Durch den EU-Richtlinienentwurf der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) vom April 2021 soll die Gleichstellung der Nachhaltigkeitsberichterstattung mit der finanziellen Berichterstattung realisiert werden. Dieser Richtungswechsel führt zu einer deutlichen Verschärfung der Regelungen und stellt betroffene Unternehmen vor große Herausforderungen. Am 21.06.2022 erzielten der Europäische Rat und das Europäische Parlament eine vorläufige politische Einigung über strittige Punkte des Entwurfs, sodass eine Verabschiedung der finalen EU-Richtlinie noch im Jahr 2022 als sicher gilt.
Im April 2021 hat die Europäische Kommission den Richtlinienentwurf zur Nachhaltigkeitsberichterstattung mit dem Titel „Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)“ veröffentlicht. Dieser Richtlinien-Vorschlag wird die jetzt noch gültige CSR-Richtlinie (2014/95/EU) weitgehend ablösen. Die EU-Kommission reagiert mit diesem Legislativvorschlag auf vielfältige Kritik an den derzeitigen Regelungen und verfolgt in diesem Zug ambitionierte Ziele mit umfangreichen Änderungen.
Status der Verhandlungen auf EU-Ebene:
Im Nachgang zur Veröffentlichung des Richtlinienentwurfs vom 21.04.2021 erging eine Vielzahl von Stellungnahmen und es wurden vielfältige kritische Diskussionen zu einzelnen Punkten geführt. Gegenstand waren nicht nur inhaltliche Aspekte, sondern auch der vorgesehene Zeitplan zum Inkrafttreten der neuen Anforderungen wurde in Frage gestellt. Entsprechende Änderungsanträge wurden bspw. im Februar 2022 gestellt, über die weiter debattiert wurde.
Bisher befanden sich die Europäische Kommission, das Europäische Parlament und der Europäische Rat im politischen Trilog. Am 21.06.2022 wurde zwischen Rat und Europäischem Parlament eine vorläufige politische Einigung bezüglich der CSRD-Richtlinie erzielt. Diese muss jedoch noch vom Rat und vom Europäischem Parlament offiziell gebilligt werden; die ersten Schritte hierfür sind bereits eingeleitet. Es wird noch einige Wochen dauern, bis der finale Richtlinientext auch formell verabschiedet ist; zunächst wurden nur die wesentlichen Eckpunkte durch die Pressemitteilungen des Rates und des Europäischen Parlaments bekannt gegeben. Viele Details sind aktuell noch nicht bekannt. Die Richtlinie wird am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft treten. Innerhalb von 18 Monaten muss anschließend die finale Umsetzung in das nationale Recht der Mitgliedstaaten erfolgen.
Anwendungsbereich der neuen EU-Richtlinie:
Eine der wesentlichen Änderungen durch die CSRD ist die deutliche Ausweitung des Anwenderkreises. Nach ersten Erwartungen sind in Deutschland zukünftig rund 15.000 Unternehmen berichtspflichtig, derzeit sind es nur etwa 500 Unternehmen.
Zukünftig unterliegen folgende Unternehmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung (in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft oder einer dieser gleichgestellten Rechtsform (z.B. GmbH & Co. KG)):
- kapitalmarktorientierte große Unternehmen,
- kapitalmarktorientierte kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU),
- nicht-kapitalmarktorientierte große Unternehmen,
- Mutterunternehmen einer großen Gruppe (Konzern),
- Kreditinstitute und Versicherungen (unabhängig von ihrer Rechtsform), sofern die Kriterien erfüllt sind.
Als „groß“ gelten Unternehmen, die zwei der folgenden drei Größenmerkmale überschreiten:
- EUR 20 Mio. Bilanzsumme,
- EUR 40 Mio. Umsatzerlöse,
- durchschnittliche Anzahl der Arbeitnehmer von 250.
Im Zuge der Diskussionen des Richtlinienentwurfs wurden dem Anwenderkreis auch außereuropäische Unternehmen hinzugefügt, die in der EU einen Nettoumsatz von mehr als EUR 150 Mio. erzielen und mindestens eine Tochtergesellschaft oder Zweigniederlassung in der EU haben. Weitere Details hierzu sind noch nicht bekannt.
Neuer Anwendungszeitplan:
Zeitlich wurde eine gestaffelte Erstanwendung der CSRD festgelegt. Die aktuelle politische Einigung führt zu folgenden Startzeitpunkten (jeweils für Geschäftsjahre, die am oder nach dem angegebenen Stichtag beginnen):
- 01.01.2024 für Unternehmen, die bereits jetzt der CSR-Berichtspflicht unterliegen,
- 01.01.2025 für große Unternehmen, welche aktuell noch nicht der derzeitigen CSR-Berichtspflicht unterliegen,
- 01.01.2026 für kapitalmarktorientierte KMU, kleine und nicht komplexe Kreditinstitute sowie firmeneigene Versicherungsunternehmen, welche aktuell noch nicht der derzeitigen CSR-Berichtspflicht unterliegen.
Für kapitalmarktorientierte KMU gilt zudem eine Ausnahmeregelung: Während eines Übergangszeitraums können diese die sogenannte „Opt-out“-Regelung in Anspruch nehmen und so bis zum Jahr 2028 von der Anwendung der Richtlinie ausgenommen werden.
Inhaltliche Ausweitung der Nachhaltigkeitsberichterstattung:
Durch die neue CSRD-Richtlinie werden die berichtspflichtigen Inhalte zu den Aspekten Umwelt, Soziales und Governance (ESG-Kriterien: Environmental, Social, Governance) ausgeweitet und standardisiert. Die notwendigen Informationen beziehen sich bspw. auf das Geschäftsmodell, die Nachhaltigkeitsziele, die Rolle von Management und Aufsichtsorganen, nachhaltigkeitsbezogene Unternehmensrichtlinien, die Wertschöpfungskette des berichtenden Unternehmens, bestimmte Risikoinformationen sowie Leistungsindikatoren. Unternehmen haben insbesondere das Prinzip der doppelten Wesentlichkeit zu beachten: Sie müssen zum einen die Auswirkungen der ökonomischen Tätigkeiten des Unternehmens auf die Umwelt und zum anderen die Auswirkungen der Umwelt und Gesellschaft auf das Unternehmen verdeutlichen.
Einheitliche EU-Berichtsstandards:
Mit dem Ziel einer besseren Vergleichbarkeit von Informationen untereinander müssen die Nachhaltigkeitsberichte zukünftig nach einheitlichen EU-Standards erstellt und verpflichtend in den (Konzern-)Lagebericht integriert werden. Am 25.04.2022 wurden 13 Draft Standards der European Sustainability Reporting Standard-Project Task Force (ESRS-PTF) verabschiedet und an die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) übergeben. Mit der offiziellen Veröffentlichung der ESRS-Entwürfe durch die EFRAG am 29.04.2022 wurde einöffentlicher Konsultationsprozess zu diesen Standardentwürfen gestartet, der bis zum 08.08.2022 andauert. Voraussichtlich werden die finalen Versionen der ESRS im November 2022 der Europäischen Kommission übergeben. Im Oktober 2023 sollen Berichtstandards für KMU sowie sektorspezifische Standards folgen.
Format und Offenlegung der Berichterstattung:
Nachhaltigkeitsberichte müssen nach der ESEF-Verordnung elektronisch erstellt, veröffentlicht und mit einem digitalen Tagging versehen werden. Außerdem ist die Verortung des Nachhaltigkeitsberichts in den (Konzern-)Lagebericht verpflichtend vorgeschrieben, der Nachhaltigkeitsbericht bildet hier einen separaten Abschnitt. Spätestens zwölf Monate nach dem Bilanzstichtag muss der (Konzern-)Lagebericht mit dem Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers in elektronischer Form veröffentlicht werden. Es bleibt abzuwarten, wie das Prüfungsurteil zur Nachhaltigkeitsberichterstattung in den Bestätigungsvermerk integriert wird, falls ein anderer Prüfer als der Abschlussprüfer diese Berichtsbestandteile prüft.
Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung:
Akkreditierte unabhängige Prüfer müssen die Nachhaltigkeitsberichte zertifizieren. Hierfür werden von der EU noch festgelegte Zertifizierungsstandards erarbeitet. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung unterliegt zunächst einer externen inhaltlichen Prüfung mit begrenzter Sicherheit. Mittelfristig ist jedoch eine Prüfung mit hinreichender Sicherheit vorgesehen. Außerdem müssen nichteuropäische Unternehmen, welche der Berichtspflicht unterliegen, die Berichterstattung durch einen europäischen oder in einem Drittland ansässigen Prüfer zertifizieren lassen. Weitere Details zur Organisation und Ausgestaltung der Prüfung der Nachhaltigkeitsberichterstattung sind aktuell noch nicht bekannt.
Ausblick:
Die neuen Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung stellen alle (neu) betroffenen Unternehmen vor große Herausforderungen. Trotz der nun im Vergleich zum ursprünglichen Richtlinienentwurf erfolgten zeitlichen Verschiebung der Erstanwendung und einer Ausnahmeregelung für KMU ist eine Auseinandersetzung mit diesem Thema schon jetzt geboten. Steuerungs- und Reporting-Systeme müssen so angepasst werden, dass auch nachhaltigkeitsbezogene/nicht-finanzielle Informationen gewonnen, verarbeitet und strukturiert aufbereitet werden können. Als wichtiges Kommunikationsinstrument sollten Unternehmen die Nachhaltigkeitsberichterstattung trotz ihrer Komplexität auch als große Chance sehen.