Das Finanzgericht Münster hat in seinem Newsletter vom Juli 2023 auf vier Urteile hingewiesen. Das Finanzgericht hat dabei die Bildung von Rücklagen nach § 6b EStG zugelassen, wenn eine Kommune die Erschließungsmaßnahmen an einen privaten Erschließungsträger delegiert hat und es dabei zum Übergang von Kosten und Nutzen kommt.
Mit insgesamt vier Urteilen vom 20.04.2023 (Az. 8 K 259/21 G,F; 8 K 280/21 E,G; 8 K 328/21 E und 8 K 666/21 E,G) hat das Finanzgericht Münster entschieden, dass ein Landwirt keinen gewerblichen Grundstückshandel begründet, wenn die Kommune das Erschließungsunternehmen beauftragt und sich der Landwirt diesem gegenüber zur Übernahme der anfallenden Erschließungskosten verpflichtet.
Die Kläger der jeweiligen Verfahren erzielten Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Der land- und forstwirtschaftliche Betrieb umfasste jeweils Grundstücksflächen, die innerhalb eines von der örtlichen Kommune neu ausgewiesenen Bebauungsplangebiets lagen. Die Erschließung der jeweiligen Baugebiete erfolgte dadurch, dass die Kommune die Durchführung der Erschließung an einen privaten Erschließungsträger im eigenen Namen und auf eigene Rechnung übertrug. Der Erschließungsträger wiederum schloss mit den Klägern jeweils Verträge darüber ab, die die vollständige Übernahme der auf Seiten des Erschließungsträgers anfallenden Erschließungskosten (nebst der Gestellung von Sicherheiten) regelten.
Die Kläger veräußerten bzw. tauschten die Baugrundstücke, wobei die Erschließungskosten in den Gesamtkaufpreisen enthalten bzw. in den Tauschverträgen bei der Wertbestimmung berücksichtigt worden waren. Die daraus resultierenden Gewinne erfassten die Kläger im Rahmen der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft und bildeten (anteilig) Rücklagen nach § 6b EStG.
Das Finanzamt vertrat jeweils die Auffassung, dass die Erschließungen den Klägern aufgrund der Gewährleistung der finanziellen Abwicklung als aktive Tätigkeiten zuzurechnen seien. Die Grundstücksveräußerungen seien daher im Rahmen eines gewerblichen Grundstückshandels erfolgt, sodass die Gewinne nicht reinvestitionsbegünstigt seien und der Gewerbesteuer unterlägen.
Das Finanzgericht hat allen vier Klagen stattgegeben. Die Veräußerung von Grund und Boden, der zum Anlagevermögen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes gehöre, sei grundsätzlich als Hilfsgeschäft der Land- und Forstwirtschaft einzuordnen. Ein gewerblicher Grundstückshandel werde erst dann eröffnet, wenn der Landwirt Aktivitäten entfalte, die auf die Schaffung einer anderen Marktgängigkeit des Grundbesitzes gerichtet seien. Dies sei bei der aktiven Mitwirkung an der Erschließung der Fall, jedoch nicht, wenn der Landwirt bloß die Erschließungskosten übernehme. Bediene er sich zur Erschließung eines Dritten, der Geschäfte dieser Art gewerblich betreibe, sei ihm dies als aktive Tätigkeit zuzurechnen. Keine Zurechnung erfolge hingegen, wenn der Dritte die Erschließung und Grundstücksvermarktung auf eigene Initiative und eigenes Risiko durchführe, sich der Landwirt also darauf beschränke, die gewerbliche Tätigkeit des Dritten zu ermöglichen. Ausgehend von diesen Grundsätzen sei die Grenze zum gewerblichen Grundstückshandel jeweils nicht überschritten worden. Die Erschließung sei den Klägern nicht zuzurechnen, da die jeweilige Kommune die Durchführung der Erschließungsmaßnahmen durch einen eigenständigen Erschließungsvertrag beauftragt habe. Die bloße Kostenübernahme sei stets unschädlich.
Die vom Senat zugelassenen Revisionen werden beim Bundesfinanzhof unter den Aktenzeichen VI R 10/23, VI R 11/23, VI R 8/23 und VI R 9/23 geführt.