Der Bundestag hat in seiner Sitzung vom 17.11.2023 den Gesetzentwurf eines Wachstumschancengesetzes in der Fassung der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses vom 15.11.2023 angenommen. Im Vergleich zum vorigen Entwurf haben sich abermals einige Änderungen ergeben. Die Bundesregierung musste dem Bundesrat nach den großen inhaltlichen Diskrepanzen entgegen kommen. Ansonsten wäre eine Verabschiedung des Gesetzes im Jahr 2023 wahrscheinlich gescheitert.
In der 2./3. Lesung hat der Bundestag (17.11.2023) das Wachstumschancengesetz angenommen. Im Vergleich zum bisherigen Entwurf hat das Wachstumschancengesetz an einigen Stellen Änderungen erfahren.
Der Bundesrat (Stellungnahme vom 20.10.2023) und die Bundesregierung (Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates vom 26.10.2023) lagen inhaltlich hinsichtlich der Ausgestaltung einiger Vorschriften weit auseinander. Daher war bereits abzusehen, dass die Bundesregierung gegenüber dem Bundesrat in Teilen Eingeständnisse einräumen musste, sofern sie ihr Anliegen, das Wachstumschancengesetz noch im Jahr 2023 zu verabschieden, nicht verschieben möchte. Mit Beschlussempfehlung des Finanzausschusses vom 15.11.2023 (BT-Drs. 20/9341) verdeutlichen sich die Konturen des finalen Wachstumschancengesetzes. Diese Fassung hat der Bundestag am 17.11.2023 beschlossen.
Der Bundesrat soll nun wohl bereits am 24.11.2023 über das Wachstumschancengesetz abstimmen. Dadurch könnte ein etwaiges Vermittlungsverfahren noch vor dem 15.12.2023 abgeschlossen werden. An diesem Tag halten Bundestag und Bundesrat ihre letzten Sitzungen ab.
In der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses vom 15.11.2023 wurden im Vergleich zum vorherigen Gesetzentwurf folgende wesentliche Änderungen vorgenommen:
- Festlegung des Beginns des Begünstigungszeitraums der Klimaschutz-Investitionsprämie auf den 01.03.2024
- Anpassung der steuerlichen Begünstigungen für Elektro- und Hybridelektrofahrzeuge, indem die Mindestreichweite von 80 km gestrichen wird (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 Nr. 5 und S. 3 Nr. 5 EStG-E); der einschlägige Bruttolistenpreis für Elektrofahrzeuge wird anstatt von 60.000 EUR auf 80.000 EUR nunmehr von 60.000 EUR auf 70.000 EUR erhöht (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 Nr. 3 und S. 3 Nr. 3 EStG-E)
- Beibehalten wird die Anhebung der GWG-Grenze von 800 EUR auf 1.000 EUR
- Entgegen der Stellungnahme des Bundesrates spricht sich die Bundesregierung weiterhin für die Anhebung der Grenze zur Poolabschreibung von 1.000 EUR auf 5.000 EUR sowie die Verkürzung der Auflösungsdauer von 5 Jahren auf 3 Jahre aus
- Anpassung der Sonderabschreibung für den Mitwohnungsneubau durch Verlängerung des Zeitraums der steuerlichen Förderung bis zum 30.09.2029, entsprechende Erhöhung Wertgrenzen der Anschaffungs- und Herstellungskosten von 4.800 EUR auf 5.200 EUR und entsprechende Erhöhung der Bemessungsgrundlage von 2.500 EUR auf 4.000 EUR
- Streichung der Zinshöhenschranke aus dem EStG und Ersatz durch eine Regelung für grenzüberschreitende Finanzierungsbeziehungen und -dienstleistungen ab dem VZ 2024 (§ 1 Abs. 3d und 3e AStG)
- Wegfall der Anti-Fragmentierungsregelung bei der Zinsschranke
- Anpassung der Regelungen zur Verpflegungsmehrpauschale (Erhöhung auf nunmehr 32 EUR für jeden Kalendertag und nunmehr 16 EUR für Anreise- und Abreisetage bzw. Abwesenheit von mehr als 8 Stunden ohne Übernachtung)
- Einschränkung der Vergünstigung zum Verlustvortrag: Temporäre Anhebung der Grenze zur Mindestgewinnsteuer von 60 % auf 75 % anstatt von 60 % auf 80 %
- Einschränkung der Vergünstigung zum Verlustrücktrag: Lediglich temporäre Beibehaltung der Verlustrücktragsbeträge von 10 Mio. EUR bzw. 20 Mio. EUR für die VZ 2024 und 2025; ab 2026 gelten Verlustrücktragsbeträge von 5 Mio. EUR bzw. 10 Mio. EUR
- Dauerhafte Ausweitung des Verlustrücktrags auf 3 Jahre von bisher bleibt bestehen; erstmals für Veranlagungszeiträume ab 2024 anzuwenden
- Ausweitung des Anwendungsbereichs der Option zur Körperschaftsteuer auf die eingetragene GbR
- Vorgezogener Auslauf des ermäßigten Steuersatzes für Gas- und Wärmelieferungen; Auslauf der Regelung am 29.02.2024 anstatt am 31.03.2024
- Anpassung der Regelungen zur obligatorischen elektronischen Rechnung durch Ausweitung des Formats der elektronischen Rechnung auf weitere Formate neben dem Format nach EN 16931 sowie Verlängerung der Vereinfachungsregelungen bis zum 31.12.2026 bzw. bis zum 31.12.2027 für Unternehmer deren Umsatz im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 800.000 EUR betragen hat; Einführung der elektronischen Rechnung ist unverändert der 01.01.2025
- Befristete Beibehaltung des Status quo für die Steuervergünstigungen nach §§ 5, 6 und 7 Abs. 2 GrEStG durch Fiktion rechtsfähiger Personengesellschaften als Gesamthand (Aufhebung mit Ablauf des 31.12.2024)
Abschließend bleibt festzuhalten, dass das Gesetzgebungsverfahren zum Wachstumschancengesetz weiterhin mit Unsicherheit behaftet bleibt. Zwar ist die Bundesregierung dem Bundesrat teilweise entgegengekommen. Allerdings ist es dennoch völlig offen, ob der Bundesrat der derzeitigen Fassung des Gesetzes zustimmt. Das zeigt sich auch daran, dass die Abstimmung des Bundesrates über das Wachstumschancengesetz auf den 24.11.2023 vorverlegt wurde, sodass genügend Spielraum für ein Vermittlungsverfahren noch im Jahr 2023 besteht. Die Steuerentlastungswirkung durch das Wachstumschancengesetz in der vorliegenden Fassung wurde insbesondere durch die Beschränkung der Verlustverrechnung im Vergleich zum vorigen Entwurf in dem heutigen Beschluss weiter verringert. Die Einführung einer Meldepflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen bleibt unverständlicherweise Gegenstand des Gesetzentwurfs, schafft mehr Bürokratie und dürfte sich auf das Ziel der Förderung des Wachstums kontraproduktiv auswirken. Im Vergleich zu der weiterhin offenen finalen Fassung des Gesetzes kann bereits vorausgesagt werden, dass es das Wachstumschancengesetz nicht vermag, die schwächelnde deutsche Wirtschaft wieder auf Kurs zu bringen.