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Keine erweiterte Kür­zung bei Über­lassung von Gewerbe­räumen an Ge­sellschafter

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 29.06.2022 entschieden, dass auch die Überlassung relativ unwesentlichen Grundbesitzes an eine mit nur etwa 1/6000 beteiligte Genossin, den diese für ihren Gewerbebetrieb nutzt, der Anwendung der erweiterten Kürzung des Gewerbeertrags bei der Genossenschaft entgegen steht. Unerheblich für die Versagung der erweiterten Kürzung ist auch, dass der vom Betrieb der Genossin erzielte Gewerbeertrag den Freibetrag des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG in Höhe von EUR 24.500 nicht erreicht.

Sachverhalt

In vorliegendem Fall vermietete die Klägerin, eine Genossenschaft, ausschließlich Wohnungen und gewerblich genutzte Flächen. Eine ihrer gewerblichen Mieterinnen betrieb in dem überlassenen Grundbesitz ab 2012 ein Einzelhandelsgeschäft. Der Gewinn des Gewerbes lag regelmäßig unter EUR 24.500, d.h. unter dem gewerbesteuerlichen Freibetrag des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG.

Um zusätzlich zu dem Ladengeschäft auch eine Wohnung für sich anmieten zu können, erwarb die Mieterin 2014 einen Anteil an der Genossenschaft, da letztere entsprechend ihrer Satzung Wohnungen „in erster Linie“ an ihre ca. 6.000 Mitglieder vermietet. Im Folgejahr wurde der Mieterin – jetzt mit 0,0168 % an der Genossenschaft beteiligt – die angestrebte Wohnung von der Klägerin überlassen.

Im Anschluss an eine Betriebsprüfung lehnte das beklagte Finanzamt die von der Klägerin laufend gestellten Anträge auf die sogenannte erweiterte Kürzung ihres Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ab. Das gesetzliche Ausschlussmerkmal des „Dienens“ des Grundbesitzes für Zwecke des Gewerbebetriebs einer Genossin gemäß § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG sei objektiv erfüllt, auch wenn die Genossin lediglich eine „Mini-Beteiligung“ halten würde.

Die Einsprüche der Klägerin gegen die entsprechenden Gewerbesteuermessbescheide 2014 bis 2016 lehnte die Beklagte als unbegründet ab. Die anschließende Klage beim Finanzgericht (FG) war hingegen erfolgreich. Dieses entschied, dass die erweiterte Kürzung zu gewähren sei, da die Genossin zum einen nur geringfügig beteiligt sei und ihr Unternehmen zum anderen selbst keine Gewerbesteuerbelastung zu tragen gehabt habe. Bei einer, wie im vorliegenden Fall gearteten „Bagatellbeteiligung“ bedürfe § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG nach Ansicht des FG einer Einschränkung.

Urteil des BFH

Mit Urteil vom 29.06.2022 (III R 19/21) hob der BFH die Entscheidung der Vorinstanz wieder auf und wies die Klage ab. Das FG habe zu Unrecht angenommen, dass der Klägerin die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 5 GewStG zu gewähren sei.

Die Inanspruchnahme der erweiterten Kürzung sei gemäß § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG ausgeschlossen, wenn der Grundbesitz ganz oder zum Teil dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters oder Genossen diene. Der Versagung der erweiterten Kürzung steht nicht entgegen, dass die Klägerin ca. 6.000 Genossen habe und die betragsmäßige Beteiligung und der Stimmenanteil der Mieterin äußerst geringfügig sei. Es komme nicht darauf an in welchem Umfang ein Gesellschafter oder Genosse an der Grundstücksgesellschaft beteiligt sei.

Ebenso ist die Nichtanwendbarkeit des § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG nicht daraus ableitbar, dass die Klägerin nur einen äußerst geringen Teil ihres Grundbesitzes an die Mieterin überlassen habe. Dem Wortlaut des Gesetzes sei weder für den Umfang der Beteilung noch für den Anteil des einem Gesellschafter oder Genossen überlassenen Grundbesitzes unschädliche „Bagatellgrenzen“ zu entnehmen.

Von der Anwendung des § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG sei auch nicht abzusehen, weil die Mieterin lediglich einen unter dem Freibetrag des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG liegenden Gewerbeertrag erzielt habe. Dies sei nicht vergleichbar mit für die Anwendung der erweiterten Kürzung unschädlichen Fällen, in denen ein Gesellschafter oder Genosse mit den gesamten (positiven wie negativen) Einkünften von der Gewerbesteuer befreit sei.

Praxishinweis

Der BFH orientiert sich bei seiner Rechtsprechung zur erweiterten Grundstückskürzung also weiterhin strikt am Gesetzeswortlaut. Das dies, wie in vorliegendem Fall zu „mitunter als unbillig empfundenen Ergebnissen“ führen könne, verkennt der BFH dabei nicht. Abhilfe könne nach Aussage des Gerichts aber nur der Gesetzgeber schaffen, wie dies z.B. bereits im Hinblick auf das Ausschließlichkeitsgebot des § 9 Abs. 1 Satz 2 GewStG durch das Fondsstandortgesetz geschehen sei (vgl. § 9 Nr. 1 Satz 3 GewStG n.F.). Die Neufassung definiert für bestimmte Einnahmen, wie bspw. solche im Zusammenhang mit dem Betrieb von Anlagen zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, eine Unschädlichkeitsgrenze in Höhe von 10 % der Einnahmen aus der Gebrauchsüberlassung des Grundbesitzes.

Somit hat der Steuerpflichtige trotz der jüngsten praxisnahen Erleichterungen bei den „schädlichen Tätigkeiten“ weiterhin besonderes Augenmerk bei der Inanspruchnahme der erweiterten Kürzung walten zu lassen. Selbst minimale Abweichungen von den gesetzlichen Kriterien ziehen entsprechend der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine gänzliche Versagung der Anwendung von § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nach sich.

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