Kapitalgesellschaften kann Kapital in Form von Genussrechten zur Verfügung gestellt werden. Mit dem BMF-Schreiben IV C 6 – S 2133/19/10004 :002 vom 11.04.2023 widmet sich die Finanzverwaltung in diesem Zusammenhang Fragen der Abgrenzung zwischen Eigen- und Fremdkapital.
Für die ertragsteuerliche Behandlung von Genussrechtskapital trifft das BMF mit Schreiben vom 11.04.2023 (IV C 6 – S 2133/19/10004 :002) folgende Regelungen.
I. Definition von Genussrechtskapital
Genussrechte werden dem Gläubiger im Zusammenhang mit einer Kapitalüberlassung eingeräumt. Eine Genussrechtsvereinbarung darf jedoch keine gesellschaftsrechtlich geprägten mitgliedschaftlichen Verwaltungsrechte vermitteln. Genussrechte gewähren kein Einflussnahmerecht auf die Geschäftsführung und beinhalten regelmäßig kein Kontrollrecht, kein Stimmrecht und kein Anwesenheitsrecht in der Gesellschafterversammlung. Typischerweise beinhaltet eine Genussrechtsvereinbarung jedoch Regelungen zum Umfang der Vermögensrechte, zur Verlustbeteiligung, zu Laufzeit und Kündigungs-, Informations- und Kontrollrechten und häufig zum Rangrücktritt.
Abgrenzung zur stillen Gesellschaft: Die stille Gesellschaft ist eine Gesellschaft im Sinne von § 705 BGB. Eine stille Gesellschaft erfordert daher die Förderung eines gemeinsamen Zwecks von stillen Beteiligten und Inhaber des Handelsgeschäfts, der über eine bloße Kapitalhingabe hinausgeht. Wurde im Rahmen der Kapitalüberlassung kein gemeinsamer Zweck vereinbart, indiziert dies, dass es sich bei der Vereinbarung um Genussrechtskapital und nicht um eine stille Gesellschaft handelt.
Abgrenzung zum partiarischen Darlehen: Das partiarische Darlehen kennzeichnet eine Beteiligung am ökonomischen Erfolg des Darlehensempfängers, nicht jedoch am Verlust. Wurde hingegen im Rahmen der Kapitalüberlassung auch eine Verlustbeteiligung vereinbart und liegt kein gemeinsamer Zweck vor, indiziert dies, dass es sich bei der Vereinbarung um Genussrechtskapital und nicht um ein partiarisches Darlehen handelt.
II. Abgrenzung von Fremd- und Eigenkapital in der Steuerbilanz
Die Abgrenzung von Fremd- und Eigenkapital ist nicht zuletzt deshalb von Bedeutung, da Vergütungen für die Zurverfügungstellung von Fremdkapital als Betriebsausgaben abzugsfähig sind.
Wird einer Kapitalgesellschaft von einem fremden Dritten Kapital im Rahmen eines schuldrechtlichen Kapitalüberlassungsverhältnisses zugeführt, handelt es sich steuerlich stets um Fremdkapital. Wird dieses Kapital von ihrem Anteilseigner oder einer dem Anteilseigner nahestehenden Person zugeführt, ist zu unterscheiden, ob das Kapital als Fremdkapital oder als Eigenkapital in das Vermögen der Kapitalgesellschaft gewährt wurde. Entscheidend für die steuerbilanzielle Einordnung als Fremdkapital ist die Frage, ob eine Rückzahlung ernsthaft gewollt ist und verpflichtend ist.
Ist Genussrechtskapital nach oben genannten Vorschriften als Fremdkapital einzuordnen, so ist darüber hinaus Folgendes zu beachten:
- Die Vorschrift des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG
Nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG sind Ausschüttungen jeder Art auf Genussrechtskapital nicht als Betriebsausgaben abziehbar. Die Anwendung dieser Vorschrift setzt die Einordnung von Genussrechtskapital als Fremdkapital voraus. Die Vorschrift an sich stellt allerdings keine Bilanzierungsvorschrift, sondern eine Vorschrift der Einkommensermittlung dar. - Handelsbilanzielle Einordnung
Handelsbilanziell erfolgt die Einordnung von Genussrechtskapital auf Basis der Verlautbarung des IDW/HFA 1/94. Entscheidend sind danach folgende Kriterien: Nachrangigkeit der Kapitalüberlassung gegenüber den anderen Gläubigern, Erfolgsabhängigkeit der Vergütung, Teilnahme am Verlust bis zur vollen Höhe des überlassenen Kapitals und Langfristigkeit der Kapitalüberlassung:
- Nachrangigkeit der Kapitalüberlassung gegenüber den anderen Gläubigern,
- Erfolgsabhängigkeit der Vergütung,
- Teilnahme am Verlust bis zur vollen Höhe des überlassenen Kapitals und
- Langfristigkeit der Kapitalüberlassung.
- Gewährung in der Krise
Auch wenn Genussrechtskapital in der Krise gewährt wird, kann Fremdkapital vorliegen. Liegt keine ernsthaft gemeinte Rückzahlungsverpflichtung vor, liegt bereits im Zeitpunkt der Gewährung des Genussrechtskapitals eine verdeckte Einlage vor. - Wandlungs- oder Optionsrechte
Die Einräumung von Wandlungs- oder Optionsrechten allein spricht nicht gegen die Einordnung als Fremdkapital. Auch eine Vereinbarung zur Erfüllung der Rückzahlungsverpflichtung durch die Gewährung von Gesellschaftsanteilen ändert nicht die Einordnung als Fremdkapital. Die steuerrechtliche Umqualifizierung in Eigenkapital erfolgt daher grundsätzlich erst ab dem Zeitpunkt der Ausübung des Wandlungs- oder Optionsrechts mit Wirkung für die Zukunft.
III. Bilanzierung einer Verbindlichkeit
Soweit einer Kapitalgesellschaft Genussrechtskapital überlassen worden ist und dieses als Fremdkapital zu qualifizieren ist, ist dieses grundsätzlich in der Steuerbilanz als Verbindlichkeit auszuweisen.
Im Ausnahmefall ist eine Verbindlichkeit nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung jedoch nicht (mehr) zu passivieren, wenn sie keine wirtschaftliche Belastung am Bilanzstichtag darstellt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls mit einer Geltendmachung der Forderung durch den Gläubiger mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht (mehr) zu rechnen ist.
Gemäß § 5 Absatz 2a EStG darf für eine Verpflichtung, die nur zu erfüllen ist, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen, eine Verbindlichkeit oder Rückstellung erst dann angesetzt werden, wenn die Einnahmen oder Gewinne angefallen sind. So ist eine Genussrechtsverbindlichkeit, die nur aus künftigen Einnahmen oder Gewinnen erfüllt werden muss, mangels gegenwärtiger wirtschaftlicher Belastung am Bilanzstichtag nicht in der Bilanz auszuweisen.
Folgen des fehlenden Ansatzes einer Verbindlichkeit
Der Zugang des Kapitals oder der Wegfall der in der Steuerbilanz als Verbindlichkeit angesetzten Rückzahlungsverpflichtung führt steuerbilanziell zu einem Ertrag. Beruht der hierdurch ausgelöste Wegfallgewinn auf dem Gesellschaftsverhältnis, ist er durch den Ansatz einer Einlage in Höhe des werthaltigen Teils der betroffenen Forderungen zu neutralisieren. Eine Korrektur des Ertrags erfolgt nicht, wenn Genussrechtskapital durch fremde Dritte gewährt wurde, da keine Verursachung durch das Gesellschaftsverhältnis vorliegt. Lebt die Darlehensverbindlichkeit in der Zukunft wieder auf, ist der aus diesem Vorgang entstehende Aufwand zu neutralisieren.
IV. Zahlungen auf Genussrechtskapital
Vergütungen für Genussrechtskapital, welches steuerbilanziell als Fremdkapital einzuordnen ist, sind als Betriebsausgaben abzugsfähig.
Ausschüttungen auf Genussrechte dürfen hingegen das Einkommen nicht mindern. Dies gilt dann, wenn mit dem Genussrecht eine Beteiligung am Gewinn oder am Liquidationserlös verbunden ist. Siehe auch oben.
Das Merkmal „Beteiligung am Gewinn“ ist weit auszulegen. Dabei muss es sich um eine Erfolgsbeteiligung handeln, wie z.B. am Jahresüberschuss, dem Bilanzgewinn, dem ausschüttungsfähigen Gewinn, EBIT oder EBITDA. Keine Beteiligung am Gewinn liegt jedoch vor, wenn die Vergütung abhängig vom Ergebnis einer bestimmten Unternehmenssparte (tracking-stock), von einzelnen Wirtschaftsgütern oder anderen Konzerngesellschaften erfolgt. Eine Beteiligung an Verlusten der Kapitalgesellschaft ist nicht erforderlich.
Eine Beteiligung am Liquidationserlös liegt nicht bereits vor, wenn das Genussrechtskapital lediglich nominal anlässlich der Liquidation zurückzuzahlen ist. Die Beteiligung am Liquidationserlös ist anzunehmen, wenn dem Genussrechtsinhaber aufgrund der getroffenen Vereinbarungen anlässlich der Liquidation der Kapitalgesellschaft über die Rückzahlung des Genussrechtskapitals hinaus auch ein Recht auf eine zumindest teilweise Beteiligung an den stillen Reserven eingeräumt wurde.
In den Randnummern 34 bis 36 widmet sich das BMF weiter der Frage, was bei der Bilanzierung der Wandlung einer Darlehensforderung in ein Genussrecht (Debt-Mezzanine-Swap) zu beachten ist.