Nichtigkeit eines Einziehungsbeschlusses mangels ausreichendem freien Vermögen auch bei Vorhandensein stiller Reserven.
Mit Urteil vom 26.06.2018 (II ZR 65/16) hat der Bundesgerichtshof die Anforderungen an die wirksame Einziehung von GmbH-Geschäftsanteilen weiter konkretisiert.
Im Streitfall befand der BGH den Einziehungsbeschluss der Gesellschafterversammlung für nichtig, weil im Beschlusszeitpunkt feststand, dass die für die eingezogenen Geschäftsanteile geschuldete Abfindung nicht aus dem sogenannten freien Vermögen würde aufgebracht werden können. Dies entspricht der schon bislang ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung. Zugleich bejahte der BGH allerdings die bislang unklare Frage, ob die Nichtigkeitsfolge auch bei Vorhandensein stiller Reserven im Vermögen der Gesellschaft eintritt, deren Auflösung die Zahlung der Abfindung ermöglichen würde.
Dies begründet der BGH im Wesentlichen mit der im Rahmen der Kapitalerhaltungsvorschrift des § 30 (1) GmbHG, auf den § 34 (3) GmbHG für die Einziehung verweist, geltenden bilanziellen Betrachtungsweise. Das Entstehen oder die Vertiefung einer die Kapitalerhaltungsvorschriften verletzenden Unterbilanz sei nach den Buchwerten einer stichtagsbezogenen Handelsbilanz zu beurteilen. Die reine Möglichkeit einer Auflösung stiller Reserven stehe einer hinreichenden Kapitalausstattung mit ungebundenem Vermögen nicht gleich.
Die Entscheidung reiht sich in frühere Urteile des BGH zu Einziehungsbeschlüssen bei der GmbH ein, u.a. dem Urteil vom 24.01.2012 (II ZR 109/11) sowie vom 02.12.2014 (II ZR 322/13). Im Jahre 2012 hatte der BGH unter Ablehnung der sogenannten Bedingungslösung entschieden, dass die Einziehung grundsätzlich nicht erst mit Zahlung der Abfindung, sondern bereits mit wirksamer Beschlussfassung und Bekanntgabe gegenüber dem Betroffenen wirksam werde. Dabei komme eine Haftung der übrigen Gesellschafter für die Leistung der Abfindung in Betracht, wenn diese es treuwidrig unterlassen, die Abfindungszahlung der Gesellschaft z. B. durch Auflösung stiller Reserven oder aber die Auflösung der Gesellschaft zu ermöglichen. In Abgrenzung zum nunmehr entschiedenen Fall setzt dies allerdings einen zunächst wirksam gefassten Beschluss voraus, bei dem sich erst später die fehlende Leistbarkeit der Abfindung aus ungebundenem Vermögen ergibt. Das Erfordernis einer solchen Haftung ergibt sich gerade aus der anzulegenden bilanziellen Betrachtungsweise, die eine spätere Auszahlung der Abfindung auch bei Vorhandensein stiller Reserven verhindert.
Im Jahr 2014 hatte der BGH entschieden, dass ein wirksamer Einziehungsbeschluss nicht zwingend voraussetzt, dass die Gesellschafter gleichzeitig Maßnahmen beschließen, um die durch die Einziehung entstehende Divergenz zwischen der Stammkapitalziffer und der Summe der Nennbeträge der Geschäftsanteile zu beseitigen (z. B. durch Kapitalherabsetzung oder Aufstockung bestehender Anteile).
Bereits im Rahmen der Satzungsgestaltung sollte auf eine präzise Regelung des Verfahrens für eine etwaige Einziehung von Geschäftsanteilen geachtet werden. Unter anderem kann etwaigen Kollisionen mit den Kapitalerhaltungsvorschriften und einer drohenden Haftung der Mitgesellschafter durch alternative Möglichkeiten wie z. B. die Zwangsabtretung begegnet werden.