In dem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 17.10.2024 (III R 1/23) entschied der BFH, dass eine Kapitalgesellschaft die erweiterte Grundstückskürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht beanspruchen kann, wenn sie ihren gesamten Grundbesitz einen Tag vor Ablauf des Erhebungszeitraums („zu Beginn des 31.12.“) verkauft.
1. Sachverhalt
Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin, eine GmbH, deren Gesellschaftszweck im Erwerb, der Verwaltung und dem Verkauf von Immobilien bestand, im November 2015 ein Geschäftsgrundstück erworben und dieses im November 2016 wieder veräußert. Der Verkaufsvertrag sah vor, dass Besitz, Nutzung und Gefahr am Beginn des 31.12.2016 auf den Käufer übergehen. Die Zahlung des Kaufpreises erfolgte am 15.12.2016.
In ihrer Gewerbesteuererklärung für das Jahr 2016 beantragte die Klägerin die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG. Das Finanzamt lehnte dies ab, da der Geschäftszweck der Klägerin im Erwerb und Verkauf von Grundstücken, nicht jedoch in deren Verwaltung, lag. Auch die einfache Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG wurde nicht berücksichtigt. Der Einspruch der Klägerin wurde als unbegründet zurückgewiesen. Das FG Münster (27.10.2022, 10 K 3572/18 G) gab der anschließenden Klage jedoch statt und urteilte, dass die GmbH sowohl in qualitativer, quantitativer wie auch zeitlicher Hinsicht ausschließlich der Nutzung und Verwaltung von Grundbesitz betrieben habe.
Dass die Klägerin nach der Veräußerung des letzten Grundbesitzes noch über zwei unverzinsliche Forderungen in Form von Bankkonten verfügt habe, sei unschädlich. Aus den unverzinslichen Konten resultiere nach Ansicht des FG Münster keine kürzungsschädliche einkünfteerzielende Nebentätigkeit. Die erweiterte Kürzung sei zu gewähren.
Der BFH hob dieses Urteil nun auf. Das Finanzgericht habe zu Unrecht angenommen, dass der Klägerin die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG zustehe. Die einfache Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG müsse jedoch berücksichtigt werden.
2. Begründung des BFH
Nach Auffassung des BFH setzt die erweiterte Kürzung voraus, dass das Unternehmen ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und nutzt, abgesehen von als unschädlich eingestuften Nebentätigkeiten oder den in § 9 Nr. 1 Satz 2 und 3 GewStG geregelten Ausnahmen. Eine Verwaltung eigenen Kapitalvermögens ist nur dann unschädlich, wenn sie neben der Verwaltung eigenen Grundbesitzes erfolgt, nicht jedoch, wenn sie allein ausgeübt wird – sei es vor Beginn oder nach Ende einer begünstigten Tätigkeit.
Das Erfordernis der Ausschließlichkeit umfasst qualitative, quantitative und zeitliche Aspekte. Zeitlich bedeutet dies, dass das Unternehmen während des gesamten Erhebungszeitraums die begünstigte Tätigkeit ausüben muss. Eine zeitanteilige Gewährung der erweiterten Kürzung ist ausgeschlossen. Wird – wie im vorliegenden Fall – nur während eines Teils des Erhebungszeitraums eine nicht begünstigte Tätigkeit ausgeübt, entfällt die erweiterte Kürzung für das gesamte Jahr. Ausnahmen wegen Geringfügigkeit sind nicht erforderlich.
Die Klägerin hatte ihr einziges Grundstück vor Ende des Erhebungszeitraums verkauft. Gemäß den Vertragsbedingungen gingen Besitz, Nutzungen und Gefahren bereits zu Beginn des 31.12.2016 auf die Erwerberin über. Da die Klägerin als juristische Person auch nach dem 30.12.2016 weiterbestand, blieb ihre sachliche Gewerbesteuerpflicht bestehen. Es gibt keine rechtliche Grundlage, den Erhebungszeitraum (Kalenderjahr) zu verkürzen.
Allerdings steht der Klägerin nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG die einfache Kürzung in Höhe von 1,2 % des Einheitswerts ihres – nicht grundsteuerbefreiten – Grundbesitzes zu.
3. Fazit
Der BFH revidiert mit dem Urteil vom 17.10.2024 die aus Sicht des Steuerpflichtigen zu begrüßende Entscheidung des FG Münster und bleibt damit bei der strengen Auslegung des Gesetzestextes hinsichtlich der Ausschließlichkeit der Verwaltung von eigenem Grundbesitz über den gesamten Erhebungszeitraum hinweg.
Um die erweiterte Grundstückskürzung im Exit-Fall nicht zu gefährden, sollte das letzte Grundstück daher in der „letzten logischen Sekunde“ vor Ablauf des Erhebungszeitraums verkauft werden. Dies wurde vom BFH bereits als unschädlich für die erweiterte Kürzung eingestuft. Soll das Grundstück aus operativen Gründen nicht erst zum Ende des Erhebungszeitraums verkauft werden, kann die entsprechende Abkürzung des Erhebungszeitraums eine geeignete Gestaltungsoption darstellen.