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Das Bewusstsein der (Teil-)Unentgeltlichkeit bei § 7 Abs. 8 ErbStG

Gesellschaftsrechtliche Einlagevorgänge bei einer GmbH können schenkungsteuerlich relevant sein. Das FG Münster hat nun mit Urteil vom 23.05.2024 (3 K 2585/21 Erb) entschieden, dass der Tatbestand der Werterhöhung von Anteilen an Kapitalgesellschaften gemäß § 7 Abs. 8 ErbStG ein subjektives Merkmal im Sinne eines Bewusstseins der (Teil-)Unentgeltlichkeit erfordert. Das Urteil des FG Münster verfolgt somit dieselbe Linie wie ein bereits vorangegangenes Urteil des FG Sachsen vom 06.05.2021 und bekräftigt, dass ein rein objektiver Tatbestand für die Schenkungsfiktion nicht genügt.

Bereits im Jahr 2011 wurde mit dem Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz die Schenkungsteuerbarkeit sog. disquotaler Einlagen in Kapitalgesellschaften durch die Schaffung des § 7 Abs. 8 ErbStG eingeführt. Nach dem Gesetzeswortlaut gilt als Schenkung auch die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die eine an der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligte natürliche Person oder Stiftung (Bedachte) durch die Leistung einer anderen Person (Zuwendender) an die Gesellschaft erlangt.

Die Vorschrift wurde vom Gesetzgeber ursprünglich als Missbrauchsvermeidungsvorschrift eingeführt, um Besteuerungslücken hinsichtlich disquotaler Einlagen von Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft in die Gesellschaft zu schließen. Die Finanzverwaltung hatte vor Einführung des § 7 Abs. 8 ErbStG befürchtet, dass die schenkungsteuerlichen Regelungen durch die Zwischenschaltung von Kapitalgesellschaften umgangen werden könnten. Seither wird die Regelung im Schrifttum und in der steuerlichen Praxis aufgrund ihrer überschießenden Besteuerungstendenz jedoch stark kritisiert.

Mangels Eingrenzung des Wortlauts der Vorschrift kommt nämlich jede Form der Leistung an eine Kapitalgesellschaft als potenziell schenkungsteuerbare Zuwendung an die Mitgesellschafter in Betracht. Da die Norm auch nicht speziell auf Familiengesellschaften oder Sachverhalte zwischen Familienangehörigen begrenzt ist, kommt mittlerweile bei vielen gesellschaftsrechtlichen Transaktionen Unsicherheit darüber auf, ob die geplante Transaktion zusätzlich zu den ertragsteuerlichen Folgen möglicherweise auch Schenkungsteuer auslösen könnte. Aufgrund der teilweise sehr kuriosen Besteuerungsergebnisse sind insbesondere Investments von ausländischen Geldgebern in deutsche Kapitalgesellschaften erheblich unattraktiver geworden.

Besonders kontrovers wurde in diesem Zusammenhang bisher diskutiert, ob der Besteuerungstatbestand des § 7 Abs. 8 ErbStG ein subjektives Merkmal i. S. eines Bewusstseins bzgl. der (Teil-)Unentgeltlichkeit der Leistung erfordert. Begründet wird dies mit dem Umstand, dass sich die Beteiligten gerade bei Sachverhalten unter fremden Dritten typischerweise eben gerade nichts schenken möchten.

Das FG Münster hatte vor diesem Hintergrund über folgenden Fall zu entscheiden: Der Kläger war neben seinem Vater und seinem Bruder Gesellschafter einer GmbH. Es war ursprünglich durch Erbvertrag vereinbart worden, dass die Söhne jeweils die hälftige Beteiligung des Vaters an der GmbH erhalten sollten. Am 15.01.2023 annullierte der Vater den Erbvertrag mit dem Bruder des Klägers, der sich bereit erklärte, dass die ursprünglich ihm zugedachten Anteile an der GmbH auf den Kläger übertragen werden. Am selben Tag verpflichtete sich der Bruder des Klägers zur Veräußerung seiner Beteiligung an der GmbH mit Wirkung zum 01.11.2017 an die GmbH oder einen von dieser zu benennenden Dritten. Als Kaufpreis wurde eine Zahlung von 2.100.000,00 EUR vereinbart.

Der Vater des Klägers verstarb im Jahr 2013. Im Jahr 2017 übte der Kläger als Geschäftsführer der GmbH das Benennungsrecht dahingehend aus, dass die GmbH die Beteiligung des Bruders des Klägers selbst erwerben sollte. Die notarielle Umsetzung der Anteilsübertragung erfolgte im Jahr 2018. Das Finanzamt setzte gegenüber dem Kläger Schenkungsteuer fest, wobei es als Stichtag auf den 01.11.2017 abstellte. Da der Ertragswert des Anteils an der GmbH am benannten Stichtag nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren 9.688.883,00 EUR betragen habe, handele es sich um eine gemischte Schenkung. Hiergegen wandte der Kläger ein, dass er mit seinem Bruder zerstritten gewesen sei und zwischen zerstrittenen Geschwistern kein Schenkungswille vorliege. Ein subjektiver Bereicherungswille des Schenkers sei aber nach Ansicht des Klägers notwendig.

Das FG Münster hat der Klage stattgegeben und den Schenkungsteuerbescheid aufgehoben. In seiner Urteilsbegründung führten die Richter u. a. an, dass der Bescheid bereits deshalb rechtswidrig sei, da die Besteuerung auf den Stichtag 01.11.2017 vorgenommen worden ist, obwohl die zivilrechtliche Anteilsübertragung erst im Jahr 2018 durch die Abtretung in notarieller Form erfolgt ist. Ferner sei auch der Tatbestand des § 7 Abs. 8 ErbStG nicht erfüllt, da die Gesetzesauslegung erfordere, dass ein subjektives Merkmal im Sinne eines Bewusstseins der Unentgeltlichkeit der Leistung vorliegt. Hierfür spreche neben dem Wortlaut der Begriffe „Zuwendender“ und „Bedachter“ auch die Gesetzessystematik sowie der Sinn und Zweck der Norm. Folglich erfordere die Norm einen „Willen zur Unentgeltlichkeit“, also ein Handeln des Zuwendenden in dem Bewusstsein, zur Vermögenhingabe weder rechtlich verpflichtet zu sein noch dafür eine gleichwertige Gegenleistung zu erhalten.

Dies sah das Gericht im vorliegenden Fall nicht als erfüllt an. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens und unter Berücksichtigung der Beweisaufnahme durch Vernehmung des Bruders des Klägers war der Senat davon überzeugt, dass dieser ohne Bewusstsein zur Teilentgeltlichkeit der Anteilsübertragung gehandelt hat. Ein subjektives Element könne nicht allein aus der Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem Wert nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren abgeleitet werden.

Das Urteil des FG Münster steht in einer Linie mit einem bereits vorangegangenen Urteil des FG Sachsen vom 06.05.2021. Vor dem Hintergrund der bislang herrschenden Rechtsunsicherheit ist das klare Urteil des FG Münster, das den Anwendungsbereich des § 7 Abs. 8 ErbStG präzisiert und begrenzt, sehr erfreulich. Einen Abschluss in der gesamten Diskussion um den Anwendungsbereich des § 7 Abs. 8 ErbStG stellt die Entscheidung jedoch noch nicht dar, denn die Revision gegen das Urteil des FG Münster wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung im Hinblick auf das bereits anhängige Revisionsverfahren des FG Sachsen zugelassen. Es bleibt daher abzuwarten, wie sich der BFH in beiden Verfahren positionieren wird.

Den Steuerpflichtigen wird empfohlen, alle auf Grundlage von § 7 Abs. 8 ErbStG ergangenen Schenkungsteuer-Festsetzungen daher bis zur höchstrichterlichen Klärung offenzuhalten. Ebenso sollte auf eine entsprechende Dokumentation von gesellschaftsrechtlichen Vorgängen geachtet werden.

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