Die EU-Mitgliedstaaten haben nach längeren Verhandlungen die sogenannte Pillar 2-Richtlinie zur Umsetzung der globalen Mindeststeuer von 15 % für große Unternehmen einstimmig angenommen. Damit geht die EU international bei der Umsetzung der OECD Model Rules zur Mindestbesteuerung voran. Die nationale Umsetzung der Richtline wird in den Mitgliedstaaten mit Hochdruck vorbereitet und im Frühjahr 2023 ist mit einem ersten Entwurf des BMF zu rechnen.
Hintergrund
Das etablierte internationale Steuerrecht hat seinen Ursprung in einer analogen Welt mit typischerweise physischen Anknüpfungspunkten. Mit fortschreitender Digitalisierung und daraus erwachsenden neuen Geschäftsmodellen stößt das bisherige internationale Steuersystem allerdings an seine Grenzen. Unter anderem deshalb haben sich im Oktober 2021 mehr als 135 Staaten einem Vorschlag der OECD angeschlossen, welcher eine (Neu-)Verteilung von Besteuerungsrechten (Pillar 1) und eine globale Mindestbesteuerung von 15 % (Pillar 2) vorsieht.
Pillar 2 erfasst dabei große Konzerne, d.h. solche deren jährlicher Konzernumsatz mehr als EUR 750 Mio. beträgt und die entweder eine Muttergesellschaft oder eine Tochtergesellschaft in einem EU-Mitgliedstaat unterhalten. Ob ein solcher Konzern in nur einem Staat oder grenzüberschreitend tätig ist, ist hingegen unerheblich.
Die Regelungen für Pillar 2 schreiben vor, dass für jedes Steuergebiet, in dem ein Unternehmen aktiv ist, ein sogenannter effektiver Steuersatz berechnet werden muss. Hierzu werden die von dem Unternehmen in dem Gebiet gezahlten Steuern durch seine Einkünfte geteilt. Sollte der effektive Steuersatz in einem Steuergebiet unter dem Mindestsatz von 15 % liegen, so wird der Konzern so nachbesteuert, dass der Satz von 15 % erreicht wird. Umgesetzt wird dies durch die sogenannte „Income Inclusion Rule“ (Hinzurechnungsbesteuerung bzw. „top up tax“).
Von der in der EU beschlossenen Mindestbesteuerung sind auch Konzerne betroffen, die ihren Sitz in Nicht-EU Staaten haben, die die Regelungen zur globalen Mindestbesteuerung nicht umsetzen. Die Richtline sieht in solchen Fällen die Anwendung der sogenannten „Undertaxed Payments Rule“ vor, die es den Mitgliedsstaaten ermöglicht einen Teil der auf Konzernebene geschuldeten top up tax zu erheben.
Für die weit überwiegende Mehrheit, der von der Richtline erfassten Unternehmen, ist damit zu rechnen, dass es zu keiner Zahlung der top up tax kommt. Dennoch sind diese Unternehmen verpflichtet, die durch die Richtlinie vorgegebenen Berechnungen anzustellen, was die Erhebung der dazu notwendigen Daten im Unternehmen erfordert.
Politischer Prozess und nächste Schritte
Der nun beschlossene Richtlinienentwurf entspricht abgesehen von einigen redaktionellen Änderungen dem bereits am 22.12.2021 vorgelegten Entwurf. Die EU-Mitgliedsstaaten mit Ausnahme von Ungarn hatten nach zuvor intensiven Diskussionen bereits seit einigen Monaten ihre Zustimmung zur Richtlinie signalisiert. In einem Treffen der EU-Finanzminister am 06.12.2022 hat Ungarn nochmals gegen das Projekt gestimmt und damit aufgrund der Einstimmigkeitserfordernis eine Umsetzung verhindert. Nach weiteren Verhandlungen unter der aktuellen tschechischen Ratspräsidentschaft und vor dem Hintergrund, dass einzelne EU-Staaten (unter anderem Deutschland) die Regelungen von Pillar 2 auch im nationalen Alleingang einzuführen drohten, hat Ungarn in der Nacht vom 12. auf den 13.12.2022 dem Richtlinienentwurf doch noch zugestimmt. Somit liegt die notwendige Einstimmigkeit vor und die EU-Staaten sind verpflichtet die Regelungen bis Ende 2023 in nationales Recht umzusetzen.
In Deutschland wird im BMF bereits seit einiger Zeit mit Hochdruck an einem Gesetz zu Umsetzung der Pillar 2-Richtlinie gearbeitet. Die Veröffentlichung eines ersten Entwurfs wird im Frühjahr 2023 erwartet. Auch die OECD plant im kommenden Jahr weitere Kommentierungen zu den Regelungen von Pillar 2 zu veröffentlichen, unter anderem zu den sogenannten „Safe Harbours“. Diese versprechen dauerhafte oder zumindest temporäre Erleichterungen bei der (Erst-)Anwendung des Regelwerks. Da sich die EU und auch Deutschland bei der weiteren Umsetzung der Mindestbesteuerung vermutlich an die OECD-Kommentierungen anlehnen werden, werden diese von der Praxis mit Spannung erwartet.
Praxishinweis
Die EU schreitet bei der Einführung der globalen Mindestbesteuerung international voran. Andere Unterzeichner der OECD Model Rules werden dem Beispiel der EU folgen. Somit wird die internationale Besteuerung um eine teils noch sehr abstrakte und in jedem Fall hochkomplexe Komponente erweitert. Viele Unternehmen haben bereits analysiert, wie sie die durch Pillar 2 gestellten Dokumentationsanforderungen umsetzen können. Konzerne ab EUR 750 Mio. Umsatz, die sich mit der globalen Mindeststeuer noch nicht näher auseinandergesetzt haben, sind hingegen dazu angeraten sich mit den neuen Regeln zeitnah vertraut zu machen. Insbesondere die Erhebung der für Pillar2 notwendigen Daten im Unternehmen dürfte für viele Unternehmen eine große Herausforderung darstellen, da viele der notwendigen Information bisher nicht systematisch aufbereitet werden.
Durch die anstehende Veröffentlichung der nationalen Umsetzungsgesetze (z.B. durch das BMF) oder der erwarteten Kommentierungen der OECD zu Einzelfragen, werden sich im Jahr 2023 noch verschiedene neue Fragestellungen und Herausforderungen für die von der Richtlinie erfassten Unternehmen ergeben.