Das Auseinanderfallen der Ampelkoalition wird aller Wahrscheinlichkeit nach die Auflösung des Bundestags nach dem Stellen der Vertrauensfrage durch den Bundeskanzler zur Folge haben. Damit stellt sich die Frage, wie es mit den geplanten und anstehenden Gesetzgebungsverfahren weitergeht.
Der Austritt der FDP aus der bisherigen Regierungskoalition hat zur Konsequenz, dass Deutschland gegenwärtig von einer rot-grünen Minderheitsregierung regiert wird. Der Bundeskanzler hat angekündigt, im Januar im Deutschen Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen, deren Ausgang aufgrund der fehlenden Mehrheit der eigenen Partei als wahrscheinlich ungünstig einzustufen ist. In diesem Fall ist der Bundespräsident gemäß Art. 68 Abs. 1 GG dazu befugt, den Deutschen Bundestag aufzulösen und Neuwahlen anzusetzen. Mit der Auflösung des Bundestages erlangen gemäß dem Grundsatz der Diskontinuität alle parlamentarischen Vorlagen, insbesondere Gesetzesvorlagen, über die noch nicht entschieden wurde, ihre Erledigung.
Für die laufenden Gesetzgebungsverfahren lässt sich dabei Folgendes festhalten:
Die beiden Gesetze, das Jahressteuergesetz (JStG) 2024 und das Gesetz zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums 2024, wurden bereits vom Deutschen Bundestag beschlossen (BR-Drs. 529/24 und 531/24). Die Gesetze bedürfen lediglich noch der Zustimmung des Bundesrates, um in Kraft zu treten. In seiner Sitzung am 22.11.2024 wird sich der Bundesrat mit beiden Gesetzen befassen. Da sich die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat nicht geändert haben und das JStG 2024 hauptsächlich aus fachlich notwendigen Regelungen besteht bzw. die steuerliche Freistellung des Existenzminimums verfassungsrechtlich geboten ist, ist eine Zustimmung wahrscheinlich. Der sogenannte Diskontinuitätsgrundsatz findet lediglich auf den Bundestag Anwendung und hat keinen Einfluss auf bereits verabschiedete Gesetze. Infolgedessen kann der Bundesrat auch nach einer Auflösung des Bundestages über die beiden beschlossenen Gesetze befinden.
Der Entwurf des „Steuerfortentwicklungsgesetzes (SteFeG)“ befindet sich derzeit in der ersten Lesung im Bundestag. Nach derzeitigem Stand wird der Entwurf im Finanzausschuss des Bundestages verhandelt. Die öffentliche Anhörung hat bereits stattgefunden. Bereits vor dem Ausscheiden der FDP aus der Koalition konnte unter den Koalitionsparteien keine Einigung über eine gemeinsame Beschlussempfehlung erzielt werden. Das Gesetz beinhaltet eine Reihe von steuerpolitischen Anliegen, die insbesondere auf die FDP zurückgehen, darunter die Erhöhung der Poolabschreibungsgrenzen und die Ausdehnung der Forschungszulage. Des Weiteren beinhaltet der Gesetzentwurf den erneuten Versuch der Einführung einer Mitteilungspflicht für nationale Steuergestaltungen, was es insbesondere für die Oppositionsparteien CDU/CSU, AfD und FDP schwierig erscheinen lässt, dem Vorhaben zuzustimmen. Des Weiteren beinhaltet das SteFeG die inflationsbedingten Anpassungen des Einkommensteuertarifs für die Jahre 2025 und 2026. Eine Verständigung des Finanzausschusses auf eine Reduktion des SteFeG auf diesen Inhalt erscheint als die bestmögliche Lösung. Es ist jedoch wahrscheinlicher, dass das SteFeG nicht mehr beschlossen wird.
Der Gesetzentwurf zur Modernisierung und Digitalisierung der Schwarzarbeitsbekämpfung wurde am letzten Tag der Ampelkoalition durch das Bundeskabinett beschlossen. Da das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren erst am Anfang steht, ist davon auszugehen, dass es nicht mehr vor der Auflösung des Bundestages beschlossen wird.
Des Weiteren sind das Zukunftsfinanzierungsgesetz II, das Gesetz zur Reform der steuerlich geförderten privaten Altersvorsorge (PAV-Reformgesetz) sowie das E-Fuels-only-Gesetz zu nennen, zu denen bislang lediglich die vom BMF veröffentlichten Referentenentwürfe vorliegen. Damit kann das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren nicht weiter verfolgt werden.
DAC8-Umsetzungsgesetz: Hierzu hat das BMF am 01.11.2024 einen Referentenentwurf veröffentlicht. Im Gegensatz zu den drei vorstehenden Gesetzesvorhaben zielt der Entwurf darauf ab, unionsrechtliche Vorgaben in nationales Recht umzusetzen. Es ist daher zu erwarten, dass der Entwurf auf Fachebene weiterentwickelt wird, um nach den nächsten Bundestagswahlen das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren zügig zu initiieren.
Gesetz zur Umsetzung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD): Im März 2024 veröffentlichte das Bundesministerium der Justiz (BMJ) den Referentenentwurf des Gesetzes zur Umsetzung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Im Juli 2024 folgte der Beschluss der Bundesregierung über den Regierungsentwurf, der im Anschluss zur Beratung an Bundestag und Bundesrat übermittelt wurde. Ende September 2024 fand die erste Lesung des Regierungsentwurfs im Bundestag statt, nach der dieser zur weiteren Prüfung an ausgewählte Ausschüsse verwiesen wurde.
Zuletzt hat sich am 16. Oktober 2024 der Rechtsausschuss mit dem CSRD-Umsetzungsgesetz befasst. In einer öffentlichen Anhörung forderten Vertreter aus Unternehmensverbänden, Wirtschaft und Gewerkschaften Nachbesserungen am Gesetzesentwurf.
Nach der Zustellung des Aufforderungsschreibens der Europäischen Kommission am 26. September 2024 hat Deutschland nun zwei Monate Zeit, um zu erläutern, warum die Umsetzung der CSRD bisher nicht erfolgt ist und die Umsetzung abzuschließen. Andernfalls wird die Europäische Kommission eine begründete Stellungnahme abgeben, in der der Verstoß erläutert und eine Frist zur Behebung gesetzt wird. Sollte die Umsetzung innerhalb dieser Frist nicht abgeschlossen sein, könnte die Kommission Klage beim Europäischen Gerichtshof einreichen.
Ob das Gesetzesvorhaben zur Umsetzung des Referentenentwurfs noch vor Jahresende abgeschlossen wird, bleibt eher fraglich.