Der BFH hat entschieden, dass eine zum rückwirkenden Entfallen der sogenannten Wegzugsbesteuerung führende nur vorübergehende Abwesenheit im Sinne des § 6 Abs. 3 Satz 1 AStG a.F. keine subjektive Rückkehrabsicht bereits im Zeitpunkt des Wegzugs erfordert. Eine tatsächliche Rückkehr in die unbeschränkte Steuerpflicht innerhalb des gesetzlichen bestimmten Zeitraums sei vielmehr ausreichend. Das Urteil sollte auf die aktuelle Fassung des § 6 Abs. 3 AStG übertragbar sein.
Sachverhalt
Dem Urteil des BFH vom 21.12.2022 (I R 55/19) liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: Der Kläger (eine natürliche Person) hat im Streitjahr 2014 seinen deutschen Wohnsitz sowie seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland aufgegeben und ist in die Vereinigten Arabischen Emirate verzogen. Zu diesem Zeitpunkt hielt der Kläger Beteiligungen an Kapitalgesellschaften im Sinne des § 17 EStG, weshalb das Finanzamt fiktive Veräußerungsgewinne nach § 17 EstG i.V.m. § 6 Abs. 1 AStG a.F. ermittelte und im Streitjahr besteuerte („Wegzugsbesteuerung“).
Der Kläger kehrte zwei Jahre nach seinem Wegzug wieder nach Deutschland zurück und wurde unstrittig wieder unbeschränkt steuerpflichtig. Daraufhin begehrte er eine Rückausnahme der Wegzugsbesteuerung, da er nur „vorübergehend“ im Sinne des § 6 Abs. 3 Satz 1 AStG a.F. abwesend gewesen wäre. In diesem Fall wäre die Wegzugbesteuerung nicht einschlägig gewesen bzw. müsse rückwirkend wieder entfallen. Das Finanzamt verneinte allerdings die Rückausnahme, da es an der entsprechend der geltenden Verwaltungsmeinung notwendigen Glaubhaftmachung eines Rückkehrwillens bereits im Zeitpunkt des Wegzugs fehlen würde (vgl. BMF-Anwendungserlass zum AStG vom 14.05.2004, dort Tz. 6.4.1; sogenannte subjektive Theorie).
Urteil des BFH
Der BFH hat in seinem Urteil die Meinung des Finanzamts und damit der Finanzverwaltung zurückgewiesen. Für das Entfallen der Wegzugsbesteuerung sei die fristgemäße Rückkehr des Steuerpflichtigen in den Fällen ausreichend, in denen die Rückkehr innerhalb der gesetzlich bestimmten Frist erfolgt (sogenannte objektive Theorie). Im Streitjahr betrug diese entsprechend § 6 Abs. 3 Satz 1 AStG a.F. fünf Jahre und war damit unstrittig eingehalten.
Der BFH führt aus, dass man aus dem Tatbestandsmerkmal der „lediglich vorübergehenden Abwesenheit“ das Erfordernis einer Rückkehrabsicht zwar ableiten können, allerdings habe der Gesetzgeber in der Vorschrift nicht bestimmt, wann sich der Steuerpflichtige zu diesem Schritt zu entscheiden habe. Vielmehr werde erst in § 6 Abs. 3 Satz 2 AStG a.F. eine solche „Rückkehrabsicht“ für den Verlängerungszeitraum verlangt. Somit könne der Rückkehrwille nach § 6 Abs. 3 Satz 1 AStG a.F. nach Ansicht des BFH durchaus im Laufe des gesetzlichen Rückkehrzeitraums gebildet werden. Damit würde die tatsächliche (fristgerechte) Rückkehr eine ursprünglich bestehende Rückkehrabsicht ausreichend indizieren.
Übertragbarkeit auf § 6 Abs. 3 Satz 3 AStG n.F.
Das Urteil erging aufgrund des Streitjahres 2014 zum in der damaligen Fassung gültigen § 6 Abs. 3 AStG a.F. Durch das ATADUmsG vom 25.06.2021 (BGBl. I 2021, S. 2035) wurde die streitgegenständliche Rückkehrregelung allerdings im Wortlaut nicht geändert. Die Grundsätze des Urteils sollten daher auch auf Fälle der aktuellen Fassung des § 6 AStG übertragbar sein. Da der gesetzliche Rückkehrzeitraum zwischenzeitlich allerdings auf grundsätzlich sieben Jahre verlängert wurde (§ 6 Abs. 3 Satz 1 AStG n.F.), wäre also die Rückkehr in die unbeschränkte Steuerpflicht innerhalb von sieben Jahren nach Wegzug ausreichend, um eine fiktive Veräußerungsbesteuerung nach § 17 EstG i.V.m. § 6 Abs. 1 AStG rückwirkend zu vermeiden.
Fazit
Die von der Finanzverwaltung bisher geforderte subjektive Rückkehrabsicht bereits im Zeitpunkt des Wegzugs ist nach Ansicht des BFH dann nicht erforderlich, wenn der Steuerpflichtige innerhalb des gesetzlich definierten Rückkehrzeitraums wieder unbeschränkt steuerpflichtig wird. Ob und wenn ja, wie die Finanzverwaltung auf das zu ihrer Meinung konträre Urteil reagiert bleibt abzuwarten.