Der BFH hat mit Urteil vom 25.04.2024 (III R 30/21) entschieden, dass ein ursprünglich im Betrieb einer Personengesellschaft entstandener und durch Anwachsung auf eine Kapitalgesellschaft übergegangener Gewerbeverlust nicht dadurch entfällt, dass die Kapitalgesellschaft den verlustverursachenden Geschäftsbereich im Wege eines Asset Deals weiterveräußert.
Im vorliegenden Streitfall hatte die Klägerin, eine GmbH, als Gesamtrechtsnachfolgerin einer GmbH & Co. KG im Jahr 2011 deren Gewerbeverlust übernommen. Auslöser der Gesamtrechtsnachfolge war eine durch Verschmelzung verursachte Anwachsung des KG-Vermögens auf die GmbH. Die Klägerin führte den übernommenen Betrieb der GmbH & Co. KG zunächst weiter. In den Feststellungsbescheiden zum vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.12.2011 und 31.12.2012 der GmbH blieb der zum 31.12.2010 festgestellte Gewerbeverlust der KG erhalten. Im Jahr 2013 veräußerte jedoch die Klägerin ihr operatives Geschäft im Rahmen eines Asset Deals an eine andere GmbH. Im Anschluss hieran wurden der Unternehmensgegenstand sowie die Firma der Klägerin geändert.
Das Finanzamt kam in der Folge in einer steuerlichen Außenprüfung zu dem Ergebnis, dass aufgrund des Asset Deals sowie des damit einhergehenden Wegfalls der Unternehmensidentität die auf die Klägerin übergegangenen und noch nicht genutzten gewerbesteuerlichen Verluste der früheren GmbH & Co. KG weggefallen seien. Das Finanzamt erließ entsprechende Änderungsbescheide. Der von der Klägerin erhobenen Klage gab das FG Sachsen statt (Urteil vom 07.09.2020, Az. 5 K 114/19). Die Revision des Finanzamts wiesen die Richter des BFH zurück.
Für die Geltendmachung eines Gewerbeverlusts bedarf es sowohl der Unternehmeridentität als auch der Unternehmensidentität. Im vorliegenden Fall war ausschließlich das Merkmal der Unternehmensidentität strittig. Das Erfordernis der Unternehmensidentität wird aus dem Charakter der Gewerbesteuer als Objektsteuer abgeleitet, der es nicht zulasse, dass Verluste eines Gewerbebetriebs i. S. d. § 2 Abs. 1 GewStG bei einem anderen Gewerbebetrieb berücksichtigt werden. Die Unternehmensidentität liegt vor, wenn der im Verlustabzugsjahr bestehende Gewerbebetrieb mit jenem identisch ist, der im Verlustentstehungsjahr bestand.
Bei einer Kapitalgesellschaft wird die Unternehmensidentität insofern als unproblematisch angesehen, als ihre Tätigkeit nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb gilt. Eine Änderung ihrer wirtschaftlichen Betätigung berührt die Unternehmensidentität einer Kapitalgesellschaft nach inzwischen ständiger Rechtsprechung des BFH daher nicht, solange derselbe einheitliche Gewerbebetrieb i. S. d. § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG weiterhin existiert. Anders als bei einer Personengesellschaft kommt es danach bei einer Kapitalgesellschaft für die Nutzung ihres Gewerbeverlusts nicht auf die Unternehmensidentität an, weil diese unabhängig von der Art ihrer gewerblichen Tätigkeit erhalten bleibt. Das Kriterium der Unternehmensidentität hat demnach für den Fortbestand des vortragsfähigen Gewerbeverlusts bei einer Kapitalgesellschaft grundsätzlich keine Bedeutung.
Nach Auffassung des BFH bestand im vorliegenden Streitfall keine Grundlage für das vom Finanzamt bejahte Entfallen des bei der GmbH nach der Anwachsung ununterscheidbar festgestellten Gewerbeverlusts. Insbesondere gehe eine solche weder aus § 10a GewStG noch aus § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG hervor. Das FG Sachsen habe daher im Urteilsfall zu Recht entschieden, dass der von der KG herrührende Gewerbeverlust bei der Klägerin trotz der im Streitjahr erfolgten Veräußerung des verlustverursachenden früheren Geschäftsbetriebs der KG als vortragsfähiger Fehlbetrag erhalten bleibt. Von dem Grundsatz der Unerheblichkeit der Unternehmensidentität bei einer Kapitalgesellschaft sei nach geltendem Recht auch im Anschluss an eine Anwachsung keine Ausnahme zu machen. Die Veräußerung des von der KG übernommenen Geschäftsbetriebs habe nichts daran geändert, dass die bei der Klägerin verbliebene andere Unternehmenstätigkeit nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG weiterhin in vollem Umfang als einheitlicher und zugleich identischer Gewerbebetrieb gilt.
Der BFH betont, dass sowohl in materiellrechtlicher als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht eine nähere Ausgestaltung durch den Gesetzgeber erfolgen müsse, um zu dem vom Finanzamt gewünschten Entfallen des von der KG übernommenen Gewerbeverlusts bei der GmbH zu gelangen. Hierfür bedürfe es insbesondere einer normativen Einschränkung des seit dem Jahr 1986 in der Rechtsprechung des BFH gefestigten Grundsatzes, dass die Änderung der wirtschaftlichen Betätigung einer Kapitalgesellschaft ihre Unternehmensidentität nicht berührt. Ein im Bescheid einheitlich festgestellter Gewerbeverlust lasse nämlich nicht erkennen, aus welchen einzelnen ursprünglichen Bestandteilen er sich zusammensetzt. Ebenso wenig sei gesetzlich geregelt, nach welchen Kriterien und insbesondere in welcher Reihenfolge die Verwendung des festgestellten Gewerbeverlusts zu erfolgen habe. Dass es im derzeit geltenden Recht gesetzliche Bestimmungen zu einem „fortführungsgebundenen“ Verlustvortrag gebe und wie diese aussehen können, belegten die nach dem Streitjahr eingeführten Regelungen des § 8d KStG und des § 10a Satz 10 ff. GewStG.