Der Bundesgerichtshof hat sich in seinem Urteil (BGH-Urteil vom 09.02.2023 – III ZR 117/20), mit der Bewertung von Geldforderungen in der Handelsbilanz und den Anforderungen an die Einholung eines Sachverständigengutachtens für die richtige bilanzielle Bewertung einer möglicherweise risikobehafteten Forderung befasst und bestimmte Grundsätze festgelegt.
Hintergrund:
Im betreffenden Fall erwarb die Beklagte Immobilien, finanzierte ihr Geschäft durch Hypothekenanleihen und verkaufte diese an Fondsgesellschaften. Ein Großteil der Anleihen wurde nicht zurückgezahlt. Der Jahresabschluss der Beklagten wies anfangs ein positives Eigenkapital aus, wurde jedoch später wegen des Ausfalls der Forderungen wertberichtigt. Die Wirtschaftsprüfer testierten sowohl die berichtigten Jahresabschlüsse als auch den Jahresabschluss für das folgende Jahr, der ein positives Eigenkapital auswies. Im Jahr 2011 veröffentlichte die Beklagte eine Pressemitteilung, in der sie auf die Wertberichtigung im Zusammenhang mit dem Ausfall der Forderungen hinwies. Die Jahresabschlüsse für 2008 und 2009 wurden im Januar 2012 im Bundesanzeiger veröffentlicht. Die Beklagte stellte im Dezember 2012 einen Insolvenzantrag.
Die Klägerin und ihre verstorbene Schwiegermutter hatten im Zeitraum von 2009 bis 2012 Hypothekenanleihen der Beklagten erworben und verlangten nun Schadensersatz von den Beklagten.
Der BGH musste prüfen, ob ein Sittenverstoß vorlag und ob die Beklagten vorsätzlich gehandelt hatten.
Der Bundesgerichtshof hat sich mit der Bewertung von Geldforderungen in der Handelsbilanz und der Einholung eines Sachverständigengutachtens befasst. In Kapitalanlagefällen kann der Tatbestand des § 826 BGB erfüllt sein, wenn ein Prospektverantwortlicher Anleger mittels eines fehlerhaften Prospekts zum Vertragsabschluss veranlasst, der sonst nicht zustande gekommen wäre. Dabei muss das Verhalten des Prospektverantwortlichen als sittenwidrig angesehen werden und er muss mit Schädigungsvorsatz gehandelt haben. Die Verwendung eines objektiv unrichtigen Prospekts reicht in der Regel nicht aus, es müssen besondere Umstände hinzukommen, die das Verhalten als verwerflich erscheinen lassen.
Bei der Bewertung von Geldforderungen in der Handelsbilanz ist zu beachten, dass zweifelhafte Forderungen gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 1, § 253 Abs. 4 HGB abgeschrieben werden müssen. Der Wert solcher Forderungen ist mit dem wahrscheinlichen Wert anzusetzen, der durch eine Einzelbewertung ermittelt werden kann. Bei Forderungen mit Ausfallrisiko kann der Wert unter dem Nennbetrag liegen und muss in der Regel geschätzt werden. Die Schätzung basiert auf dem Ermessen des Kaufmanns und berücksichtigt die individuelle Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit des Schuldners. Die Schätzung muss auf objektiven Grundlagen basieren, die zum Abschlussstichtag gegeben waren.
Bei der Bewertung der Forderungen sind alle vorhersehbaren Risiken und Verluste zu berücksichtigen, die bis zum Abschlussstichtag entstanden sind. Wertbegründende oder wertbeeinflussende Tatsachen, die nach dem Abschlussstichtag entstanden sind, bleiben unberücksichtigt. Die Bewertung erfordert eine umfassende Würdigung der Einzelfallumstände und in der Regel die Einholung eines Sachverständigengutachtens, sofern das Gericht nicht selbst über die erforderliche Sachkunde verfügt.
Im vorliegenden Fall hat das Oberlandesgericht Düsseldorf nicht ausreichend dargelegt, über die erforderliche Sachkunde zu verfügen und hat kein Sachverständigengutachten zur Werthaltigkeit der Kaufpreisforderungen eingeholt. Die genaue Bewertung der Forderungen kann daher nicht beurteilt werden.
Im Ergebnis führt die Rechtsprechung des BGH dazu, dass in strittigen Fällen die Gerichte regelmäßig auf die Expertise von Sachverständigen (z.B. Wirtschaftsprüfer) zur Bestimmung des zutreffenden Werts einer (Geld-)Forderung zurückgreifen müssen und werden.