Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 19. November 2024 entschieden, dass beim Forderungsverzicht gegen Besserungsschein ein Verlust nicht erst dann zu berücksichtigen ist, wenn feststeht, dass die Bedingungen nicht mehr eintreten werden.
Urteil des Bundesfinanzhofs vom 19. November 2024 (VIII R 8/22)
Leitsatz
Der Verlust aus einem auflösend bedingten Forderungsverzicht ist bereits im Zeitpunkt des Verzichts zu berücksichtigen und nicht erst, wenn feststeht, dass die auflösende Bedingung nicht mehr eintreten wird.
Gründe
Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehört auch der Gewinn aus der Veräußerung von sonstigen Kapitalforderungen jeder Art (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG). Als Veräußerung gilt auch die Einlösung, Rückzahlung, Abtretung oder verdeckte Einlage in eine Kapitalgesellschaft (§ 20 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 EStG). Nach der Rechtsprechung des Senats ist beim Forderungsverzicht zwischen dem noch werthaltigen und dem nicht mehr werthaltigen Teil der Forderung zu unterscheiden.
Unterscheidung zwischen werthaltigem und nicht mehr werthaltigem Teil einer Forderung
Der Verzicht auf den werthaltigen Teil der Forderung führt zu einer verdeckten Einlage im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 Satz 2 EStG. In Höhe des nicht mehr werthaltigen Anteils der Forderung führt der Forderungsverzicht gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 EStG zu einem Abtretungsverlust.
Wie der BFH bereits entschieden hat, führt auch der Forderungsverzicht unter Besserungsvorbehalt zivilrechtlich zum sofortigen Wegfall der Forderung (z. B. BFH-Urteile vom 12.07.2012 – I R 23/11, BFHE 238, 344, Rz 15; vom 24.10.2017 – VIII R 19/16, BFHE 262, 1, BStBl II 2019, 34, Rz 29). Tritt der Besserungsfall ein, lebt die ursprüngliche Forderung gemäß § 158 Abs. 2 BGB wieder auf. Der Eintritt der Bedingung entfaltet keine Rückwirkung.
Auf Ebene der Gesellschaft als Schuldnerin treten die Rechtsfolgen aus einem Forderungsverzicht gegen Besserungsschein im Zeitpunkt des Verzichts ein. Dann wird das Darlehen von Fremdkapital in Eigenkapital umqualifiziert (BFH-Urteil vom 12.07.2012 – I R 23/11, BFHE 238, 344, Rz 16). Erst bei Eintritt des Besserungsfalls wird das wiederauflebende Gesellschafterdarlehen wieder zu Fremdkapital.
Für die Besteuerung des unter Besserungsvorbehalt verzichtenden Gesellschafters als Gläubiger gilt nichts anderes. Auch bei ihm ist der Verlust aus dem Verzicht, auf den nicht mehr werthaltigen Teil seiner Forderung im Zeitpunkt des Verzichts entstanden und zu berücksichtigen. Der Besserungsvorbehalt ändert nichts daran, dass die Forderung, auf die verzichtet wird, im Zeitpunkt des Verzichts entfällt.
Verzichtet der Forderungsinhaber auf die Forderung gegen Besserungsschein, erlangt er bis zum Eintritt des Besserungsfalls eine Anwartschaft auf das Wiederaufleben seiner Forderung, die als gesicherte Rechtsposition anzusehen ist. Dabei handelt es sich um ein von der Forderung zu unterscheidendes, eigenständiges, verkehrsfähiges Wirtschaftsgut.