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Herabsetzung der Gewerberaummiete durch den Mieter wegen staatlicher Corona-Maßnahmen

Die staatlich angeordneten Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus haben vielerorts zu Geschäftschließungen geführt. Betroffene Gewerberaummieter haben aufgrund dieser Beschränkungs- und Schließungsmaßnahmen keine oder deutlich geringere Umsätze erzielt. Wie lange dieser Zustand noch andauert, ist noch nicht absehbar. Dabei ist gerade die Miete bei vielen einer oder der größte Kostenfaktor. Deshalb wird rege diskutiert, ob und inwieweit hier eine Veränderung der Geschäftsgrundlage vorliegt, die den Mieter zu einer Anpassung der Miete berechtigt.

Allgemeines zu § 313 Abs. 1 BGB

Grundsätzlich kommen die Regelungen über die Änderung der Geschäftsgrundlage zur Anwendung, wenn kein Sachmangel oder eine Unmöglichkeit der Leistung durch den Vermieter vorliegt. Beides ist im Falle einer pandemiebedingten Gewerbeschließung in der Regel nicht gegeben. Deshalb kommt häufig nur eine Anpassung der Geschäftsgrundlage in Betracht. Diese setzt voraus, dass

  • eine schwerwiegende Veränderung der Geschäftsgrundlage (reales Element) vorliegt,
  • bei Kenntnis dieser Umstände der Vertrag mit anderem Inhalt geschlossen worden (hypothetisches Element) wäre,
  • einem Vertragsteil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen und gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag deshalb nicht zugemutet werden kann (normatives Element).

Der Gesetzgeber ist in der Folge auch nicht untätig geblieben. Um dem Mieter in der Pandemie beizuspringen, hat der Gesetzgeber im Dezember 2020 eine Gesetzesänderung verabschiedet, die eine Vertragsanpassung erleichtern soll.

Änderung des Art. 240 § 7 EGBGB am 22.12.2020

Ansinnen des Gesetzgebers bei dieser Änderung war es, die Verhandlungsposition des Mieters gegenüber dem Vermieter zu stärken. Er hat dabei (rückwirkend) klargestellt, dass staatliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie eine schwerwiegende Änderung der Geschäftsgrundlage eines Gewerberaummietvertrages darstellen kann. Nach der Gesetzesänderung gilt folgendes:

(1) Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Abs. 1 BGB, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat.

(2) Abs. 1 ist auf Pachtverträge entsprechend anwendbar.

Da die Regelung rückwirkend gelten soll, ist sie auch bereits im Rahmen der Schließungsmaßnahmen in der ersten Welle im März 2020 zu berücksichtigen. Sie konstatiert eine widerlegliche Vermutung zugunsten des Mieters. Sie besagt, dass eine schwerwiegende Veränderung der Geschäftsgrundlage i.S.d. § 313 Abs. 1 BGB dann vorliegt, wenn die Verwendbarkeit des Mietobjekts als Folge einer staatlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie nicht mehr gegeben oder nur erheblich eingeschränkt möglich ist. Letzteres ist von Bedeutung bei Zugangsbeschränkung etwa der Art, dass pro Kunde eine gewisse Mindestfläche gefordert wird. Dies wird auch in der Gesetzesbegründung aufgegriffen. Danach besteht „eine erhebliche Einschränkung […] zum Beispiel regelmäßig in einer staatlichen Vorgabe, nur einen bestimmten Teil der Ladenfläche für Publikumsverkehr zu nutzen oder die Anzahl der Personen zu beschränken, die sich auf einer bestimmten Fläche aufhalten dürfe“.

Die Vermutungsregelung greift jedoch nur hinsichtlich der ersten Voraussetzung widerleglich, dass sich die Geschäftsgrundlage des Mietvertrages schwerwiegend verändert hat. Hinsichtlich der weiteren Voraussetzungen hilft sie ihm nicht weiter. Im Streitfall trägt auch der Mieter, der sich auf die Regelung beruft, die Beweislast für das Vorliegen dieser schwerwiegenden Veränderung, d.h. er muss sein Anpassungsverlangen entsprechend begründen, will er damit nicht scheitern.

Die zweite Voraussetzung (hypothetisches Element) wird leicht zu bejahen sein. Denn der Mieter hätte bei Kenntnis der oder Vorhersehbarkeit der Covid-19-Pandemie den Vertrag mit anderem Inhalt geschlossen.

Von der Vermutungsregelung ebenfalls nicht erfasst wird die dritte Voraussetzung (normatives Element). Danach kommt es darauf an, ob einem Vertragsteil das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Berücksichtigt werden dabei alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere die vertragliche und gesetzliche Risikoverteilung. Die Unzumutbarkeit stellt hier die höchste Hürde dar, war doch in der Vergangenheit häufig eine Existenzgefährdung der betroffenen Partei erforderlich. Eine Anpassung wäre danach geboten, wenn das Festhalten am unveränderten Vertrag zu einem untragbaren, mit Recht und Gesetz schlechthin nicht mehr tragbaren Ergebnis führen würde. Die Hürden für eine Vertragsanpassung waren in der Vergangenheit daher sehr hoch. Ein Abstellen alleine auf eine Existenzgefährdung ist jedoch auch kritikwürdig, da diese allein Umstände in der Person des Mieters aufgreift, während das Gesetz insbesondere auf die gesetzliche und vertragliche Risikoverteilung abstellt.

Bei alledem darf jedoch auch die Zumutbarkeit für den Vermieter nicht außer Acht gelassen werden. Dieser wird selbst häufig nicht von staatlichen Hilfsleistungen profitieren, insbesondere nicht von Kurzarbeitergeld.

Beurteilung durch die Gerichte

Schon vor dieser Klarstellung durch den Gesetzgeber gab es zahlreiche Auseinandersetzungen vor den Gerichten, ob und inwieweit eine Änderung der Geschäftsgrundlage gegeben ist, die zur Herabsetzung der Miete durch den Mieter berechtigt. Aktuell haben mit Urteilen vom 24.02.2021 das OLG Dresden (Az. 5 U 1782/20) und das OLG Karlsruhe (Az.: 7 U 109/20) hierzu entschieden und sind zu entgegengesetzten Ergebnissen gekommen. Die Sachverhalte betrafen den ersten Lockdown im Frühjahr, wobei von ihnen die oben angesprochene Gesetzesänderung berücksichtigt worden ist.

Urteil des OLG Dresden vom 24.02.2021 – 5 U 1782/20

Das OLG Dresden hat mit vorgenanntem Urteil einem Gewerberaum-Mieter die Anpassung der Miete um 50 % zugesprochen. Damit muss dieser für den Zeitraum der staatlich angeordneten Schließung seines Geschäfts nur die halbe Miete zahlen.

Es lehnte zwar einen Mietmangel ab, bejahte jedoch eine Störung der Geschäftsgrundlage. Danach liegt eine Störung der Geschäftsgrundlage vor, die regelmäßig zur Anpassung des Mietvertrages gemäß § 313 Abs. 1 BGB führt, wenn die staatlich angeordnete Schließung über einen Monat andauert. Eine kürzere Schließung wäre danach noch nicht gravierend genug, um eine Nachjustierung zu rechtfertigen.

Danach kann das Risiko einer Schließungsanordnung aufgrund einer Pandemie, die mit weitgehenden staatlichen Eingriffen in das soziale und wirtschaftliche Leben einhergeht, nicht einer Partei zugeordnet werden. Dies stelle als Systemkrise eine Störung der Geschäftsgrundlage dar. Von der vertraglichen Risikozuweisung wird deshalb dieses von den Vertragsparteien nicht vorhergesehene und die Geschäftsgrundlage des Vertrages betreffende Geschehen nicht erfasst.

Auch das normative Element der Unzumutbarkeit wird vom OLG Dresden bejaht. Mieterfreundlich ist auch, dass im Rahmen der Prüfung der Unzumutbarkeit, diese für den Mieter nicht erst dann angenommen wird, wenn der Mieter dadurch in eine existenzgefährdende Lage gerät. Schließlich bezieht sich die Unzumutbarkeit auf die Äquivalenzstörung zwischen überlassenem Mietobjekt einerseits und der dafür zu zahlendenden Miete andererseits.

Ob bei dieser Betrachtung staatliche Zahlungen an Vermieter oder Mieter aus Anlass der Pandemie (Coronahilfen) zu berücksichtigen sind, konnte das OLG im entschiedenen Fall offenlassen.

Urteil des OLG Karlsruhe vom 24.02.2021 – 7 U 109/20

Nach Ansicht des taggleichen Urteils des OLG Karlsruhe, das eine Störung der Geschäftsgrundlage ablehnte, liegt das Risiko einer Geschäftsschließung im konkreten Fall beim Mieter. Danach kommt zwar eine Anpassung des Vertrags grundsätzlich in Betracht. Voraussetzung dafür ist nach Auffassung des OLG, dass ohne Vertragsanpassung es zu einer Vernichtung seiner Existenz kommen oder sein wirtschaftliches Fortkommen zumindest schwerwiegend beeinträchtigt werden würde und auch die Interessenlage des Vermieters eine Vertragsanpassung erlaubt.

Auch sollen im Rahmen der zu würdigenden Gesamtumstände der Rückgang der Umsätze, mögliche Kompensation durch Online-Handel, öffentliche Leistungen, ersparte Aufwendungen, z.B. durch Kurzarbeit oder Vermögenswerte durch nicht verkaufte und noch verkaufbare Ware zu berücksichtigen sein.

Aber auch nach den Grundsätzen der Entscheidung des OLG Karlsruhe kommt eine Anpassung des Vertrages grundsätzlich in Frage, wenn die möglichen Kompensationen die Unzumutbarkeit nicht beseitigen.

Zugangsbeschränkungen

Wie es sich mit Zugangsbeschränkungen (bestimmte Mindestfläche je Kunde) verhält, wird nur am Rande im Rahmen des abgelehnten Sachmangels vom OLG Dresden erörtert. Dies wird in Teilen der Literatur jedoch auch befürwortet. Die oben dargestellte Gesetzesbegründung unterstützt diese Annahme ebenfalls.

Kündigung gemäß § 313 Abs. 3 BGB wegen Wegfall der Geschäftsgrundlage

Der BGH hat bisher offengelassen, ob neben den mietrechtlichen Kündigungsregelungen für § 313 Abs. 3 S. 2 BGB ein Anwendungsbereich verbleibt. Eine Kündigung des Mietvertrages gemäß § 313 Abs. 3 BGB ist jedoch nur als Ultima Ratio möglich und generell der Vertragsanpassung nachrangig. Die Vertragsanpassung geht deshalb einer Kündigung vor.

Ein Kündigungsgrund wäre nur dann gegeben, wenn dem Mieter auch ein Festhalten am geänderten Vertrag unzumutbar ist. Das dürfte bei einem Dauerschuldverhältnis, wie einem langfristig abgeschlossenem Mietvertrag, in der Regel nicht gegeben sein, wenn sich die Schließungsanordnung nur auf einen Zeitraum von wenigen Monaten beschränkt. Insofern ist die Beeinträchtigung nur vorrübergehend. Anders könnte dies aber im Einzelfall bei z.B. Fitnessstudios sein, bei denen nicht absehbar ist, wann diese wieder öffnen dürfen. Dabei könnte auch die (Rest-)Laufzeit des Vertrags eine Rolle spielen. Auch die Verweigerung der Vertragsanpassung durch den Vermieter führt nicht zu einem Kündigungsrecht, da die Vertragsanpassung einklagbar ist.

Zusammenfassung und Empfehlung

Anders als bei den Maßnahmen zum Schutz der Mieter im Frühjahr 2020 führt eine Vertragsanpassung nicht nur zu einer faktischen Stundung der Miete, sondern der Mieter schuldet nur die herabgesetzte Miete. Umgekehrt hat der Vermieter keinen weitergehenden Zahlungsanspruch. Es kommt also nicht zu einer späteren Nachzahlung der Miete. Sie ist für den Vermieter verloren.

Wie jedoch die beiden OLG Urteile zeigen, wird auch nach Berücksichtigung der Gesetzesänderung die Zumutbarkeit unterschiedlich beurteilt. Während das OLG Karlsruhe für die Unzumutbarkeit am Festhalten des bisherigen Vertrags schwerpunktmäßig auf die (finanziellen) Folgen und Kompensationsmöglichkeiten beim Mieter abstellt, konzentriert sich das OLG Dresden auf die gesetzliche und vertragliche Risikoverteilung und hat das Risiko der Pandemie keiner Partei zugeordnet. Da gesetzgeberische Absicht auch die Stärkung der Verhandlungsposition der Mieter war, scheint das Urteil des OLG Karlsruhe sehr restriktiv, was jedoch auch den Umständen des Einzelfalls geschuldet war.

Andererseits sieht das OLG Karlsruhe auch die Interessenlage des Vermieters und stellt darauf ab, ob auch dem Vermieter die Vertragsanpassung zuzumuten ist. In der Tat stellt sich infolge einer solchen Vertragsanpassung die Frage, ob und wann die Vertragsanpassung für die Vermieter unzumutbar sein kann. Dieser hat die Immobilie möglicherweise auch finanziert. Soweit er Zinsen und Tilgung nicht mehr vollständig bedienen könnte, ist dann die Vertragsanpassung unzumutbar oder betrifft dies das Vertragsverhältnis mit der finanzierenden Bank?

Es bleibt damit festzuhalten, dass eine generelle Aussage nicht getroffen werden kann, ob ein Anspruch auf Herabsetzung der Miete besteht. Maßgeblich sind immer die Umstände des Einzelfalls, die es in den Blick zu nehmen gilt. Nach unserer Auffassung sprechen aber gute Gründe für eine Anpassung der Miete, die anhand des jeweiligen Einzelfalls zu prüfen sind. Ein entsprechendes Verlangen des Mieters muss jedoch sorgfältig begründet werden, will er damit nicht scheitern.

Umgekehrt dürfen auch die Folgen für die Vermieter nicht ausgeblendet werden. Eine einvernehmliche Lösung durch die Parteien hilft erhebliche Prozesskosten zu vermeiden.

Abschließend bleibt darauf hinzuweisen, dass Vorstehendes nicht auf Ladengeschäfte beschränkt ist, sondern sich auch auf betroffene Büromieter oder Sportstätten, etc. bezieht, soweit sie von Schließungsanordnungen betroffen sind oder waren.

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