Mit der Neuveröffentlichung des sogenannten Abgeltungsteuererlasses vom 19.05.2022 hat die Finanzverwaltung einen Paradigmenwechsel vollzogen: Während Fremdwährungsgewinne bislang eher als sonstige Einkünfte nach § 23 EStG behandelt wurden, unterliegen diese nun – von Ausnahmen abgesehen – den Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 EStG.
Mit der Neufassung des BMF-Schreibens vom 19.05.2022 zur Abgeltungsteuer (IV C 1 –S 2252/19/10003:009) hat sich die Auffassung der Finanzverwaltung zur Zuordnung von Fremdwährungsgewinnen im Privatvermögen geändert.
Nach der bisherigen Abgrenzung unterlagen Fremdwährungsgewinne den sonstigen Einkünften nach § 22 Nr. 2 EStG i. V. m. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG, wenn zwischen der Anschaffung und der Veräußerung nicht mehr als ein Jahr lag.
Mit der Veröffentlichung des BMF-Schreibens vom 19.05.2022 vertritt die Finanzverwaltung die geänderte Auffassung, dass Fremdwährungsgewinne grundsätzlich vorrangig Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG darstellen:
„Währungsgewinne/-verluste aus der Veräußerung oder Rückzahlung einer verbrieften oder unverbrieften verzinslichen Kapitalforderung oder eines verzinslichen Fremdwährungsguthabens (verzinsliches Fremdwährungskonto) sind gemäß § 20 Absatz 2 Satz 1 Nummer 7 und Absatz 4 Satz 1 EStG zu berücksichtigen. Dabei stellt jede Einzahlung oder Zinsgutschrift auf ein verzinsliches Tages-, Festgeld- oder sonstiges Fremdwährungskonto einen Anschaffungsvorgang dar. Im Falle der späteren Rückzahlung liegt ein veräußerungsgleicher Vorgang im Sinne von § 20 Absatz 2 Satz 2 EStG vor. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine etwaige Fremdwährungskapitalforderung zugleich in Euro oder eine dritte Währung umgewandelt wird. Das Gleiche gilt, wenn die Fremdwährungskapitalforderung nach Fälligkeit erneut verzinslich angelegt wird oder auf ein anderes verzinsliches Konto bei demselben oder einem anderen Kreditinstitut umgebucht wird. Diese Vorgänge stellen steuerlich eine Veräußerung der ursprünglichen Kapitalforderung und zugleich eine Anschaffung einer neuen Kapitalforderung dar. Die Prolongation täglich fälliger Kapitalforderungen (beispielsweise Tagesgeldanlagen) sowie die Änderung des Zinssatzes stellt für sich genommen keinen Anschaffungs- oder Veräußerungstatbestand dar, es sei denn das Guthaben wird erstmalig verzinslich oder ein bisher verzinsliches Guthaben wird erstmalig unverzinslich angelegt. Bei der Anschaffung und Veräußerung mehrerer gleichartiger Fremdwährungsbeträge ist zu unterstellen, dass die zuerst angeschafften Beträge zuerst veräußert werden.“
Davon soll es zwei Ausnahmen geben:
- Bei reinen Zahlungsverkehrskonten fehlt es an einer Einkunftserzielungsabsicht zu Einkünften aus Kapitalvermögen. Werden jedoch Zinsen vereinnahmt, liegen dennoch Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 S.1 Nr. 7 EStG vor.
- Unverzinste Fremdwährungsguthaben unterliegen allein den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG.
Dieses BMF-Schreiben und diese Abgrenzung sind ab dem 01.01.2025 anzuwenden.
Systematisch gehen die Einkünfte nach § 20 EStG denen nach § 23 EStG vor. Damit ergeben sich praktische Abgrenzungsprobleme, z. B. wenn ein unverzinstes Fremdwährungskonto auf ein verzinstes Fremdwährungs-Termingeldkonto der gleichen Währung umgeschichtet wird.
Die präferierte Zuordnung zu § 20 EStG stellt zunächst keinen Bruch dar, da Guthaben auf Fremdwährungskonten ebenso Kapitalforderungen darstellen und somit § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 EStG unterliegen. Der Primat der Zuordnung zu Einkünften aus Kapitalvermögen erleichtert auch den Anwendungsbereich der Verrechnung mit Fremdwährungsverlusten, da Verluste nach § 23 EStG nur mit Gewinnen derselben Einkunftsarten verrechenbar sind.
Als Ausnahmen und damit den Einkünften nach § 23 EStG zuzuordnen, verbleiben:
- Physische Fremdwährungsguthaben
- Unverzinste Fremdwährungsguthaben
Grundsätzlich alle Kontoguthaben stellen eine Kapitalforderung nach § 20 EStG dar, unabhängig davon, ob in fremder Währung oder nicht und unabhängig davon ob originär oder derivativ erworben.
Die Auffassung der Finanzverwaltung hilft bei der Abgrenzung in der Praxis, dennoch bleibt es bei Abgrenzungsfragen zwischen § 20 und § 23, wenn auch in geringerem Umfang. Allerdings führen die nach wie vor bestehenden Ausnahmetatbestände zu eben diesem Abgrenzungsbedarf und erfordern Bereinigungen.
Die Bereinigungen wird der Steuerpflichtige selbst durchführen müssen. Hier wird er sich nicht auf die Steuerbescheinigungen und Erträgnisaufstellungen der Banken verlassen können. Gerade bei umfangreicheren Depots in fremder Währung, verursacht die korrekte Erfassung von Gewinnen und Verlusten aus Fremdwährung einen unverändert beachtlichen Aufwand.