Das OLG Düsseldorf hat sich mit dem Börsenkurs als Schätzungsgrundlage für eine angemessene Barabfindung bei einem Squeeze-out befasst. Im konkreten Fall war gem. OLG Düsseldorf der Börsenkurs als Schätzungsgrundlage nicht geeignet, da mehrere Kriterien wie die ausreichende Liquidität der Aktie nicht erfüllt waren. So sei auch die ausschließliche Orientierung an den Kriterien nach § 5 Abs. 4 WpÜG-VA für die Prüfung der Liquidität nicht ausreichend.
Das OLG Düsseldorf hat sich in seinem Beschluss vom 28.11.2022 (26 W 4/21) dahingehend geäußert, dass sich der Börsenkurs zur Bestimmung einer angemessenen Barabfindung bei einem Squeeze-out nicht in allen Fällen – und so auch in dem zu beurteilenden Fall – als Schätzungsgrundlage eignet. Das Gericht hob damit das Urteil der Vorinstanz auf.
Grundsätzlich ergibt sich aus § 327e Abs. 3 S. 2 AktG für alle Minderheitsaktionäre bei einem Squeeze-out Anspruch auf eine angemessene Barabfindung. Eine Abfindung sei dann angemessen, wenn sie dem ausscheidenden Aktionär eine volle Entschädigung dafür verschafft, was eine Beteiligung an dem arbeitenden Unternehmen wert ist, sie also dem vollen Wert seiner Beteiligung entspricht. Die Höhe wird im Regelfall in einem Spruchverfahren überprüft.
Zwar stehen sich nach dem Urteil des OLG Düsseldorf die Notierung im Freiverkehr und die Heranziehung des Börsenkurses nicht grundsätzlich entgegen, es müssten jedoch bestimmte Kriterien erfüllt sein. Darunter fällt, dass die Aktien in einem den gesetzlichen Publizitäts- und Transparenzvorschriften vergleichbaren Informationsregime gehandelt werden. Auch dürften konkrete Informationsdefizite nicht geltend gemacht sein. Ein zentraler Punkt sei auch, dass der Börsenkurs im fraglichen Zeitraum das tatsächliche Ergebnis einer effektiven Informationsbewertung spiegele. Der Handel müsse zusätzlich eine ausreichende Liquidität aufweisen.
Es bedarf auch einer umfassenden Liquiditätsanalyse. Eine ausschließliche Orientierung an den Kriterien für eine „Marktenge“ (vgl. § 5 Abs. 4 WpÜG-VA) sei nicht ausreichend. Die Richter gaben, im Gegensatz zur Vorinstanz, ein Sachverständigengutachten in Auftrag. Der Sachverständige kam zum Schluss, dass der Börsenkurs im konkreten Fall nicht geeignet sei, eine Schätzungsgrundlage zu bilden. Dafür seien unter anderem das Handelsvolumen, die Relation der tatsächlichen zu den möglichen Handelstagen sowie die Geld-Brief-Spanne im besagten Betrachtungszeitraum zu gering. Aus diesen Gründen sei keine entsprechende Liquidität der Aktien gegeben. Der Börsenkurs eigne sich weder als Mindestwert noch als Schätzungsparameter.
Folglich müsse die angemessene Barabfindung mit einer anderen Bewertungsmethode bestimmt werden. Dafür eignet sich das Ertragswertverfahren, wie es bspw. in IDW S 1 konkretisiert ist. Im Grundsatz hat das OLG Düsseldorf die Kriterien des § 5 Abs. 4 WpÜG-VA als nicht ausreichend für die Beurteilung der Liquidität angesehen. Vielmehr verlangt das Gericht, dass eine umfassende Liquiditätsanalyse und Prüfung der Markteffizienz durchgeführt werden.
Dieses Urteil stützt ein anderes Urteil des OLG Brandenburg. Hier urteilten die Richter, dass die Barabfindung grundsätzlich den vollen Wert des Unternehmensanteils abbilden muss (vgl. OLG Brandenburg, 7 W 82/18, 26.08.2022).