Der BFH hat mit Urteil vom 04.02.2025 (VIII R 4/22) entschieden, dass ein als Zahnarzt zugelassener Mitunternehmer im Rahmen eines Zusammenschlusses von Berufsträgern auch dann freiberufliche Einkünfte i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielt, wenn er nur in einem äußerst geringfügigen Umfang behandelnd tätig ist und überwiegend organisatorische und administrative Leistungen für die Praxis erbringt.
Hintergrund:
Es wird gestritten über die Frage, ob für die Klägerin für das Streitjahr 2010 Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder aus selbständiger Arbeit festzustellen sind. Fraglich ist, ob durch die fast ausschließlich administrative und organisatorische Tätigkeit eines Mitunternehmers seine tatsächliche steuerliche freiberufliche Tätigkeit verloren geht und damit die Gesellschaft insgesamt gewerbliche Einkünfte erzielt.
Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine Partnerschaftsgesellschaft und betreibt eine Zahnarztpraxis. Ihre sieben Partner (drei Senior- und vier Juniorpartner) sind approbierte Zahnärzte. Einer der Seniorpartner kümmerte sich um die kaufmännische Führung und die Organisation der ärztlichen Tätigkeit des Praxisbetriebs, beispielsweise um die Vertretung gegenüber Behörden und Kammern, Personalangelegenheiten, Instandhaltung der zahnärztlichen Gerätschaften etc. Dieser Seniorpartner war weder „am Stuhl“ behandelnd tätig noch in die praktische zahnärztliche Arbeit der Kollegen eingebunden. Er beriet jedoch im Streitjahr fünf Patienten konsiliarisch und erzielte hieraus einen geringen Umsatz.
Nach einer Betriebsprüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, die Partnerschaftsgesellschaft erziele gewerbliche Einkünfte. Die hiergegen eingereichte Klage hatte in erster Instanz keinen Erfolg. Auch das FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 16.09.2021, Az. 4 K 1270/19) stufte die Einkünfte der gesamten Gesellschaft als gewerblich ein, da ein Mitunternehmer nur in geringem Umfang eigene originär freiberufliche (Zahnarzt-)Leistungen an Patienten erbringe. Diese gewerbliche Tätigkeit eines Einzelnen infiziere die übrigen Einkünfte der Partnerschaftsgesellschaft, sodass diese insgesamt als gewerblich anzusehen seien – eine Entscheidung, die vom BFH nun korrigiert wurde.
Entscheidung des BFH:
Der BFH schloss sich der Einschätzung der Vorinstanz nicht an und hielt die Revision für begründet. Das FG habe rechtsfehlerhaft entschieden, dass für die Klägerin gewerbliche Einkünfte i. S. d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG und nicht freiberufliche Einkünfte i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 EStG festzustellen sind. Vorliegend hätten alle Mitunternehmer Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit erzielt, denn die Voraussetzung der unmittelbaren, persönlichen und individuellen Arbeitsleistung der Berufsträger sei vorliegend erfüllt. Das FG habe jedoch zu Recht festgestellt, dass die bloße Zugehörigkeit eines Gesellschafters zu einem freiberuflichen Katalogberuf hierfür nicht ausreiche.
Vielmehr müsse positiv festgestellt werden können, dass jeder Gesellschafter die Hauptmerkmale des freien Berufs, nämlich die persönliche Berufsqualifikation sowie das untrennbar damit verbundene aktive Entfalten dieser Qualifikation auf dem Markt, in seiner Person verwirklicht hat. Die persönliche Ausübung der freiberuflichen Tätigkeit setze allerdings nicht voraus, dass jeder Gesellschafter in allen Unternehmensbereichen leitend und eigenverantwortlich tätig ist und an jedem Auftrag mitarbeitet (so auch BFH-Urteil vom 04.08.2020, Az. VIII R 24/17 sowie BFH-Urteil vom 23.11.2000, Az. IV R 48/99).
Die berufstypische zahnärztliche Tätigkeit werde durch die auf zahnärztliche wissenschaftliche Erkenntnisse gegründete Feststellung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten charakterisiert und sei bei einem (Zahn-)Arzt durch den persönlichen individuellen Dienst am Patienten geprägt. Der BFH führte in seiner Urteilsbegründung aus, dass die eigene freiberufliche Tätigkeit eines Mitunternehmers jedoch auch in Form der Mit- und Zusammenarbeit stattfinden könne (vgl. BFH-Urteil vom 28.10.2008, Az. VIII R 69/06). Einen Mindestumfang für die nach außen gerichtete qualifizierte Tätigkeit sehe das Gesetz nicht vor.
Die patientenbezogene Betrachtung schließe eine freiberufliche Tätigkeit aber nicht aus, wenn gerade bei größeren Zusammenschlüssen von Berufsträgern neben einer gegebenenfalls äußerst geringfügigen behandelnden Tätigkeit am Patienten insbesondere organisatorische und administrative Leistungen für den Praxisbetrieb der Gesellschaft erbracht werden. Auch in diesem Fall entfalte der Zahnarzt Tätigkeiten, die zum Berufsbild des Zahnarztes gehören, denn die kaufmännische Führung und Organisation der Personengesellschaft sei die Grundlage für die Ausübung der am Markt erbrachten berufstypischen zahnärztlichen Leistungen und damit auch Ausdruck der freiberuflichen Mit- und Zusammenarbeit sowie der persönlichen Teilnahme des Berufsträgers an der praktischen Arbeit.
Sofern jedoch ausschließlich administrative und organisatorische Tätigkeiten erbracht werden, löst dies nach Ansicht des BFH – außer bei Einhaltung der Geringfügigkeitsgrenze – sehr wohl eine Gewerblichkeit aus. Die Prüfung hat je Veranlagungsjahr zu erfolgen, Beweisvorkehrungen sollten getroffen werden.
Fazit:
Die Entscheidung des BFH sorgt für Klarheit bei der Abgrenzung von gewerblichen und freiberuflichen Einkünften in den Fällen der Personenzusammenschlüsse und kann gleichermaßen auf die Tätigkeit von Rechtsanwälten, Steuerberatern und weiteren Katalogberufen übertragen werden.
Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der Mit- und Zusammenarbeit in Gemeinschaftspraxen und ähnlichen Strukturen und dürfte für zahlreiche Berufsträger relevant sein und zu einer einheitlicheren Anwendung der steuerlichen Vorschriften führen.