Mit Datum vom 20.05.2024 hat der Hauptfachausschuss des IDW den IDW Standard: Beurteilung des Vorliegens von Insolvenzeröffnungsgründen (IDW S 11) billigend zur Kenntnis genommen. Dieser IDW Standard ersetzt den IDW Prüfungsstandard: Empfehlungen zur Prüfung eingetretener oder drohender Zahlungsunfähigkeit bei Unternehmen (IDW PS 800) i. d. F. vom 06.03.2009 und die IDW Stellungnahme des Fachausschusses Recht 1/1996: Empfehlungen zur Überschuldungsprüfung bei Unternehmen (IDW St/FAR 1/1996).
Nachdem der Fachausschuss Sanierung und Insolvenz (FAS) den IDW S 11 bereits am 13.12.2023 verabschiedet hatte, erfolgte nun am 20.05.2024 die billigende Kenntnisnahme durch den Hauptfachausschuss (HFA) des IDW. In der neuen Fassung des IDW S 11 werden unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung Anforderungen an die Beurteilung des Vorliegens von Insolvenzeröffnungsgründen aufgestellt.
Die Insolvenzordnung (InsO) kennt drei Insolvenzeröffnungsgründe: die Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO), die drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) sowie die Überschuldung (§ 19 InsO).
Während die Zahlungsunfähigkeit und die Überschuldung eine Insolvenzantragspflicht auslösen, begründet die drohende Zahlungsunfähigkeit lediglich das Recht, eine Insolvenz zu beantragen. Bei Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung ist in den Fällen des § 15a InsO unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern, ein Insolvenzeröffnungsantrag durch die verantwortlichen Personen zu stellen. Gemäß § 15a Abs. 1 InsO beträgt die Frist drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung.
In der neuen Fassung des IDW S 11 werden nun Anforderungen definiert, die der Beurteilung des Vorliegens von Insolvenzeröffnungsgründen (Insolvenzreife) zugrunde zu legen sind. Diese richten sich sowohl an die gesetzlichen Vertreter als auch an die Berufsträger mit Kompetenz zur Rechtsberatung (insb. Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater).
In der neuen Fassung wird u. a. die höchstrichterliche Rechtsprechung aufgegriffen, nach der die schon bisher vom IDW favorisierte Methode zur Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit mit Hilfe einer Liquiditätsplanung als explizit zulässig erachtet wird. Alternativ ist der Rückgriff auf einer Art dynamische Bilanz möglich, in der auch künftig fällige Verpflichtungen (sog. Passiva II) und künftige Zahlungseingänge (sog. Aktiva II) kumuliert werden.
Ein weiterer Punkt im Zusammenhang mit der Zahlungsunfähigkeit, der im Rahmen der Neufassung des IDW S 11 adressiert wurde, betrifft die sog. Liquiditätslücke: Hierbei wird im Schrifttum teilweise die Auffassung vertreten, dass eine Liquiditätslücke von weniger als 10 % der fälligen Verpflichtungen bei der Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit toleriert werden kann. IDW S 11 stellt nun jedoch klar, dass an die 10 %-Grenze lediglich die Frage der Beweislast geknüpft ist, nicht jedoch ein materieller Tatbestand.
Handelsrechtliche Grundsätze zur Erstellung oder Beurteilung einer Fortführungsprognose nach § 252 HGB sind nicht Gegenstand der Verlautbarung. Diese Regelungen und Erfordernisse bleiben unverändert.