Die neue EU-Produktsicherheitsverordnung bringt weitreichende Änderungen für Hersteller, Importeure und Händler. Sie stellt erhöhte Anforderungen an die Produktsicherheit und legt neue Pflichten für Wirtschaftsakteure fest. Unternehmen müssen sich frühzeitig mit den neuen Regelungen vertraut machen.
Am 10.05.2023 wurde die neue EU-Produktsicherheitsverordnung (EU) 2023/988 verabschiedet. Sie ersetzt die bisherige Produktsicherheitsrichtlinie 2001/95/EG und bringt wichtige Neuerungen für alle Unternehmen, die Verbraucherprodukte in der EU herstellen, importieren oder vertreiben. Ziel ist es, ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher zu gewährleisten und gleichzeitig das Funktionieren des Binnenmarktes sicherzustellen. Die Verordnung gilt ab dem 13.12.2024 und betrifft nahezu alle Verbraucherprodukte.
Anwendungsbereich
Die neue Verordnung gilt grundsätzlich für alle Verbraucherprodukte, die in der EU auf den Markt gebracht oder bereitgestellt werden. Ein Verbraucherprodukt ist gemäß Art. 3 Nr. 1 GPSR jeder Gegenstand, der für Verbraucher bestimmt ist oder unter vernünftigerweise vorhersehbaren Bedingungen wahrscheinlich von Verbrauchern benutzt wird, selbst wenn er nicht explizit für diese bestimmt ist. Dies umfasst auch Produkte, die online oder über andere Formen des Fernabsatzes verkauft werden.
Einige Produktkategorien sind von der Verordnung ausgenommen, darunter:
- Human- und Tierarzneimittel,
- Lebensmittel,
- Futtermittel,
- Produkte, die ausdrücklich als reparaturbedürftig („Mängelexemplare“) angeboten werden,
- und weitere spezielle Kategorien gemäß Art. 2 Abs. 2 der Produktsicherheitsverordnung.
Wichtig ist, dass die Verordnung auch für gebrauchte, reparierte oder wiederaufbereitete Produkte gilt, sofern diese im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit in den Verkehr gebracht werden. Lediglich Produkte, die als beschädigt oder reparaturbedürftig gekennzeichnet sind, fallen nicht unter die Verordnung.
Allgemeines Produktsicherheitsgebot
Kernstück der Verordnung ist das allgemeine Produktsicherheitsgebot. Demnach dürfen nur sichere Produkte auf dem EU-Markt bereitgestellt werden. Als sicher gilt ein Produkt, wenn es bei normaler oder vernünftigerweise vorhersehbarer Verwendung kein Risiko oder nur minimale, mit seiner Verwendung zu vereinbarende Risiken für die Gesundheit und Sicherheit von Personen birgt.
Bei der Beurteilung der Sicherheit sind verschiedene Aspekte zu berücksichtigen, u. a.:
- Eigenschaften des Produkts (z. B. Zusammensetzung, Verpackung, Gebrauchsanleitung);
- Auswirkungen auf andere Produkte
- Aufmachung und Kennzeichnung
- Verbraucherkategorien, die bei der Verwendung einem Risiko ausgesetzt sind (z. B. Kinder, ältere Menschen)
- Risiken durch neue Technologien (z. B. Risiken durch Software-Updates oder externe Eingriffe bei vernetzten Produkten)
Unternehmen müssen die Sicherheit ihrer Produkte über deren gesamte Lebensdauer gewährleisten.
Erweiterte Pflichten für Wirtschaftsakteure
Die Verordnung legt detaillierte Pflichten für die verschiedenen Wirtschaftsakteure fest. Diese Pflichten unterscheiden sich je nach Rolle in der Lieferkette (Hersteller, Importeure, Händler, Fulfilment-Dienstleister).
Pflichten der Hersteller (Artikel 9):
- Gewährleistung der Produktsicherheit: Hersteller müssen sicherstellen, dass ihre Produkte im Einklang mit dem allgemeinen Sicherheitsgebot gemäß Artikel 5 entworfen und hergestellt wurden.
- Risikoanalyse und technische Dokumentation: Vor dem Inverkehrbringen müssen Hersteller eine interne Risikoanalyse durchführen und technische Unterlagen erstellen, die gewisse Anforderungen erfüllen müssen.
- Konformitätssicherung: Bei Serienfertigung müssen Verfahren zur Gewährleistung der kontinuierlichen Konformität implementiert werden.
- Produktidentifikation: Produkte müssen eine Typen-, Chargen- oder Seriennummer oder ein anderes Identifikationselement tragen.
- Herstellerangaben: Name, Handelsname oder Marke, Postanschrift und E-Mail-Adresse des Herstellers müssen auf dem Produkt, der Verpackung oder in Begleitunterlagen angegeben werden.
- Gebrauchsanweisungen: Klare Anweisungen und Sicherheitsinformationen in einer für Verbraucher verständlichen Sprache müssen beigefügt werden.
- Korrekturmaßnahmen bei gefährlichen Produkten: Bei Kenntnis von Sicherheitsrisiken müssen unverzüglich Korrekturmaßnahmen ergriffen, Verbraucher informiert und Marktüberwachungsbehörden benachrichtigt werden.
- Kommunikationskanäle: Öffentlich zugängliche Kommunikationskanäle für Verbraucherbeschwerden müssen eingerichtet werden.
- Beschwerdemanagement: Eingereichte Beschwerden müssen untersucht und ein internes Verzeichnis geführt werden.
Pflichten der Importeure (Artikel 11):
- Konformitätsprüfung: Vor dem Inverkehrbringen müssen Importeure sicherstellen, dass das Produkt dem allgemeinen Sicherheitsgebot entspricht und der Hersteller seinen Pflichten nachgekommen ist.
- Kennzeichnung: Importeure müssen ihren Namen, Handelsnamen oder Marke sowie Kontaktdaten auf dem Produkt, der Verpackung oder in Begleitunterlagen angeben.
- Gebrauchsanweisungen: Sicherstellung, dass dem Produkt klare Anweisungen und Sicherheitsinformationen in der erforderlichen Sprache beigefügt sind.
- Lagerungs- und Transportbedingungen: Gewährleistung, dass die Produktsicherheit während Lagerung und Transport nicht beeinträchtigt wird.
- Dokumentation: Kopien der technischen Unterlagen müssen für 10 Jahre aufbewahrt werden.
- Korrekturmaßnahmen: Bei Kenntnis von Sicherheitsrisiken müssen unverzüglich der Hersteller informiert, Korrekturmaßnahmen ergriffen, Verbraucher benachrichtigt und Marktüberwachungsbehörden informiert werden.
- Beschwerdemanagement: Ähnlich wie Hersteller müssen Importeure Beschwerden untersuchen und dokumentieren.
Pflichten der Händler (Artikel 12):
- Sorgfaltspflicht: Händler müssen überprüfen, ob Hersteller und Importeure ihren Kennzeichnungs- und Informationspflichten nachgekommen sind.
- Lagerungs- und Transportbedingungen: Sicherstellung, dass die Produktsicherheit nicht beeinträchtigt wird.
- Meldepflicht: Bei Kenntnis von Sicherheitsrisiken müssen Händler unverzüglich den Hersteller oder Importeur informieren, Korrekturmaßnahmen sicherstellen und Marktüberwachungsbehörden benachrichtigen.
Zusätzliche wichtige Punkte:
- Wirtschaftsakteure müssen interne Verfahren zur Gewährleistung der Produktsicherheit implementieren (Artikel 14).
- Sie sind zur Zusammenarbeit mit Marktüberwachungsbehörden verpflichtet, einschließlich der Bereitstellung aller erforderlichen Informationen (Artikel 15).
- Unter bestimmten Umständen können die Pflichten des Herstellers auch für andere Personen gelten, z. B. wenn ein Produkt unter eigenem Namen in Verkehr gebracht oder wesentlich verändert wird (Artikel 13).
Besondere Pflichten im Fernabsatz:
Im Online-Handel müssen Händler sicherstellen, dass die Online-Produktangebote bestimmte Pflichtangaben enthalten. Dazu gehören:
- Name, Marke, Anschrift und elektronische Adresse des Herstellers;
- Falls der Hersteller außerhalb der EU sitzt, müssen zusätzlich die Angaben zur verantwortlichen Person in der EU gemacht werden;
- Produktbilder und Informationen zur Identifizierung des Produkts (z. B. Typen-, Chargen- oder Seriennummer);
- Warnhinweise und Sicherheitsinformationen in der Sprache des jeweiligen EU-Mitgliedstaats, in dem das Produkt verkauft wird.
Zudem werden auch spezifische Pflichten für Betreiber von Online-Marktplätzen eingeführt. Diese müssen z. B. eine zentrale Kontaktstelle für Produktsicherheitsfragen einrichten und mit Behörden bei gefährlichen Produkten kooperieren.
Sanktionen bei Verstößen
Bei Verstößen gegen die Verordnung drohen empfindliche Sanktionen. Die Mitgliedstaaten müssen wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen jedoch selbst festlegen. Der deutsche Gesetzgeber sieht dies bislang in einem Gesetzesentwurf für die Änderung des deutschen Produktsicherheitsgesetztes (ProdSG) vor, wonach gemäß § 28 ProdSG (neu) je nach Art des Verstoßes Geldbußen in Höhe von bis zu 10.000,00 EUR bis 100.000,00 EUR drohen. Auch sind Abmahnung nach § 3a UWG möglich.
Ab wann gilt die EU-Produktsicherheitsverordnung?
Wie bereits erwähnt, gilt die Verordnung ab dem 13.12.2024. Dies bedeutet, dass ab diesem Zeitpunkt die in der Verordnung festgelegten Regelungen ohne vorherigen Umsetzungsakt der einzelnen Mitgliedstaaten (Ausnahme: Sanktionen) unmittelbar gelten und von den betroffenen Unternehmen zu beachten sind. Gemäß Art. 51 der EU-Produktsicherheitsverordnung sind die Regelungen jedoch nur auf Produkte anzuwenden, die ab dem 13.12.2024 in Verkehr gebracht werden.