Bisher gab es schon mehrfach Versuche, die EU-Whistleblower-Richtlinie in deutsches Recht umzusetzen. Nun hat die Regierung einen Gesetzesentwurf für das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) als Drucksache 20/3442 in den Bundestag eingebracht, wo es bereits die 1. Beratung im Bundestag durchlaufen hat.
Bereits bis Dezember 2021 hätte Deutschland die Richtlinie in nationales Recht umsetzen müssen. Da dies auch in 2022 noch nicht geschehen ist, hat die EU-Kommission im Februar 2022 ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Aufgrund der Dringlichkeit kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die Umsetzung in absehbarer Zeit erfolgt.
Der Entwurf regelt den Schutz für natürliche Personen, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über Gesetzesverstöße erlangt haben und diese an eine hierfür eingerichtete Meldestelle weitergeben (sogenannte Hinweisgeber oder auch Whistleblower). Um diese Personen zu schützen, verbietet das HinSchG Repressalien (Handlungen mit negativen Auswirkungen auf den Meldenden), wie Abmahnungen, Disziplinarverfahren oder Versagung einer Beförderung. Ein Whistleblower hat zudem die Wahlfreiheit das interne Meldesystem zu nutzen oder die Meldung bei einer externen Stelle (z.B. BaFin) zu machen.
Das Hinweisgeberschutzgesetz erfasst alle potenziellen Hinweisgeber, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit mit dem Unternehmen in Kontakt stehen, also insbesondere Beschäftigte, aber auch Kunden oder Lieferanten. Aus diesem Grund müssen Unternehmen leicht und verständlich über die Meldemöglichkeiten und die Bearbeitung von Meldungen aufklären (beispielsweise auf der eigenen Homepage). Erfasst sein sollen demnach unter anderem
- alle Meldungen und Offenlegungen von Verstößen, die strafbewehrt sind,
- Verstöße, die bußgeldbewehrt sind, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient,
- Fälle, bei denen es sich um Verstöße mit Bezug zu Korruption, Geldwäsche oder Steuerbetrug, Verstöße gegen Umweltschutz oder Produktsicherheit und -konformität handelt.
Unternehmen und Organisationen mit bereits 50 oder mehr Beschäftigten sind verpflichtet, eine interne Meldestelle einzurichten. Für Unternehmen mit bis zu maximal 249 Beschäftigten gibt es eine Übergangsphase bis Dezember 2023. Für Unternehmen mit bis zu 249 Mitarbeitern besteht zudem die Möglichkeit, mit anderen Unternehmen zusammen eine gemeinsame Meldestelle zu betreiben. Konzernunternehmen können die Meldestelle zentral bei der Konzernmutter ansiedeln. In bestimmten Branchen muss eine Meldestelle sogar unabhängig von der Anzahl an Beschäftigten eingerichtet werden (z.B. für Wertpapierdienstleistungen). Die Aufgaben der Meldestelle können dabei von einem Dritten wahrgenommen werden (z.B. Rechtsanwälte).
Bei Verstößen gegen die Vorgaben des HinSchG sind Schadensersatz und Bußgeldvorschriften vorgesehen. Ein Verstoß (z.B. die Nichteinrichtung eines Meldesystems oder das Behindern einer Meldung) kann dabei ein Bußgeld von bis zu EUR 100.000 nach sich ziehen. Es ist daher dringend notwendig, die Entwicklungen zum HinSchG im Auge zu behalten. Die Umsetzung wird sehr kurzfristig erfolgen und betroffene Unternehmen haben dann nicht viel Zeit, die Vorgaben umzusetzen. Insbesondere besteht die Möglichkeit, dass der Katalog der geschützten Handlungen noch erweitert wird, z.B. auf Compliance-Verstöße, die nicht per se Gesetzesverstöße darstellen (ethische Verstöße).