Im Urteil vom 3. April 2024 hat das Oberlandesgericht Köln (28 Wx 1/24) das Urteil des Landesgerichts Bonn (32 T 355/23) aufgehoben und klargestellt, dass die Verfolgungsverjährung bei Ordnungsgeldverfahren nach § 335 HGB erst mit der vollständigen Erfüllung der Offenlegungspflicht beginnt. Teilweise oder mangelhafte Erfüllungen reichen nicht aus, um die zweijährige Verjährungsfrist in Gang zu setzen.
Sachverhalt
In dem vorliegenden Fall wandte sich die Beschwerdeführerin gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes, das aufgrund der Nichteinreichung der Jahresabschlussunterlagen für das Geschäftsjahr 2019 beim Bundesanzeiger verhängt wurde.
Im August 2021 wurde das Ordnungsgeld angedroht und schließlich am 25. Mai 2023 festgesetzt, da nur ein vorläufiger Jahresabschluss offengelegt worden war. Die Beschwerdeführerin legte daraufhin Beschwerde ein und erklärte, dass ihr Steuerbüro die Unterlagen erneut im August 2021 eingereicht habe. Nachdem der Bundesanzeiger mitgeteilt hatte, dass für die Gesellschaft zwei übermittelte Jahresabschlüsse für 2019 zur Veröffentlichung vorlägen und der Erstauftrag bereits am 15. Januar 2021 offengelegt worden sei, zog die zuständige Mitarbeiterin gemäß dem Hinweis des Bundesanzeigers den zweiten Offenlegungsantrag zurück.
Am 19. Juni 2023 reichte die Beschwerdeführerin eine Ergänzung ein, die die Feststellung des Jahresabschlusses am 24. August 2021 bestätigte.
Das Landgericht Bonn (32 T 335/23) hob im November 2023 die Ordnungsgeldentscheidung wegen Verjährung auf und ließ die Rechtsbeschwerde zu. Der Rechtsbeschwerdeführer argumentierte, dass die Verjährung noch nicht begonnen habe, weil die Pflicht zur Offenlegung weiterhin bestünde, und legte gegen die Entscheidung des Landgerichts Beschwerde ein.
Urteil des OLG Köln
Das OLG Köln entschied mit Urteil vom 03.04.2024 (28 Wx 1/24), dass die Rechtsbeschwerde Erfolg hatte. Das angefochtene Urteil des Landgerichts wurde aufgehoben und die Beschwerde der Beschwerdeführerin zurückgewiesen.
Nach Auffassung des OLG erfolgte die Aufhebung der Ordnungsgeldentscheidung aufgrund einer Verletzung des Rechts i. S. d. § 335a Abs. 3 S. 2 HGB i. V. m. § 72 Abs. 1 FamFG. Entgegen der Ansicht des LG war zum Zeitpunkt der Ordnungsgeldfestsetzung am 25. Mai 2023 keine Verfolgungsverjährung eingetreten.
Das OLG stimmt dem LG zu, dass die Verjährungsfrist für Ordnungsgeldverfahren nach § 335 HGB zwei Jahre beträgt und mit Beendigung der Handlung beginnt. Allerdings kann der Verjährungsbeginn nicht auf den mangelhaften Erfüllungsversuch vom Januar 2021 datiert werden. Der Verstoß gegen die Offenlegungspflicht nach § 335 HGB ist ein echtes Unterlassungsdelikt. Bei solchen Delikten beginnt die Verjährung erst, wenn die Pflicht zum Handeln entfällt, bzw. solange die Pflicht noch besteht, ist die im Untätigbleiben liegende Tat nicht beendet. Für den hier vorliegenden Fall bedeutet dies, dass erst die am 19. Juni 2023 beim Betreiber des Bundesanzeigers zum Jahresabschluss 2019 eingereichte Ergänzung die Handlungspflicht zur ordnungsgemäßen Offenlegung beendete und infolgedessen ab diesem Zeitpunkt die Verjährung beginnt. Damit war zum Zeitpunkt der Ordnungsgeldfestsetzung am 25. Mai 2023 keine Verfolgungsverjährung eingetreten.
Nach Ansicht des OLG ist auch die Annahme einer Verwirkung des Ordnungsgeldes aufgrund Zeitablaufs fernliegend, soweit es aus Vertrauensschutzgesichtspunkten eine Reaktionspflicht des Rechtsbeschwerdeführers auf die mangelhafte Einreichung fordert.
Da die Pflicht zur Veröffentlichung des Jahresabschlusses 2019 nicht vor dem 19. Juni 2023 endete und zuvor keine Verjährung eintrat, wären nach Auffassung des OLG außergewöhnliche und ungewöhnliche Umstände erforderlich, um eine Verwirkung des Ordnungsgeldes anzunehmen. Der bloße Zeitablauf zwischen der Androhung des Ordnungsgeldes im August 2021 und seiner Festsetzung am 25. Mai 2023 sowie die von der Beschwerdeführerin oder ihrem Steuerbüro verursachten Umstände im Zusammenhang mit der Doppeleinreichung des Jahresabschlusses im August 2021 sind hierfür nicht ausreichend.
In seinem Urteil bestätigt das OLG zudem, dass die Voraussetzungen für das festgesetzte Ordnungsgeld vorliegen, da es der ständigen Rechtsprechung entspricht, dass die Einreichung eines als vor Feststellung bezeichneten Jahresabschlusses der Offenlegungspflicht aus §§ 325 f. HGB nicht genügt. Dies ist auch der Fall, wenn sie irrtümlich erfolgt ist und tatsächlich eine Feststellung vorliegt. Des Weiteren war nach Auffassung des OLG die Versäumung der Offenlegungspflicht verschuldet. Die Gesellschaft trifft nach der Androhung und Nachfristsetzung erhöhte Sorgfaltspflichten. Sie muss auch dann, wenn sie die Offenlegung durch Dritte durchführen lässt, diese überwachen und das Ergebnis unverzüglich auf seine Richtigkeit prüfen. In dem vorliegenden Fall ist die Beschwerdeführerin dieser Verpflichtung nicht ausreichend nachgekommen, da die fehlerhafte Veröffentlichung nicht hätte verborgen bleiben dürfen.
Folgen für die Praxis
- Das Urteil des OLG Köln stellt nochmals klar, dass nur ein vollständiger Jahresabschluss, der auch festgestellt wurde, den Offenlegungspflichten genügt.
- Zudem beginnen etwaige Verjährungsfristen erst ab dem Zeitpunkt, zu dem das Unternehmen seine Offenlegungspflichten vollständig erfüllt hat.
- Demzufolge kann keine sukzessive Offenlegung von Unterlagen in der Weise erfolgen, dass damit die Offenlegungspflichten als erfüllt gelten.
- Die Vollständigkeit der offenzulegenden Daten ist damit entscheidend; erst wenn alle gesetzlich verpflichtenden Daten vorliegen, gilt die Offenlegungspflicht als erfüllt.
- Wenn und soweit das Unternehmen einen Dritten mit der Erfüllung der Offenlegungspflichten beauftragt, muss das Unternehmen sich ein etwaiges Verschulden des Dritten zurechnen lassen.