschaftlich belastet gewesen.
Das Finanzgericht teilte diese Auffassung:
Die von der Klägerin und ihrer Alleingesellschafterin gewählte Vorgehensweise einer Einlage in die Kapitalrücklage mit anschließender Tilgung von Verbindlichkeiten der Klägerin gegenüber ihrer Alleingesellschafterin, stellt einen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten gemäß § 42 AO dar und war bei der Klägerin wie ein Forderungsverzicht der Alleingesellschafterin zu behandeln.
Revision wurde zugelassen.