Verlängerung der zum 31.12.2020 auslaufenden Antragsaussetzung
Nach dem COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG) ist die Insolvenzantragspflicht wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung zeitlich befristet und unter bestimmten Voraussetzungen ausgesetzt worden, wie bereits in unseren Kurzinformationen vom 07.04.2020 und 22.09.2020 vorgestellt. Nach der letzten Gesetzesänderung im September 2020 unterliegen zahlungsunfähige Unternehmen ab dem 01.10.2020 wieder der regulären Antragspflicht, während bei COVID-19-bedingter Überschuldung bei bestehender Zahlungsfähigkeit eine Aussetzung bis zum 31.12.2020 gewährt wurde.
Angesichts der auch über den Jahreswechsel fortdauernden Pandemie hat der Gesetzgeber die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags für diejenigen Schuldner bis zum 31.01.2021 ausgesetzt, die im Zeitraum vom 01.11.2020 bis zum 31.12.2020 einen Antrag auf Gewährung der sogenannten „November- bzw. Dezemberhilfen“ gestellt haben. War dies aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich, gilt die Aussetzung auch für diejenigen Schuldner, die nach den Bedingungen des staatlichen Hilfsprogramms in den Kreis der Antragsberechtigten fallen. Die Aussetzung gilt wiederum nicht, wenn offensichtlich keine Aussicht auf Erlangung der Hilfeleistung besteht oder die erlangbare Hilfeleistung für die Beseitigung der Insolvenzreife unzureichend ist.
Prognosezeitraum bei drohender Zahlungsunfähigkeit
Der Tatbestand der drohenden Zahlungsunfähigkeit, bei der nur der Schuldner berechtigt, aber nicht verpflichtet ist, einen Insolvenzantrag zu stellen, ist erfüllt, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Nunmehr legt das Gesetz in der Regel einen Prognosezeitraum von 24 Monaten zugrunde (§ 18 Abs. 2 S. 2 InsO), wobei im Einzelfall – abhängig von Besonderheiten des Schuldners oder seines Geschäftsbetriebs – auch ein kürzerer oder längerer Zeitraum berücksichtigt werden kann.
Prognosezeitraum bei Überschuldung
Ausdrücklich hält der Gesetzgeber an der Überschuldung als zwingenden Insolvenzantragstatbestand fest, um Geschäftsleiter zu einer vorausschauenden Planung zu veranlassen und so frühzeitig Krisenanzeichen feststellen zu können. Nach dem insoweit unveränderten sogenannten zweistufigen Überschuldungsbegriff ist eine Gesellschaft (trotz bilanzieller Überschuldung) im Rechtssinne nicht überschuldet, wenn die Fortführung des Unternehmens „in den nächsten zwölf Monaten“ nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist (§ 19 Abs. 2 S. 1 InsO). Abweichend davon wird in einem neu eingefügten § 4 COVInsAG für 2021 ein Zeitraum von vier Monaten zugrunde gelegt, wenn die Überschuldung auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen ist. Dies wird wiederum vermutet, wenn
- der Schuldner am 31.12.2019 nicht zahlungsunfähig war,
- der Schuldner in dem letzten, vor dem 01.01.2020 abgeschlossenen Geschäftsjahr ein positives Ergebnis aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit erwirtschaftet hat und
- der Umsatz aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit im Kalenderjahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 30 Prozent eingebrochen ist.
Differenzierte Antragsfrist bei Insolvenzreife
Ab 2021 differenziert das Gesetz bei der (Höchst-)Frist zur Stellung eines Insolvenzeröffnungsantrags bei einer juristischen Person nach den Antragsgründen, wonach der Antrag unverändert „ohne schuldhaftes Zögern“, aber spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung zu stellen ist. Die jeweiligen Höchstfristen sollen dem Schuldner Zeit für laufende Sanierungsbemühungen geben; haben diese ersichtlich keine Erfolgsaussichten (mehr), ist der Insolvenzantrag umgehend zu stellen.
Erleichterter Zugang zur Eigenverwaltung
§§ 5, 6 COVInsAG erleichtern in 2021 den Zugang zu einer beantragten Eigenverwaltung oder dem Schutzschirmverfahren, wenn die Zahlungsunfähigkeit (oder bei Eigenverwaltung: Überschuldung) des Schuldners auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen ist, was sich aus einer entsprechenden, von einem in Insolvenzsachen erfahrenen Berater ausgestellten Bescheinigung ergeben muss.
Zahlungsverbote in der Krise und ihre Ausnahmen
Die bislang in Einzelgesetzen verteilten Regelungen zu den Zahlungsverboten im Fall der Insolvenzreife sind nun in einer allgemeinen und rechtsformneutralen Vorschrift zusammengefasst und rechtssystematisch mit den Regelungen zur Insolvenzantragspflicht in einem § 15b InsO integriert.
Danach darf nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung keine Zahlung erfolgen, ausgenommen diese ist mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar. Davon geht das Gesetz aus, wenn diese der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs dient oder innerhalb der o.g. neuen Höchstfristen Maßnahmen zur nachhaltigen Beseitigung der Insolvenzreife oder zur Vorbereitung eines Insolvenzantrags getroffen werden.
Mit diesen gesetzlich geregelten Ausnahmen zum Zahlungsverbot wendet sich der Gesetzgeber im Hinblick auf die wegen Sanierungsbemühungen verlängerten Höchstfristen ausdrücklich gegen die Rechtsprechung des BGH, wonach etwa Zahlungen auf Dienstleistungen regelmäßig nicht privilegiert sind, da sie nicht zu einer Erhöhung der Aktivmasse führen. Schließlich gelten auch diejenigen Zahlungen im Zeitraum zwischen der Stellung des Antrags und der Eröffnung des Verfahrens als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar, wenn diese mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters vorgenommen wurden.
Entgegen § 15b InsO geleistete Zahlungen können zu einer Haftung des Geschäftsleiters gegenüber der juristischen Person führen. Wie bislang führen an Gesellschafter einer juristischen Person geleistete Zahlungen, soweit diese im weiteren Verlauf zur Zahlungsunfähigkeit führen mussten, zu einer persönlichen Haftung des Geschäftsleiters, es sei denn (Beweislast beim Geschäftsleiter), dies war auch bei Beachtung der Sorgfalt nicht erkennbar.
In diesem Zusammenhang ist auf ein jüngstes Urteil des BGH hinzuweisen, wonach es sich bei der inhaltlich insoweit gleichlautenden Vorgängervorschrift des § 64 GmbHG a.F. um einen gesetzlichen Haftpflichtanspruch handelt, der auch von einer sogenannten D&O-Versicherung erfasst ist.
Eine wichtige Erleichterung wurde mit der erst am Ende des Gesetzgebungsverfahrens neu eingefügten Regelung zur Pflichtenkollision eines Geschäftsleiters hinsichtlich Massesicherungspflicht und steuerrechtlicher Zahlungsverpflichtung umgesetzt: eine Verletzung steuerrechtlicher Zahlungspflichten liegt (nur) dann nicht vor, wenn zwischen dem Eintritt der Insolvenzreife und der Entscheidung des Insolvenzgerichts eine fällige Steuerverbindlichkeit nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt wird, sofern der Antragspflichtige seiner Verpflichtung zum Insolvenzantrag nachkommt (unverzüglich oder während laufender Sanierungsbemühungen innerhalb der Höchstfrist).