Mit dem Beschluss vom 28.07.2023 hat das Bundesverfassungsgericht das Vorlageverfahren des Finanzgerichts Köln für unzulässig erklärt. Das Verfahren betrifft die Frage, ob der im Einkommensteuergesetz (EStG) vorgesehene Ansatz eines Rechnungszinsfußes von 6 % zur Ermittlung der Pensionsrückstellung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vereinbar ist.
Abweichende Zinssätze in Handels- und Steuerbilanz
Zur Ermittlung der Pensionsrückstellung ist nach § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG unter anderem ein starrer Rechnungszinsfuß von 6 % anzuwenden. Hierbei unterscheidet sich die steuerrechtliche Vorschrift von den Vorgaben für die Handelsbilanz, deren Bewertungsvorschrift in § 253 Abs. 2 HGB keinen starren, sondern einen dynamischen, „atmenden“ Rechnungszinsfuß vorsieht. Dieser betrug im gegenständlichen Streitjahr (2015) 3,89 %.
Vorlage des FG Köln an das BVerfG
Im Oktober 2017 setzte das FG Köln die zugrundeliegende Finanzstreitsache aus und legte dem Bundesverfassungsgericht die Frage vor, ob § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung mit der Verfassung vereinbar ist. Das FG Köln hält die Vorschrift insoweit für verfassungswidrig, als dass darin ein Rechnungszinsfuß von 6 % angeordnet wird. Dies sei nach Auffassung der FG mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) unvereinbar.
Das FG Köln sieht Art. 3 Abs. 1 GG unter zwei Gesichtspunkten verletzt. Zum einen macht das Vorlagegericht eine Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem geltend. Da Steuerpflichtige unabhängig von der individuellen Rendite beziehungsweise den Verschuldungskonditionen gleichbehandelt werden, da „der Zinsvorteil der späteren Steuerzahlung einheitlich mit 6 % typisiert werde. Zum anderen führe § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG zu einer Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem, da Pensionsrückstellungen gegenüber anderweitigem Aufwand ungleich behandelt würden, soweit dieser entsprechend der tatsächlichen wirtschaftlichen Verursachung voll abzugsfähig sei (Verstoß gegen das Realisationsprinzip)
Keine Ungleichbehandlung mit Blick auf Realisationsprinzip
In seinem Beschluss vom 28.07.2023 erschließt sich dem Bundesverfassungsgericht nicht, warum Unternehmen, die Pensionsrückstellungen bilden, mit all jenen Unternehmen vergleichbar sein sollen, „die sich an das Realisationsprinzip halten müssen“. In steuerlicher Hinsicht wird durch Rückstellungen der gewinnmindernde Aufwand zeitlich vor dem tatsächlichen Zahlungsmittelabfluss geltend gemacht. In der Handelsbilanz vorgenommene Rückstellungen begründen keine zwingenden Vorgaben für die Steuerbilanz.
Vorwurf der Willkür greift nicht
Auch den zweiten Begründungsansatz des FG Kölns folgt das Bundesverfassungsgericht nicht. Die Vorlage des FG lege eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG nicht nach den aufgezeigten Maßstäben dar. Insbesondere auf die gebotene Auseinandersetzung mit den Maßstäben zur Beurteilung des in § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG festgelegten Rechnungszinsfußes wird nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts in der Vorlage vermisst, die das Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung vom 28.11.1984 zugrunde gelegt habe.
Den Vorwurf der Willkür gegen § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG erhebt das FG allein insoweit, als sich kein einleuchtender Grund (mehr) für den Rechnungszinsfuß von 6 % finde. Dabei legt das Vorlagengericht bereits den Bezugspunkt für eine realitätsgerechte Typisierung nicht den Anforderungen entsprechend dar. Es erschließt sich aus der Vorlageentscheidung dem Bundesverfassungsgericht nicht, warum der Rechnungszinsfuß spätere Zinserträge oder den Zinsvorteil durch spätere Steuerzahlung typisieren müsste.
Ergebnis
Mit seinem Beschluss vom 28.07.2023 hat das Bundesverfassungsgericht zwar nicht explizit die Richtigkeit oder Angemessenheit des Zinssatzes von 6 % für die steuerliche Bewertung der Pensionsrückstellungen bestätigt. Das musste das Gericht allerdings auch nicht, da das Gericht die vom FG Köln vorgebrachten, nach Ansicht des FG Köln gegen das Grundgesetz verstoßenden Aspekte, nicht teilt und daher das Vorlageverfahren für unzulässig erklärt hat.
Im Ergebnis ist daher der Bewertungszinssatz von 6 % für die Bewertung von Pensionsrückstellungen nach § 6a EstG weiterhin gültig. Dies enttäuscht sicherlich viele Steuerpflichtige, die sich eine Abkehr von dem starren Zinssatz hin zu einem niedrigeren Zinssatz gewünscht hätten. Es steht natürlich dem Gesetzgeber frei, den Zinssatz künftig anzupassen. Dass eine derartige gesetzgeberische Änderung angesichts der damit verbundenen Steuermindereinnahmen und des aktuell steigenden Zinsniveaus wahrscheinlich ist, muss allerdings zumindest bezweifelt werden.