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Die Besteu­erung bei Veran­staltungs­leistungen an Unter­nehmer (Ortsbe­stimmung)

Änderung des Umsatzsteueranwendungserlasses

Die Eintrittsgebühren für physische Veranstaltungen gegenüber Unternehmern werden gemäß dem Umsatzsteuergesetz grundsätzlich am Veranstaltungsort besteuert. Laut Finanzverwaltung sollte dies bis dato – nur – für die der Öffentlichkeit allgemein zugänglichen Veranstaltungen gelten. Mit dem neuen BMF-Schreiben folgt die Finanzverwaltung einer aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, der die Vorschrift nicht eng auslegt: Sie gelte auch, wenn die Veranstaltung z.B. nur den Mitgliedern einer bestimmten Berufsgruppe zugänglich sei.

Die Finanzverwaltung hat bis dato die umsatzsteuerliche Regelung zur Besteuerung von Eintrittsberechtigungen zu Veranstaltungen nur eingeschränkt angewendet.

Für bestimmte Leistungen gelten im Umsatzsteuerrecht Sonderregelungen mit der Bestimmung welches Land das Besteuerungsrecht ausüben darf, wie z.B. für die Durchführung von Präsenz-Veranstaltungen: Werden unterrichtende, kulturelle, sportliche, wissenschaftliche oder ähnliche Veranstaltungsleistungen an Unternehmer erbracht, so ist diese Leistung grundsätzlich in dem Land umsatzsteuerbar, in dem die Veranstaltung stattfindet (sogenanntes Veranstaltungsortprinzip).

Unter Veranstaltungen versteht der Gesetzgeber und die Finanzverwaltung alle Arten von Veranstaltungen, wie beispielsweise Theateraufführungen, Zirkusvorstellungen, Freizeitparks, Konzerte, Messen, Ausstellungen, sportliche Spiele, Wettkämpfe, unterrichtende und wissenschaftliche Konferenzen und Seminare (wenn die Wissensvermittlung den Beratungscharakter überwiegt) etc.

Liegt das Besteuerungsrecht für die Veranstaltung in Deutschland, ist die Leistung nach deutschem Steuerecht zu beurteilen. Liegt das Besteuerungsrecht im Ausland, ist die Veranstaltungsleistung in dem betreffenden Ausland umsatzsteuerbar. Die Regelung ist sowohl auf die Leistungen der Veranstalter selber, als auch die der Verkaufskommissionäre, Händler sowie Unternehmer, die Eintrittsberechtigungen im eigenen Namen vertreiben, anzuwenden.

Soweit ein Veranstalter die Teilnahme an der Veranstaltung der Öffentlichkeit allgemein zugänglich macht, ist die Leistung für Eintrittsentgelte im Land der Durchführung der Veranstaltung (Veranstaltungsort) zu besteuern (Öffentliche Veranstaltungen). Hier gibt es keine Änderung.

Eine Änderung tritt jetzt ein, soweit sich eine Veranstaltungsleistung nur an einen Unternehmer richtet oder nur einem geschlossenen Teilnehmerkreis angeboten wird (Geschlossene Veranstaltungen), was beispielsweise im Falle eines Inhouse-Seminars für ein Unternehmen der Fall ist. Bis dato sollte sich nach Auffassung der Finanzverwaltung die Besteuerung der Leistung zur Umsatzsteuer nicht nach der Sonderregelung (Veranstaltungsortprinzip) richten, sondern danach, in welchem Land der Kunde ansässig ist.

Neue Rechtsauslegung der Finanzverwaltung

Die bisherige eingeschränkte Anwendung der Sonderreglung durch die Finanzverwaltung stand in Widerspruch zur neueren Rechtsprechung. Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs darf die Besteuerung einer Veranstaltungsleistung nicht von der Bedingung abhängig gemacht werden, ob die Veranstaltung der Öffentlichkeit zugänglich ist. Demnach seien auch Veranstaltungsleistungen für Geschlossene Veranstaltungen uneingeschränkt nach dem Veranstaltungsortprinzip am Veranstaltungsort zu besteuern. Die Finanzverwaltung hat sich der Rechtsauslegung mit der Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses angeschlossen. Die Eintrittsberechtigungen, sowohl für Öffentliche wie auch für Geschlossene Veranstaltungen sollen nunmehr grundsätzlich und unabhängig vom Teilnehmerkreis in dem Land besteuert werden, in dem die Veranstaltung stattfindet. Eintrittsberechtigungen sind deshalb nicht nur Tickets, sondern auch generell in Rechnung gestellte Entgelte für die Teilnahme an einer Veranstaltung als Besucher.

Die Finanzverwaltung stellt aber fest, dass die Sonderregelung nur für physische Veranstaltungen gilt und mangels örtlicher Präsenz nicht auf Online-Veranstaltungen anwendbar sei.

Die neue Rechtauslegung ist ab 09.06.2021 in allen offenen Veranlagungszeiträumen anzuwenden, d.h. solange für Umsatzsteuerbescheide noch ein Änderungsvorbehalt (in der Regel der Vorbehalt der Nachprüfung) besteht, dürfen diese geändert werden. Aufgrund der bisherigen Regelungen im Umsatzsteuer-Anwendungserlass, würde für Deutschland ein Vertrauensschutz für die Vergangenheit bestehen. Die Möglichkeit der Änderung der Besteuerung ist aber für den leistenden Unternehmer in den Fällen beschränkt sinnvoll, soweit die neue Rechtsauslegung für den leistenden Unternehmer zu einer umsatzsteuerlich günstigeren Handhabung führt. Für Auslandssachverhalte könnte allerdings eine Doppelbesteuerung drohen, wenn die Besteuerung im Ausland auch für die Vergangenheit abweichend von der deutschen Rechtsauslegung eingestuft wird oder es rückwirkend zu einer Änderung kommen könnte. Für diese Fälle könnte es notwendig werden, zurückliegende Veranlagungszeiträume in Deutschland ändern zu können.

Beispiele zur Veranschaulichung der neuen Rechtsauslegung:

a) Ein deutscher Unternehmer veranstaltet eine Inhouse-Schulung im EU-Ausland (Präsenz) für einen in Deutschland ansässigen Unternehmer (Leistungsempfänger; beauftragt und zahlt die Leistung).

Bisher war die Rechnung mit deutscher Umsatzsteuer auszustellen. Der Kunde konnte in seiner deutschen Umsatzsteuerveranlagung die ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend machen. Nach neuer Rechtsauslegung ist die Leistung im EU-Ausland steuerbar und steuerpflichtig. Wer im EU-Ausland Steuerschuldner ist, richtet sich nach der jeweiligen nationalen Regelung. Ist im Umsatzsteuergesetz des EU-Auslands der Übergang der Steuerschuldnerschaft (umgekehrte Steuerschuldnerschaft analog § 13b UStG) geregelt, geht die Steuerschuldnerschaft im EU-Ausland auf den Leistungsempfänger über. Fehlt eine entsprechende Regelung, muss sich der deutsche Veranstalter im Ausland registrieren. Die Steuerpflicht und ein eventueller Übergang der Steuerschuldnerschaft ist grundsätzlich im Land der Veranstaltung zu prüfen.

b) Ein deutscher Unternehmer veranstaltet eine Inhouse-Schulung im EU-Ausland (Präsenz) für einen in Österreich ansässigen Unternehmer (Leistungsempfänger; beauftragt und zahlt die Leistung).

Bisher hatte der deutsche Veranstalter der Inhouse-Schulung eine Netto-Rechnung mit dem Hinweis auf umgekehrte Steuerschuldnerschaft ausgestellt. Der Leistungsempfänger konnte diese in seiner nationalen Umsatzsteuererklärung deklarieren. Der leistende Unternehmer hat die Dienstleistung auch in der Zusammenfassenden Meldung zu deklarieren. Zukünftig und nach neuer Rechtsauslegung gelten hier die Ausführungen zu a) bezüglich Steuerschuldnerschaft im EU-Ausland analog: Entweder der leistende Unternehmer oder der Leistungsempfänger muss zukünftig im EU-Ausland der Veranstaltungsleistung den Umsatz besteuern.

c) Ein spanischer Unternehmer veranstaltet eine Inhouse-Schulung in Deutschland (Präsenz) für einen in Österreich ansässigen Unternehmer (Leistungsempfänger; beauftragt und zahlt die Leistung).

Der ausländische Veranstalter hatte bis dato nach der in Deutschland vertretenen Rechtsauslegung grundsätzlich eine Netto-Rechnung mit dem Hinweis auf die umgekehrte Steuerschuldnerschaft an den österreichischen Unternehmer ausgestellt. Nach neuer Rechtsauslegung trifft den ausländischen Veranstalter die Steuerpflicht in Deutschland. Eine Zusammenfassende Meldung ist vom Unternehmer nicht abzugeben. Grundsätzlich würde in Deutschland die Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger übergehen (umgekehrte Steuerschuldnerschaft). Dies findet aber keine Anwendung, soweit es sich um Eintrittsberechtigungen für Messen, Ausstellungen und Kongresse handelt.

Handlungsbedarf

Die Unternehmen die Veranstaltungsleistungen erbringen, müssen aufgrund der neuen Rechtsauslegung Ihre Prozesse und die umsatzsteuerliche Behandlung überprüfen. Soweit sich bei der Würdigung ergibt, dass sich die Besteuerungssystematik ändert, muss eine Analyse die zu ändernden internen Prozesse und die anzupassenden ERP-Systeme definieren. Auch muss festgelegt werden, inwieweit Umsatzsteuer-Registrierungen im Ausland notwendig werden könnten.

Soweit sich Unternehmer bereits bis dato abweichend von den Regelungen der Finanzverwaltung auf die EuGH-Rechtsprechung berufen haben, ergibt sich unter Umständen kein Handlungsbedarf.

Gerne unterstützt Sie das Umsatzsteuer-Team von Crowe Kleeberg bei der Würdigung Ihrer Sachverhalte.

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