Art. 9 Abs. 1 OECD-Musterabkommen gestattet bei verbundenen Unternehmen Gewinnberichtigungen nach innerstaatlichem Recht, soweit Vereinbarungen zwischen diesen Unternehmen nicht denen unter fremden Dritten entsprechen und eines der beiden Unternehmen ohne diese nicht fremdüblichen Bedingungen (höhere) Gewinne erzielt hätte. Nach geänderter Auffassung des BFH lasse sich eine Beschränkung auf sogenannte Preisberichtigungen weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck des Art. 9 Abs. 1 OECD-Musterabkommen entnehmen.
Im entschiedenen Fall (BFH-Urteil vom 19.2.2020 – I R 19/17) hat die Klägerin (eine Personengesellschaft) eine türkische Kapitalgesellschaft gegründet. Dieser hat sie ein Darlehen zu 6 % Zinsen p.a. ohne Sicherheiten gewährt. Von fremden Dritten hätte die türkische Kapitalgesellschaft kein Darlehen ohne Besicherung erhalten, da sie über kein wesentliches Anlagevermögen verfügte. Nachdem die Liquidation der Gesellschaft beschlossen war, nahm die Klägerin eine Teilwertabschreibung auf die Darlehens- und Zinsforderung vor. Das Finanzamt hat die Anerkennung dieser Abschreibung abgelehnt. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Der BFH hat die Auffassung des Finanzamts und des Finanzgerichts bestätigt, dass die Teilwertabschreibung in vollem Umfang gemäß § 1 Abs. 1AStG zu neutralisieren ist. Ob überhaupt ein steuerlich anzuerkennendes Darlehen oder eine durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Einlage vorgelegen habe, könne offenbleiben. Wenn der Steuerpflichtige bei grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen zu nahestehenden Personen i.S.d § 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG vom Fremdvergleichsgrundsatz abweicht, bedürfe es bereits einer entsprechenden Korrektur nach § 1 Abs. 1 S. 1 AStG. Das Darlehensverhältnis sei aufgrund der fehlenden Besicherung marktunüblich. „Die Einkünfteminderung ist i.S.d § 1 Abs. 1 S. 1 AStG durch („dadurch“) die fehlende Besicherung eingetreten.“
Auch Art. 9 Abs. 1 DBA-Türkei (2011) stehe der Einkünftekorrektur nicht entgegen. Der Korrekturbereich ermögliche auch die Neutralisierung der gewinnmindernden Teilwertabschreibung oder der Ausbuchung einer Darlehens- und Zinsforderung.
Mit seiner Entscheidung bestätigt der BFH in weiten Teilen auch das Urteil vom 27.2.2019 (I R 51/17): In diesem Fall ging es um die fehlende Besicherung einer Forderung aus Lieferbeziehungen. Schon in diesem Zusammenhang stellte sich die Frage, ob der Korrekturrahmen des Art. 9 Abs. 1 OECD-Musterabkommen nur eine Berichtigung (a) der Höhe nach oder (b) auch dem Grunde nach zulässt, d.h. ob fremde Dritte überhaupt ein solches unbesichertes Geschäft abgeschlossen hätten. Zuvor hatte der BFH nur die Preisberichtigung erlaubt, während das BMF die Regelung ebenso wie der OECD-Musterkommentar weiter auslegte.
Der BFH geht mit seiner aktuellen Entscheidung noch über das Vorgängerurteil hinaus. Damals hatte der BFH noch festgestellt, dass nur die durch die fehlende Fremdüblichkeit einzelner Bedingungen (hier: fehlende Besicherung) veranlassten Einkunftsminderungen dem Berichtigungsbefehl der Norm unterfallen. Die Gewinnminderung ist im aktuellen Fall jedoch gar nicht direkt durch die fehlende Besicherung eingetreten, sondern erst durch die aufgrund der beschlossenen Liquidation vorgenommene Teilwertabschreibung.
Es ist daher dringend anzuraten, dass bei einer grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehung die Fremdüblichkeit (a) der Höhe nach und (b) dem Grunde nach beachtet wird, um nachteilige Einkünftekorrekturen zu vermeiden. Bisher hatte der BFH das Merkmal der „vereinbarten Bedingungen“ im Falle der Darlehensgewährung allein auf den vereinbarten Zinssatz im Sinne einer Preiskorrektur beschränkt. An dieser Rechtsprechung wird indes nicht mehr festgehalten.