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Auswirkungen der Infla­tion und der steigen­den Zinssätze auf die Unter­nehmensbe­wertung

Die vom Statistischen Bundesamt ermittelte Inflationsrate erreicht aktuell historische Höchststände. Im Mai 2022 lag die gemessene Inflationsrate bei 7,9 %. Für Juni 2022 schätzt das Statistische Bundesamt die Inflation mit 7,6 %. Dieser leichte Rückgang ist aber kein Grund für eine Entwarnung – im Gegenteil. Neben der hohen Inflation sind derzeit steigende Zinssätze auf den Kapitalmärkten zu beobachten. Diese Entwicklung hat teilweise weitreichende Folgen für Unternehmen, unter anderem auch für Unternehmensbewertungen.

Aktuelle Lage: Inflation und Krise(n)

Die Inflationsrate in Deutschland – gemessen als Veränderung des Verbraucherpreisindex (VPI) zum Vorjahresmonat – liegt dem Statistischen Bundesamt folgend im Mai 2022 bei +7,9 %. Das entspricht einem Anstieg von 0,9 % im Vergleich zum Vormonat April. Bereits in den Vormonaten April und März erreichte die Inflationsrate einen neuen Höchststand, der zuletzt in ähnlicher Höhe in den Jahren 1973/74 beobachtet werden konnte. Für den Juni 2022 schätzt das Statistische Bundesamt die Inflationsrate mit +7,6 %. Dieser marginale Rückgang im Vergleich zum Vormonat darf aber keineswegs als eine zeitnahe Trendwende hin zu „normalen“ Inflationsraten interpretiert werden. Im Gegenteil – die Lage für die gesamte Wirtschaft und den darin agierenden Unternehmen spitzt sich zu. Mit einem signifikanten Abschwung der Inflationsrate im Jahr 2022 ist laut Experten nicht mehr zu rechnen. Hauptsächliche Inflationstreiber stellen die erhöhten Energiepreise im Zuge des Ukraine-Kriegs und die weiterhin anhaltenden Lieferengpässe innerhalb der Wertschöpfungskette dar.

Eine jährliche Inflation von nahezu 2,0 % führt laut der Europäischen Zentralbank (EZB) dazu, dass die Wirtschaft ohne Störungen weiterwachsen kann. Grundsätzlich soll die Inflation dazu beitragen, dass Verbraucher und Unternehmen aufgrund der Entwertung des Geldes, dieses für den Kauf von Gütern und Leistungen einsetzen und somit zum Wirtschaftswachstum beisteuern. Die aktuelle Inflationsrate von über 7,0 % führt dazu, dass, bei gleichbleibenden Verdiensten, Verbraucher und Unternehmen die Preissteigerungen nicht ausgleichen können und somit weniger ausgeben. Wird ein Inflationsausgleich der Verbraucher gefordert, kann dies zu einer Lohn-Preis-Spirale mit weiter ansteigenden Preisen und schrumpfender Nachfrage führen. Die schrumpfende Nachfrage und der damit einhergehende Abschwung der Konjunktur können bis zur steigenden Arbeitslosigkeit führen, indem weniger nachgefragt wird und Unternehmen ihr Personal entlassen müssen.

Ein möglicher Anstieg der Arbeitslosenquote stellt nicht nur im Zusammenhang mit der Inflation ein Risiko dar, sondern kann ebenfalls durch ansteigende Zinsen, im Zuge eines Eingreifens der Zentralbanken und einer Anpassung der Geldpolitik, ausgelöst werden. Dieses Risiko entsteht durch das eingedämpfte Konsumverhalten der Verbraucher und der sinkenden Einnahmen, denn durch weniger Absatz und geringere Gewinnmargen können Unternehmen anfallende Kosten nicht mehr decken. Zusätzlich fallen erhöhte Kosten für Fremdfinanzierungen an.

Grundsätzlich führt eine Inflation im ersten Schritt zur Erhöhung der Preise auf dem Markt und folglich zu einer Entwertung des Geldes; denn um dasselbe Gut zu erwerben, muss mehr gezahlt werden. Das Konsumverhalten wird geschwächt, wodurch die Nachfrage abnimmt und Unternehmen unter Umständen keine erhöhten Preise für Ihre Güter und Dienstleistungen durchsetzen können. Sofern erhöhte Preise am Markt durchgesetzt werden können, wird ein Anstieg der Inflationsrate weiter angeheizt.

Die Europäische Zentralbank hat sich nun zum ersten Mal seit Mai 2016 für eine Anhebung des Leitzinses (Hauptrefinanzierungsgeschäft) ausgesprochen, um der Inflationsrate entgegenzuwirken. Dabei soll der Leitzins um 25 Basispunkte in der nächsten geldpolitischen Sitzung der EZB im Juli 2022 erhöht werden. Auf Grundlage der Prognosen bzgl. der voraussichtlich anhaltenden hohen Inflation sieht die EZB eine erneute Leitzinserhöhung im September 2022 vor. Dadurch wird es für Banken teurer, sich von der EZB Geld zu leihen. Damit einhergehend steigen die Preise noch weiter.

Die kommenden Auswirkungen auf die Wirtschaft sind vielschichtig und komplex. Sie zeichnen sich aber bereits jetzt ab. Dabei ist die aktuelle Entwicklung der Inflationsrate, insbesondere ausgelöst durch die hohen Energiepreise aufgrund des Ukraine-Kriegs, nur ein Treiber. Neben den Implikationen des Ukraine-Kriegs ist die seit über zwei Jahren andauernde Corona-Pandemie trotz voranschreitender Lockerungen der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie, noch nicht überwunden. Jüngste (erneute) Lockdowns mit Ausgangssperren in China zeigen, dass sich die Lage in diesem Zusammenhang noch nicht entspannt hat. Ob auch in Europa bzw. Deutschland wieder verschärfte Maßnahmen durchgesetzt werden, ist unklar. Allerdings ist allein diese Ungewissheit bereits Anlass genug, dass Anleger zurückhaltend sind. Steigende Unsicherheiten führen zu höheren Volatilitäten und damit zu steigenden Risikoprämien, die Anleger für ihr investiertes Kapital fordern, das heißt steigende Zinsen.

Ein weiterer nicht zu vernachlässigender Faktor ist auch heute noch die Finanzmarktkrise aus dem Jahr 2008 – dem Ursprung der seit vielen Jahren geltenden expansiven Geldpolitik der Zentralbanken und dem anhaltenden Niedrigzinsniveau. Die Auswirkungen der expansiven Geldpolitik sind bei allen Unternehmen nach wie vor allgegenwärtig. Längst hat man sich an historisch niedrige Zinsen gewöhnt und das eigene Wirtschaften an diese Geldpolitik angepasst – mit möglicherweise verheerenden Folgen für die Zukunft. Niedrige Leitzinsen sorgten dafür, dass eine Investition in Staatsanleihen zunehmend unattraktiver wurde. Die Zinsen für risikolose Staatsanleihen sanken in der Folge auf null oder sogar in den negativen Bereich. Die Wirtschaft wurde mit billigem Geld versorgt, damit das Wirtschaftswachstum nicht ins Stocken gerät. Banken konnten sich von der EZB zum Nulltarif Geld leihen und in den Wirtschaftskreislauf bringen. Unternehmen nahmen das billige Geld dankend an und investierten in Anlagen, neue Technologie, Know-how usw. Die Wirtschaft wuchs und immer mehr Geld war im Umlauf. Das stellte so lange kein spürbares Problem dar, solange das Wirtschaftswachstum scheinbar keine Grenzen kannte.

Das erste böse Erwachen kam mit der Corona-Pandemie. Weltweit brachen Lieferketten zusammen, Produktionsstätten mussten schließen und zahlreiche Unternehmen standen vor dem Ende. Nur breit angelegte staatliche Hilfsmaßnahmen bewahrten viele Unternehmen vor dem sicheren Ende. Eine über viele Jahre angehäufte Geldmenge wurde plötzlich nicht mehr durch ein stetiges Wachstum begleitet, sondern durch ein abruptes Absinken der globalen Wirtschaftsleistung. Viel Geld standen immer weniger werdende Produkte und Dienstleitungen gegenüber. Die Basis für steigende Inflationsraten war damit gelegt. Als nach zwei Jahren Pandemie die ersten größeren Lockerungen bei den Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie durchgesetzt wurden, war die Erleichterung groß. Aber die Erleichterungen waren trügerisch. Von einer Normalität wie vor der Zeit der Corona-Pandemie ist man allein bezogen auf das Virus noch weit entfernt. Dieser Umstand führt zu Verunsicherungen.

Als weiterer Inflationstreiber kommt der Krieg Russlands in der Ukraine hinzu. Seit Beginn der kriegerischen Handlungen Russlands in der Ukraine im Februar 2022 sind insbesondere die Energiepreise massiv gestiegen. Hinzu kommt, dass zahlreiche Unternehmen dringend für ihre Produktion erforderliche Rohstoffe nicht mehr erhalten. Die Wirtschaftsleistung in Deutschland brach erneut innerhalb kürzester Zeit ein. Gestiegene Rohstoffpreise und Lieferengpässe befeuerten die hohen Inflationsraten zusätzlich.

Die aktuelle Lage ist gezeichnet von Krise(n) und einer hohen Inflation. Es gilt zu befürchten, dass der Corona-Pandemie und dem Ukraine-Krieg weitere Krisen folgen werden; die Energiekrise ist bereits spürbar; Ernährungskrisen werden befürchtet. Und ein Ende der Corona-Krise sowie des Kriegs in der Ukraine ist nicht in Sicht. Wenn nun die ohnehin herausfordernde Krisensituation auf eine hohe Inflation trifft, kann sich aus diesem Sprengsatz für die Wirtschaft ein Flächenbrand entwickeln.

Unabhängig davon, wie sich die aktuellen Ereignisse rund um die Zinspolitik der EZB, der Corona-Pandemie sowie dem Ukraine-Krieg entwickeln, steht eines bereits jetzt fest: Der Grad der Unsicherheit ist hoch und die Zinsen steigen. Bezogen auf die Unternehmensbewertung ergeben sich dadurch unmittelbare Auswirkungen auf die zu prognostizierenden finanziellen Überschüsse (Unternehmensplanung) sowie dem zu der Planung korrespondierenden Risiko (Kapitalisierungszinssatz).

Implikationen für die Unternehmensplanung

In der Unternehmensbewertung spielen eine steigende Inflation und steigende Zinsen eine wichtige Rolle. Bezogen auf die Unternehmensplanung werden Unternehmen zunehmend mit steigenden Preisen auf dem Beschaffungsmarkt, steigenden Zinsaufwendungen, Lieferengpässen sowie einer sinkenden Nachfrage beim Absatzmarkt konfrontiert. Fraglich ist, ob es Unternehmen schaffen, die steigenden Preise vollständig an die eigenen Kunden weiterzugeben. Sofern das Unternehmen in der Lage ist, die Preissteigerungen auf dem Beschaffungs- und Kapitalmarkt vollständig auf die eigenen Kunden abzuwälzen, entziehen sie sich diesen Kostensteigerungen vollständig und verfügen ceteris paribus über einen realen, also in der Kaufkraft unveränderten, Gewinn. Dieses Szenario dürfte allerdings angesichts des niedrigen Konsumklimaindex eine Ausnahme darstellen. Vielmehr müssen zahlreiche Unternehmen mit sinkenden Renditen in der Zukunft rechnen.

Die Inflationseffekte werden bei einer Unternehmensplanung bzw. -bewertung in die finanziellen Überschüsse eingepreist (Nominalrechnung). Hierbei ist zu beachten, dass ein pauschales und unreflektiertes Heranziehen der allgemeinen Inflationsrate zu einer verzerrten Darstellung der Planung führen kann, da die allgemeine Inflationsrate nicht die unternehmensspezifischen Preissteigerungen repräsentiert. Es ist daher unternehmensspezifisch abzuleiten, welche Positionen innerhalb der Planungsrechnung in welchem Ausmaß von der Inflation betroffen sind. Insgesamt kann die allgemeine Inflationsrate nur eine Orientierung zur Ermittlung der unternehmensspezifischen Inflationsrate geben, sollte jedoch nicht pauschal angesetzt werden. Solche Fehler in der Planungsrechnung können vermieden werden, wenn berücksichtigt wird, welche Einflussfaktoren die allgemeine Inflationsrate beeinflussen respektive determinieren und welche auf das Unternehmen übertragbar sind. Ein kritisches Hinterfragen der relevanten Faktoren bezogen auf das Bewertungsobjekt ist vor dem Hintergrund der unternehmensspezifischen Gegebenheiten (Geschäftsmodell, Branche, Markt etc.) essenziell. In Abhängigkeit davon, wie stark ein Unternehmen von dem Ukraine-Krieg oder der Corona-Pandemie betroffen ist, können die Effekte auf das bestehende Geschäftsmodell massiv sein. Dabei sollten Unternehmen mithilfe von Szenario-Betrachtungen analysieren, wie schwerwiegend die Auswirkungen in einem Best-, Mid- und Worst-Case-Szenario sein könnten. Die Planungsrechnung sollte den Erwartungswert sämtlicher denkbarer Szenarien widerspiegeln. Dabei ist jedes Unternehmen individuell zu betrachten.

Adäquat zur Berücksichtigung der Inflationseffekte, sollte die Erhöhung der Leitzinsen und die damit verbundenen Auswirkungen regelmäßig in der Planungsrechnung berücksichtigt werden. Diese sind insbesondere mit den Aufwendungen für Fremdkapital verbunden, denn steigt der Leitzins, ist mit höheren Zinsaufwendungen in der Zukunft zu rechnen. Höhere Zinsaufwendungen führen – neben höheren Beschaffungspreisen, die nicht vollständig an die Verbraucher weitergegeben werden können, und sinkenden Absatzzahlen – zu niedrigeren Renditen in der Zukunft und damit geringeren Jahresergebnissen. Die Folge: Die Unternehmenswerte sinken.

Implikationen für den Kapitalisierungszinssatz

Die Berücksichtigung der Inflation und der steigenden Zinssätze erfolgt im Phasenmodell der Unternehmensbewertung in der Detailplanungsphase explizit und kann demnach in den finanziellen Überschüssen bzw. den jeweiligen Posten der Planungsrechnung direkt berücksichtigt werden. In der Phase der ewigen Rente ist die direkte Berücksichtigung der Inflation nicht mehr möglich und muss daher indirekt über eine Kürzung des Diskontierungszinssatzes durch den sogenannten Wachstumsabschlag erfolgen (Nenner des Bewertungskalküls). Durch den Wachstumsabschlag erfolgt eine Übertragung des Wachstums der finanziellen Überschüsse (Nenner des Bewertungskalküls) in den Kapitalisierungszins (Zähler des Bewertungskalküls).

Zu beachten ist, dass der Wachstumsabschlag zwar im Kapitalisierungszinssatz abgebildet wird, aber kein Bestandteil der (Eigenkapital-)Kosten ist, die das Risiko des Bewertungsobjekts zum Ausdruck bringen. Die Eigenkapitalkosten setzen sich zusammen aus dem risikolosen Basiszinssatz, der allgemeinen Marktrisikoprämie sowie dem Betafaktor.

Der nach der Svensson-Methode respektive nach den Grundsätzen des IDW S 1 ermittelte Basiszinssatz betrug zum 31.12.2021 gerundet 0,10 %. Zum 30.06.2022 stieg der risikolose Basiszinssatz auf gerundet 1,25 % an. Damit hat sich der Basiszinssatz allein im ersten Halbjahr 2022 mehr als verzehnfacht. Der Anstieg ist zu nicht unerheblichen Teilen eine Reaktion auf die Ankündigung der EZB, den Leitzins zu erhöhen, um auf die steigenden Inflationsraten zu reagieren. Die weitere Entwicklung des Basiszinssatzes bleibt abzuwarten. Sicher scheint aber, dass er weiter steigen wird. Für Unternehmen hat diese Entwicklung erhebliche Folgen, nicht zuletzt, wenn die Werthaltigkeit von Beteiligungen, einzelnen Vermögenswerten oder dem Goodwill überprüft wird. Denn steigende Zinsen führen zu niedrigeren Unternehmenswerten.

Folgende Beispielrechnung verdeutlicht das Problem:

Zum 31.12.2021 wurde eine Beteiligung X mit einem nachhaltigen Cashflow von EUR 1 Mio. und einem Kapitalisierungszinssatz von 7,10 % bewertet. Der Kapitalisierungszinssatz von 7,10 % setzte sich zusammen aus dem risikolosen Basiszinssatz von 0,10 %, einer Marktrisikoprämie von 7,00 % sowie einem Betafaktor von 1,00 (0,10 % + 7,00 % x 1,00 = 7,10 %). Der Wert der Beteiligung belief sich zum 31.12.2021 unter der Annahme ewiger und konstanter Cashflows von EUR 1 Mio. p.a. bei einem Zinssatz von 7,10 % auf rund EUR 14,08 Mio. (= EUR 1 Mio. / 7,10 %).

Zum 31.12.2022 beträgt der risikolose Basiszinssatz annahmegemäß 1,75 %. Die nachhaltigen Cashflows und alle übrigen Parameter seien im Vergleich zum 31.12.2021 unverändert. Durch den Anstieg des risikolosen Basiszinssatzes steigen die Eigenkapitalkosten auf 8,75 % (= 1,75 % + 7,00 % x 1,00). Die Folge ist, dass sich der Unternehmenswert der Beteiligung X von EUR 14,08 Mio. auf nunmehr EUR 11,43 Mio. reduziert. Das bedeutet eine Werteinbuße für die gesamte Beteiligung von fast 20 % (!) im Vergleich zum Vorjahr.

Allein aufgrund des Anstiegs des Basiszinssatzes droht bei zahlreichen Unternehmen eine Abwertung bestehender Vermögenswerte.

Doch damit nicht genug: Auch die übrigen Parameter der Eigenkapitalkosten, namentlich die Marktrisikoprämie sowie der Betafaktor, werden von den aktuellen Entwicklungen höchstwahrscheinlich nicht verschont bleiben. Zwar erfolgt hinsichtlich des Ansatzes der Marktrisikoprämie häufig eine Orientierung an den Bandbreitenempfehlungen des IDW. Aktuell empfiehlt das IDW den Ansatz einer Marktrisikoprämie vor persönlichen Steuern in einer Bandbreite zwischen 6,00 % bis 8,00 % (Mittelwert: 7,00 %). Bezogen auf die Corona-Pandemie sowie den Ukraine-Krieg äußerte sich das IDW dahingehend, dass die bestehenden Bandbreiten unverändert, d.h. trotz der beiden Krisen, weiterhin ihre Gültigkeit haben. Ob das zukünftig weiterhin der Fall sein wird, ist offen. Aber selbst, wenn zum 31.12.2022 weiterhin eine Marktrisikoprämie von 7,00 % vor persönlichen Steuern angemessen wäre, dann dürfte der Zinssatz insbesondere durch die steigenden Volatilitäten noch weiter nach oben getrieben werden. Erhöhte Unsicherheiten bzw. erhöhte Volatilitäten spiegeln sich nämlich auch im Betafaktor wider. Es ist davon auszugehen, dass die bestehenden Unsicherheiten auf den Kapitalmärkten bis zum Jahresende 2022 nicht signifikant zurückgehen werden.

Sofern durch die gestiegenen Volatilitäten der Betafaktor von 1,00 auf 1,10 zum 31.12.2022 steigen sollte, stellt sich die Situation in dem vorstehenden Beispielsfall noch dramatischer dar. Der Kapitalisierungszinssatz erhöht sich bei einem unterstellten Basiszinssatz von 1,75 % und einem Betafaktor von 1,10 im Vergleich zum 31.12.2021 um 2,35%-Punkte auf 9,45 %. Bezogen auf die Beteiligung X würde bei nachhaltigen Cashflows von EUR 1 Mio. nur noch ein Unternehmenswert von EUR 10,58 Mio. zustande kommen. Das bedeutet einen Rückgang im Vergleich zum Wert per 31.12.2021 in Höhe von EUR 3,50 Mio. bzw. rund 25 %.

Das vorstehende Beispiel zeigt, dass ein Rückgang von Unternehmenswerten zum Jahresende in deutlich zweistelligem Prozentbereich nicht ausgeschlossen ist und das allein aufgrund des Zinsumfelds. Je nach Ausgestaltung des Einzelfalls können die Auswirkungen aber noch dramatischer sein.

Wenn zu dem steigenden Zinssatz noch Rückgänge in den zu erwartenden Cashflows einzupreisen sind, dann sinkt der Unternehmenswert noch weiter. Wenn die Beteiligung X zum 31.12.2022 nicht wie bisher von nachhaltigen Cashflows in Höhe von EUR 1 Mio. p.a. ausgehen kann, sondern sich diese aufgrund von Lieferengpässen, Preissteigerungen, Produktionsausfällen etc. auf TEUR 900, mithin um 10 % verringern, dann sinkt der Wert der Beteiligung nochmals massiv. Bei nachhaltigen Cashflows von TEUR 900 und einem Kapitalisierungszinssatz von 9,45 % ergibt sich ein Wert der Beteiligung X zum 31.12.2022 in Höhe von nur noch EUR 9,52 Mio. Der Wert zum 31.12.2022 ist damit um rund ein Drittel geringer als noch zum 31.12.2021.

Neben den Auswirkungen der Inflation auf die finanziellen Überschüsse führt das steigende Zinsniveau zu höheren Fremdkapitalkosten und zu höheren Eigenkapitalkosten. Die Folge: Die Unternehmenswerte sinken.

Fazit

Die Auswirkungen der hohen Inflation und der steigenden Zinssätze spielen in vielerlei Hinsicht eine wichtige Rolle und unterscheiden sich von Unternehmen zu Unternehmen. Bei einer Unternehmensbewertung ist daher stets das Ausmaß der Auswirkungen zu analysieren und die unternehmensindividuellen Effekte sind anhand des Geschäftsmodells, der Branche und der Marktposition zu quantifizieren. Die aktuelle wirtschaftliche Lage wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit vorerst nicht erholen und weitere Zinserhöhungen sind durch die EZB vorgesehen, wodurch diese Faktoren bei einer Unternehmensbewertung zu berücksichtigen sind. In Zukunft ist damit zu rechnen, dass zahlreiche Unternehmenswerte aufgrund von steigenden Zinssätzen und Ertragsschmälerungen, zurückgehen werden. Unternehmen sollten diese denkbaren Szenarien einzelfallspezifisch analysieren.

Die Inflation bedingt unmittelbar die Unternehmensbewertung und die Unternehmenswerte als Ergebnis der Bewertungen. Einerseits dürften die finanziellen Überschüsse künftig geringer ausfallen, andererseits führen steigende Zinsen zu geringeren Unternehmenswerten. Die Tatsache, dass die Inflation so schnell und unerwartet gekommen ist, birgt hohe Risiken für die Unternehmen. Denn wenn zuletzt in Zeiten niedriger Zinsen Investitionen getätigt wurden, gilt zu vermuten, dass hier vergleichsweise schnell ein Wertberichtigungsbedarf gegeben ist. Hiervon ist nicht nur der Kapitalmarkt als Spiegelbild der Unternehmenswerte der dort agierenden Gesellschaften betroffen, wie die Entwicklung der „großen“ Indizes in den letzten Monaten verdeutlicht, sondern jeder Bilanzierende ist mit den Auswirkungen rückläufiger Werte konfrontiert. Abschreibungsrisiken auf Beteiligungsansätze und Goodwills sind heute präsenter als in den letzten Jahren.

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