Ein Treuhänder kann die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 1 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) erfüllen, wenn sich in seinen Händen erstmalig alle Anteile an einer grundstücksbesitzenden GmbH, unmittelbar oder mittelbar, vereinen. Dabei ist es unerheblich, ob der Treuhänder einen Teil der Anteile im Auftrag des Treugebers erwirbt. Dies entschied der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil vom 10. April 2024 (II R 34/21).
Sachverhalt und Streitfrage
Der Fall betraf die Frage, ob der Erwerb von mindestens 95 % der Anteile an einer grundstücksbesitzenden Y-GmbH durch einen Treuhänder im Jahr 2012 eine grunderwerbsteuerpflichtige Anteilsvereinigung im Sinne von § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG darstellt. Der Kläger hielt sowohl unmittelbar Anteile an der Y-GmbH als auch treuhänderisch für einen Treugeber, wobei die damalige 95-%-Grenze erst in der Zusammenschau der direkt wie auch treuhänderisch gehaltenen Anteile überschritten wurde. Der Kläger argumentierte, dass das bestehende Treuhandverhältnis, bei dem der Treuhänder Anteile im Auftrag des Treugebers erwarb, eine steuerpflichtige Anteilsvereinigung ausschließe, da die Anteile nicht als rechtlich „vereinigt“ anzusehen seien.
Da die Klage vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg keinen Erfolg hatte, wurde der Fall dem BFH vorgelegt.
Entscheidung des BFH
Der BFH bestätigte die Entscheidung des Finanzgerichts und stellte klar, dass ein Treuhänder als Erwerber im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG gilt, wenn er nach damaliger Rechtslage mindestens 95 % der Anteile einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft in seiner Hand vereint. Diese Regelung sieht vor, dass bei Vereinigung nahezu aller Gesellschaftsanteile in einer Hand ein steuerbarer Vorgang vorliegt, der die Grunderwerbsteuerpflicht auslöst.
Begründung
Der BFH stellte fest, dass die anteilsmäßige Vereinigung beim Treuhänder auch dann steuerlich relevant ist, wenn dieser die Anteile für den Treugeber hält. Die maßgebliche Bedingung ist, dass die Anteile zivilrechtlich beim Treuhänder liegen und eine rechtliche Anteilsvereinigung bewirken, selbst wenn die treuhänderisch gehaltenen Anteile wirtschaftlich dem Treugeber zuzurechnen sind.
Der BFH wies in diesem Zusammenhang auf seine bisherige Rechtsprechung hin, wonach eine Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG auch in den Fällen gegeben ist, in denen die Anteile teilweise unmittelbar und teilweise mittelbar in einer Hand vereinigt werden. Zudem bekräftigte der BFH, dass die steuerliche Behandlung eines Treuhänders, der im eigenen Namen für einen Treugeber handelt, die Steuerbarkeit nicht ausschließt, da der Treuhänder zivilrechtlich Gesellschafter wird und somit als direkter Erwerber anzusehen ist.
Einschränkungen der bisherigen Rechtsprechung
In seiner Urteilsbegründung verwies der BFH auch darauf, dass andere Entscheidungen zur Grunderwerbsteuer nicht unmittelbar auf diesen Fall anwendbar sind. Insbesondere verwies das Gericht auf frühere Entscheidungen zur mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands bei Personengesellschaften gemäß § 1 Abs. 2a GrEStG, die durch vertragliche Bindungen am Gesellschaftsanteil entstehen. Diese seien für den vorliegenden Sachverhalt nicht relevant, da sie andere Konstellationen betreffen und keine Aussage zur Grunderwerbsteuerpflicht eines Treuhänders bei einer Anteilsvereinigung machen.
Folgen für die Praxis und Fazit
Das Urteil des BFH verdeutlicht, dass eine grunderwerbsteuerliche Anteilsvereinigung auch dann vorliegen kann, wenn ein Treuhänder Anteile an einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft für einen Treugeber erwirbt und sich in seiner Hand mehr als 95 % (nach aktueller Rechtslage 90 %) der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft vereinen.
Das Urteil konkretisiert die grunderwerbsteuerliche Behandlung von Treuhandverhältnissen und betont die Bedeutung des zivilrechtlichen Eigentums der Anteile – unabhängig von den wirtschaftlichen Interessen des Treugebers.