Im Zusammenhang mit aktienrechtlichen Strukturmaßnahmen stellt sich regelmäßig die Frage nach der angemessenen Abfindung für Minderheitsaktionäre infolge eines Beherrschungs- und/oder Gewinnabführungsvertrags, eines Squeeze-outs oder einer Verschmelzung. Hinsichtlich der Bewertungsmethode besteht grundsätzlich eine Methodenfreiheit, sodass keine explizite Bewertungsmethode gesetzlich gefordert wird. Das OLG Frankfurt hat mit Beschluss vom 03.11.2020 (Az.: 21 W 76/19) zum Ausdruck gebracht, dass das Net Asset Value Verfahren nicht immer ein geeignetes Bewertungsverfahren darstellt.
Gesetzlich haben Minderheitsaktionäre einen Anspruch auf eine angemessene Abfindung für die Hingabe bzw. den zwangsweisen Verlust ihrer Aktien. Die Höhe der Abfindung hängt dabei vom „wahren“ Unternehmenswert ab.
Das OLG Frankfurt hat mit Beschluss vom 03.11.2020 (21 W 76/19) entschieden, dass nur im Einzelfall und unter bestimmten Voraussetzungen der Net Asset Value (NAV) zur Ermittlung einer angemessenen Abfindung herangezogen werden kann. Der Net Asset Value wird insbesondere für die Wertermittlung von Immobiliengesellschaften verwendet und ergibt sich aus der Differenz der Marktwerte des Vermögens und der Schulden des Bewertungsobjekts, nach Abzug des Barwertes der Verwaltungskosten der Gesellschaft. Diese Form der Bewertung bietet sich vornehmlich dann an, wenn die Erträge der Gesellschaft im Wesentlichen aus Erträgen und Aufwendungen im Zusammenhang mit bestimmten Kapitalanlagen resultieren, bei denen möglichst keine Synergieeffekte zu verzeichnen sind bzw. die Assets nicht arbeitsteilig und gemeinschaftlich zu einer gemeinsamen Wertschöpfung beitragen.
Grundsätzlich ist für die Bestimmung einer angemessenen Abfindung auf die zukünftigen finanziellen Überschüsse der Gesellschaft und nicht auf die Summe der singulären Überschüsse ihrer einzelnen Vermögenswerte abzustellen. Dazu gibt der Net Asset Value – ohne entsprechende Anpassungen, etwa in Bezug auf nicht erfasste Verwaltungskosten – keine Auskunft, da der Wert nur die hypothetischen Veräußerungswerte der einzelnen Assets zum Bewertungsstichtag abbildet und damit in der Regel nicht sämtliche zu erwartenden Zahlungsströme des Unternehmens erfasst. Je bedeutsamer die Anpassungen aufgrund der Ausrichtung der Gesellschaft für den Unternehmenswert sind, desto weniger ist der Net Asset Value für Zwecke einer Unternehmensbewertung geeignet.
Im Ergebnis greift das OLG Frankfurt auf das allgemein anerkannte Ertragswertverfahren zurück, welches den anteiligen Unternehmenswert aus den mit dem Kapitalisierungszins diskontierten zukünftigen Erträgen ableitet und der Bestimmung einer angemessenen Abfindung der Minderheitsaktionäre gerecht wird.