Die Jahre 2022 und 2023 waren aus geldpolitischer Sicht geprägt von Leitzinserhöhungen. Die Notenbanken haben insbesondere seit dem zweiten Halbjahr 2022 die Leitzinsen vor dem Hintergrund der anhaltend hohen Inflation kontinuierlich mehrfach erhöht. Am 11.04.2024 hat die EZB nun verkündet, dass sie zum vierten Mal nach zuvor zehn Erhöhungen in Folge den Leitzins unverändert lässt und somit weiter eine Zinspause einlegt. Der Leitzins der EZB beträgt somit weiterhin 4,50 %. Jedoch deutet die EZB nun Zinssenkungen im Juni 2024 an.
Die Auswirkungen der wirtschaftlichen und geopolitischen Ereignisse, insbesondere der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, welche das Jahr 2022 geprägt haben, sind auch noch im Jahr 2024 spürbar. In den letzten Monaten ist jedoch eine Abschwächung der Folgen zu beobachten. So liegt die Inflationsrate im März 2024 bei voraussichtlich 2,20 % in Deutschland. Dies ist der niedrigste Wert seit April 2021 (2,00 %).
Als Folge des Inflationsrückgangs hat die EZB nun zum vierten Mal nach zuvor zehn Zinserhöhungen in Folge den Leitzins nicht erhöht und legt somit weiter eine Zinspause ein. Der Leitzins der EZB beträgt somit weiterhin 4,50 %. Die EZB deutet jedoch nun eine Zinssenkung im Juni 2024 an.
Die bisherigen Leitzinserhöhungen der EZB hatten unter anderem deutliche Auswirkungen auf die Fremdfinanzierungskosten für Unternehmen und private Haushalte, welche seit Beginn der Leitzinserhöhungen vor etwas mehr als einem Jahr deutlich angestiegen sind. Private Haushalte bemerken den Anstieg der Fremdfinanzierungskosten, insbesondere bei der Vergabe von Krediten für die Immobilienfinanzierung. Unternehmen mit einer hohen Fremdkapitalquote, die Investitionen jahrelang günstig refinanzieren konnten, müssen sich bei bevorstehender Umschuldung künftig zu ungünstigeren Konditionen finanzieren.
Auch im Zusammenhang mit bewertungsrelevanten Fragestellungen machen sich die Auswirkungen der bisher vorgenommen Leitzinserhöhungen bemerkbar. Noch im Januar 2022 lag der bewertungsrelevante Basiszins nach IDW S 1 bei 0,10 %. Zwischenzeitlich stieg der bewertungsrelevante risikolose Basiszinssatz nach IDW S 1 auf 2,75 % (01.11.2023 bis 01.01.2024). Zum 01.04.2024 ist der bewertungsrelevante Basiszinssatz nach IDW S 1 auf 2,50 % gesunken.
Mit der aktuellen Zinspause reagiert die EZB auf den derzeitigen Rückgang der Inflation sowie auf die eingetrübten Konjunkturaussichten im Euroraum. So ging das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt in Deutschland im Jahr 2023 sogar um 0,30 % zurück. Bisher hat die EZB keine Aussagen zu möglichen zukünftigen Zinsanpassungen getroffen. Nun deutet sie jedoch mögliche Zinssenkungen im Juni 2024 an. Zinsanpassungen zum Ende der ersten Jahreshälfte 2024 wurde von Investoren bereits Anfang des Jahres 2024 prognostiziert.
Im Ergebnis können die weiteren (Zins-) Entwicklungen noch nicht abgeschätzt werden. Es ist aber für den Fall von weiteren Leitzinserhöhungen anzunehmen, dass diese zu einem weiteren Anstieg des Zinsniveaus führen werden. In der Folge könnten auch die für Unternehmensbewertungen relevanten Fremdkapital- und Eigenkapitalkosten im Jahr 2023 und 2024, wie bereits im Jahr 2022, noch weiter steigen. Selbst im Fall von Zinssenkungen, die nun von der EZB für Juni 2024 angedeutet werden, ist kurzfristig keine deutliche Veränderung des allgemeinen Zinsniveaus zu erwarten. In der Praxis sind gerade vor dem Hintergrund des unabhängig von weiteren Zinserhöhungen bereits hohem bestehenden Zinsniveaus im Jahr 2023 die Auswirkungen auf Bilanzierungs- und Bewertungsfragen sowie auf die angemessene Verzinsung bei zinsrelevanten Sachverhalten im Blick zu behalten. Insbesondere sind bestehende Verzinsungsregelungen auf ihre Angemessenheit zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen.