Regierungsentwurf zur Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie (RL – EU 2019/1937) am 27.07.2022 veröffentlicht.
Nachdem das Bundesjustizministerium am 13.04.2022 einen Referentenentwurf des deutschen Hinweisgeberschutzgesetzes veröffentlicht hatte, wurde nun am 27.07.2022 vom Bundeskabinett der Regierungsentwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes verabschiedet. Somit wurde das eigentliche Gesetzgebungsverfahren eingeleitet. Die Umsetzung der sogenannten EU-Whistleblower-Richtlinie (RL – EU 2019/1937) hätte bis zum 17.12.2022 in nationales Recht umgesetzt werden sollen, daher ist damit zu rechnen, dass der Gesetzgeber nun eine zügige Umsetzung nach der Sommerpause im September anstrebt. Zudem besteht grundlegender Konsens in der Regierungskoalition zu diesem Gesetzesentwurf.
Ziel und Gegenstand des Hinweisgeberschutzgesetzes
Ziel des Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG) ist es, den zumeist unzureichenden Schutz hinweisgebender Personen (sogenannte Whistleblower) zu stärken, da Unternehmen in der Regel ein gemindertes Interesse an der Veröffentlichung von Interna, die dem Ansehen schaden könnten, aufweisen. In der Vergangenheit mussten Whistleblower daher regelmäßig mit Nachteilen (z.B. Kündigung, Ausgrenzung etc.) rechnen. Um ebensolche Effekte zu minimieren, sieht der Gesetzgeber unter anderem eine Beweislastumkehr (§ 36 HinSchG-E) für Arbeitgeber vor. Arbeitgeber müssen demnach künftig nachweisen, dass Maßnahmen gegen Arbeitnehmer nicht im Zusammenhang mit der Aufdeckung von Missständen stehen.
Grundsätzlich schutzwürdig nach dem HinSchG sind
- hinweisgebende Personen,
- Personen, die Gegenstand einer Meldung sind und
- sonstige Personen, die von einer Meldung betroffen werden.
Die Voraussetzung für den Schutz hinweisgebender Personen sind in §§ 33 ff. HinSchG-E geregelt. Der Schutz durch das HinSchG greift demnach, sofern die hinweisgebende Person eine
- „interne“ oder „externe Meldung“ erstattet hat, im Ausnahmefall wird auch eine Offenlegung geschützt,
- die hinweisgebende Person zum Zeitpunkt der Meldung oder Offenlegung hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass die von ihr gemeldeten oder offengelegten Informationen der Wahrheit entsprechen, und
- die Informationen Verstöße betreffen, die in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes fallen, oder die hinweisgebende Person zum Zeitpunkt der Meldung oder Offenlegung hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass dies der Fall sei.
Implikationen für Unternehmen
Mit der Verabschiedung des Gesetzes kommt eine gesetzliche Verpflichtung zur Einführung eines Hinweisgeberverfahrens (sogenannte „interne Meldestelle“) für bestimmte Unternehmen zu Stande.
Für Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern gilt die Verpflichtung unmittelbar nach Inkrafttreten des HinSchG. für Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern und unter 250 Mitarbeitern gilt diese ab dem 17.12.2023.
Gemäß § 14 Abs. 2 HinSchG-E können Unternehmen über 50 und unter 250 Mitarbeitern im Verbund eine „gemeinsame Meldestelle“ betreiben. Die Expertise für die Bearbeitung von Meldungen läge dann konzentriert bei der internen Meldestelle, die beispielsweise über technische Meldekanäle und Personal verfügt und auch interne Ermittlungen in den jeweils betroffenen Konzernteilen durchführen kann, wohingegen die Verantwortung und die Verpflichtung zum Abstellen des Rechtsverstoßes beim jeweiligen Tochterunternehmen verbleiben. Die Berichterstattung an die Konzernleitung hat unter voller Wahrung der Vertraulichkeit der Identität der hinweisgebenden Person durch oder im Auftrag des jeweiligen Tochterunternehmens zu erfolgen.
Es ist vorgesehen, dass ebenfalls ein „Dritter“ mit der Aufgabe einer internen Meldestelle beauftragt werden kann.
Interne und externe Meldestelle
Hinweisgebende Personen haben generell die freie Wahl, ob sie sich an eine „interne Meldestelle“ des Unternehmens oder eine „externe Meldestelle“ der Behörden wenden. Sie können somit den Meldekanal frei wählen, der sich angesichts der fallspezifischen Umstände am besten eignet.
Generell kommen für die interne Meldestelle diverse Meldekanäle mit unterschiedlichen Vor- und Nachteilen in Betracht, wie z.B. Briefkästen, E-Mail, Ombudsperson, Telefon oder ein digitales Hinweisgebersystem.
Die interne Meldestelle muss gemäß § 16 HinSchG-E den ungehinderten Zugriff der zuständigen Mitarbeiter für die Entgegennahme und Bearbeitung ermöglichen sowie den Zugriff unbefugter ausschließen. Die mit den Aufgaben einer internen Meldestelle beauftragten Personen müssen gemäß § 15 HinSchG-E bei der Ausübung ihrer Tätigkeit unabhängig sein, dürfen aber weiterhin auch mit nicht der internen Meldestelle zusammenhängenden Aufgaben betraut sein. Zudem obliegt es den Unternehmen, sicherzustellen, dass die beauftragten Personen über die notwendige Fachkunde verfügen. Daher dürfte sich gerade bei kleineren Unternehmen die Frage stellen, inwiefern die Hinzuziehung einer erfahrenen externen Ombudsperson sinnvoll sein kann.
Die Unternehmen können gemäß § 16. Abs. 1 Satz 5 HinSchG-E frei darüber entscheiden, ob sie Systeme vorsehen, die die Abgabe und Bearbeitung anonymer Meldungen ermöglichen oder ob sie hierauf verzichten.
Von besonderer Bedeutung ist der Schutz der Vertraulichkeit der Identität der hinweisgebenden Person. Daher müssen Unternehmen sicherstellen, dass Informationen über die Identität der hinweisgebenden Person nur in Ausnahmefällen bekannt zu machen sind, in etwa auf Verlangen der Strafverfolgungsbehörden im Rahmen eines Strafverfahrens.
§ 17 HinSchG-E regelt die Verfahrensregeln. Die interne Meldestelle hat hierbei
- der hinweisgebenden Person den Eingang einer Meldung spätestens nach sieben Tagen zu bestätigen,
- zu prüfen, ob der gemeldete Verstoß in den sachlichen Anwendungsbereich des § 2 HinSchG-E fällt,
- mit der hinweisgebenden Person Kontakt zu halten,
- die Stichhaltigkeit der eingegangenen Meldung zu prüfen,
- die hinweisgebende Person gegebenenfalls um weitere Informationen zu bitten und
- angemessene Folgemaßnahmen nach § 18 HinSchG-E zu ergreifen.
Die interne Meldestelle hat der hinweisgebenden Person gemäß § 17 Abs. 2 HinSchG-E innerhalb von drei Monaten nach der Bestätigung des Eingangs der Meldung oder, wenn der Eingang nicht bestätigt wurde, spätestens drei Monate und sieben Tage nach Eingang der Meldung eine Rückmeldung zu erstatten.
Unter Folgemaßnahmen gemäß § 18 HinSchG-E versteht der Gesetzgeber insbesondere die Aufnahme interner Untersuchungen einzuleiten und zu bearbeiten sowie im Falle weiterer Untersuchungen das Verfahren an die zuständige Behörde abzugeben.
Eine zentrale externe Meldestelle soll beim Bundesamt für Justiz (BfJ) eingerichtet werden. Daneben sollen die bestehenden Meldekanäle bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht sowie beim Bundeskartellamt parallel weiterlaufen.
Fazit
Das deutsche Hinweisgeberschutzgesetz soll drei Monate nach Verabschiedung in Kraft treten. Zum jetzigen Stand ist mit der Verabschiedung wohl Ende 2022 oder im Januar 2023 zu rechnen. Sollte die interne Meldestelle nicht fristgemäß durch die Unternehmen eingerichtet werden, besteht die Gefahr eines Bußgeldverfahrens.
Damit sind die Unternehmen nunmehr gefordert, sich mit den Anforderungen des Hinweisgeberschutzgesetzes zeitnah auseinanderzusetzen, um interne und/oder externe Lösungen anzudenken bzw. umzusetzen.