Das IDW hat den Entwurf einer Neufassung des Moduls IAS 1-M1 der IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: IFRS-Modulverlautbarung (IDW RS FAB 50 (ehemals: IDW RS HFA 50)) verabschiedet. Der Entwurf behandelt Zweifelsfragen bei der bilanziellen Abbildung und Angabepflicht von Reverse-Factoring-Vereinbarungen nach IFRS.
1. Begriffsdefinition
Reverse-Factoring-Vereinbarungen fallen laut IAS 7.44G in die Kategorie der Lieferantenfinanzierungsvereinbarungen. Vereinbarungen dieser Art zeichnen sich dadurch aus, dass Finanzdienstleister die Verbindlichkeiten begleichen, die ein Unternehmen seinen Lieferanten schuldet.
Für das Unternehmen ermöglicht dies die Inanspruchnahme längerer Zahlungsfristen bei einer gleichbleibend guten Lieferantenbeziehung durch zeitige Zahlungen durch den Finanzdienstleister. Für den Lieferanten entfällt das Debitorenrisiko vollständig. Im Gegensatz zu Factoring-Vereinbarungen werden Reverse-Factoring-Vereinbarungen in der Regel vom Kunden oder Finanzdienstleister angestoßen und bezahlt, wodurch keine Mehrkosten für den Lieferanten entstehen. Des Weiteren erfolgt häufig eine Änderung der ursprünglichen Vertragsbedingungen durch zusätzliche Zinszahlungen, die Verlängerung des Zahlungsziels oder durch die Erklärung eines Einredeverzichts durch den Kunden.
2. Problematik bei der Bilanzierung
Da Reverse-Factoring-Vereinbarungen individuell zwischen einem Kunden und seinem Finanzdienstleister abgeschlossen werden und daher in vielfältiger Form gestaltet sein können, müssen die Verträge sowohl rechtlich als auch nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt hinsichtlich ihrer bilanziellen Abbildung bewertet werden.
Bei einer Reverse-Factoring-Vereinbarung ist auf Seiten des Kunden zu prüfen, ob die Änderung der ursprünglich vertraglich vereinbarten Zahlungsströme zu einer Änderung der Bilanzierung der bisher erfassten Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen führt. Zudem muss geklärt werden, wie die Zahlungsströme aus der Reverse-Factoring-Transaktion in der Kapitalflussrechnung und im Anhang darzustellen sind.
3. Bilanzielle Würdigung nach IFRS
a. Ausweis in der Bilanz
Das bilanzierende Unternehmen hat dabei zu beurteilen, ob durch eine Reverse-Factoring-Vereinbarung die ursprüngliche finanzielle Verbindlichkeit aus Lieferungen und Leistungen auszubuchen ist. Dies ist nach den allgemeinen Regeln des IFRS 9 zum Abgang von Finanzinstrumenten zu würdigen. Eine Ausbuchung findet dabei entweder statt, wenn die Verbindlichkeit rechtlich erloschen ist (siehe IFRS 9.3.3.1 in Verbindung mit IFRS 9.B3.3.1) oder bei einer wesentlichen Änderung der Verbindlichkeit, sei es quantitativ oder qualitativ (siehe IFRS 9.3.3.2). Ein bloßer Gläubigerwechsel führt jedoch nicht zu einer Ausbuchung (siehe IFRS 9.B3).
Falls nach den Regeln des IFRS 9 die ursprüngliche Verbindlichkeit aus Lieferungen und Leistungen gegenüber dem Lieferanten auszubuchen ist, ist nicht zwingend davon auszugehen, dass eine sonstige finanzielle Verbindlichkeit ausgewiesen werden muss. In diesem Fall ist der Ausweis bzw. die Darstellung der neuen finanziellen Verbindlichkeit gegenüber dem Finanzdienstleister gemäß den Grundsätzen des IAS 1 (Darstellung des Abschlusses) vorzunehmen. Dies trifft auch dann zu, wenn eine ursprünglich zu erfassende Verbindlichkeit nicht ausgebucht werden muss. Auch wenn die ursprüngliche Verbindlichkeit nicht ausgebucht werden muss, sind die Vorgaben des IAS 1 zu überprüfen.
Nach IAS 1 gibt es folgende drei Möglichkeiten derartige Reverse-Factoring-Vereinbarungen auszuweisen:
- Bilanzierung innerhalb des Postens Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen und Sonstige Verbindlichkeiten (evtl. mit „davon“ Vermerk) nach IAS 1.54(k)
- Bilanzierung innerhalb des Postens Finanzielle Verbindlichkeiten (evtl. mit „davon“ Vermerk) nach IAS 1.54(m)
- Bilanzierung als separater Bilanzposten im Sinne von IAS 1.55
Damit die Verbindlichkeit weiterhin innerhalb des Postens Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen und Sonstige Verbindlichkeiten bilanziert werden kann, müssen laut IFRS alle Charakteristika einer Verbindlichkeit aus Lieferungen und Leistungen erfüllt sein. Daher ist eine finanzielle Verbindlichkeit als Verbindlichkeit aus Lieferungen und Leistungen auszuweisen, wenn sie:
- eine Verbindlichkeit zur Bezahlung von Waren oder Dienstleistungen darstellt
- vom Lieferanten in Rechnung gestellt oder mit dem Lieferanten formell vereinbart ist und
- Teil des im normalen Geschäftszyklus des Unternehmens genutzten Working Capital ist
Ein Ausweis als Verbindlichkeit aus Lieferungen und Leistungen darf nur dann beibehalten werden, wenn diese drei Merkmale kumulativ erfüllt sind.
Falls es hingegen durch Abschluss einer Reverse-Factoring-Vereinbarung zu einer substanziellen Modifikation oder einem rechtlichen Erlöschen der Verbindlichkeit gegenüber dem Lieferanten kommt, muss die ursprüngliche Verbindlichkeit ausgebucht werden. Als substanzielle Modifikation gelten ein Einredeverzicht des Kunden, eine Verlängerung des Zahlungsziels, eine Vereinbarung von Zinszahlungen zugunsten des Finanzdienstleisters und eine Änderung der Preise der involvierten Waren oder Dienstleistungen.
Falls eine Ausbuchung der ursprünglichen Verbindlichkeit erfolgt, ist in der Regel davon auszugehen, dass die Verbindlichkeit im Rahmen der Reverse-Factoring-Transaktion nicht mehr als Verbindlichkeit aus Lieferungen und Leistungen erfasst werden kann. In diesen Fällen muss die Verbindlichkeit als finanzielle Verbindlichkeit oder als separater Bilanzposten ausgewiesen werden. Darüber hinaus, ist auch ein Ausweis im Rahmen des Davon-Vermerks denkbar.
b. Ausweis in der Kapitalflussrechnung
Zahlungsströme im Rahmen einer Reverse-Factoring-Vereinbarung werden üblicherweise als Zahlungsströme aus betrieblicher Tätigkeit oder Zahlungsströme aus Finanzierungstätigkeit dargestellt. Der bilanzielle Ausweis gilt in diesem Fall als Indikator für die Klassifizierung der Zahlungsströme (in Präzedenzfällen sollte ein Ausweis als Zahlungsströme aus betrieblicher Tätigkeit erfolgen). Falls es zu keinem Mittelzufluss oder -abfluss kommt, müssen außerhalb der Kapitalflussrechnung dennoch relevante Informationen im Abschluss bereitgestellt werden.
c. Anhangangaben
Soweit Informationen zu Reverse-Factoring-Vereinbarung für das Verständnis des Abschlusses relevant sind, müssen diese im Anhang angegeben werden. Die Auswirkung der Reverse-Factoring-Vereinbarungen auf die Höhe der Verbindlichkeiten, die Zahlungsströme und das Liquiditätsrisiko des Unternehmens muss dem Adressaten des Abschlusses ersichtlich sein.
Zum Verständnis der Verbindlichkeiten müssen laut IAS 7.44H die Bedingungen der Vereinbarungen, die Buchwerte und entsprechenden Bilanzposten zum Ende der Periode, der Buchwert der bereits vom Finanzdienstleister bezahlten finanziellen Verbindlichkeiten, die Bandbreite der Fälligkeitstermine vergleichbarer Verbindlichkeiten, sowie die Art und Auswirkung nicht zahlungswirksamer Veränderungen der Buchwerte angegeben werden.
Da Reverse-Factoring Vereinbarungen die Bündelung verschiedener Verbindlichkeiten bei einem einzigen Finanzdienstleister und einer Gewöhnung an verlängerte Zahlungsfristen beim Unternehmen begünstigen, führen sie häufig zu einem erhöhten Liquiditätsrisiko. Zur Beurteilung des Liquiditätsrisikos müssen daher Informationen über die Art und Weise der Risikoentstehung, die Prozesse zur Risikosteuerung, quantitative Daten über das Liquiditätsrisiko am Ende der Periode, sowie die Risikokonzentrationen angegeben werden.