Als erste Konsequenz aus dem Fall „Wirecard“ hat das Bundeskabinett am 07.10.2020 einen Aktionsplan zur Stärkung der Bilanzkontrolle und Finanzmarktaufsicht vorgestellt. Erklärtes Ziel des Aktionsplans ist es, Schwachstellen bei der Bilanzkontrolle zu beseitigen, die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers zu stärken und die Haftung des Abschlussprüfers zu verschärfen. Des Weiteren sollen die internen Kontrollen in den Unternehmen sowie die Schutzmechanismen gegen Bilanzmanipulationen verbessert werden. Um den Aktionsplan rasch umzusetzen, haben die Ministerien (BMF und BMJV) am 26.10.2020 einen gemeinsamen Entwurf für ein Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG) erarbeitet (Referentenentwurf) und diesen zur weiteren Ressortabstimmung weitergeleitet.
Das System der Bilanzkontrolle von kapitalmarktorientierten Unternehmen ist bislang auf der ersten Ebene auf eine freiwillige Mitwirkung des geprüften Unternehmens ausgerichtet. Zukünftig soll es stärker staatlich-hoheitlich geprägt sein. So stärkt der vorliegende Gesetzesentwurf die Durchgriffsrechte der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Sämtliche Anlass- und Verdachtsprüfungen sollen zukünftig in die alleinige Zuständigkeit der BaFin fallen, obwohl auch weiterhin eine privatrechtliche Prüfstelle für Rechnungslegung anerkannt werden kann. Die Federführung für Stichprobenprüfungen liegt im Bereich der privaten Prüfstelle. Diese wird aber enger an die BaFin angebunden und muss regelmäßig an sie berichten.
Ein weiterer Hebel des FISG ist die Stärkung der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers. So ist geplant, dass kapitalmarktorientierte Unternehmen – wie bereits Banken und Versicherungen – ihren Abschlussprüfer alle zehn Jahre wechseln müssen. Daneben soll die Trennung von Abschlussprüfungs- und Beratungsleistungen von Unternehmen von öffentlichem Interesse (sogenannte public interest entities) – also insbesondere Banken/Versicherungen und kapitalmarktorientierte Unternehmen – verschärft werden. Des Weiteren soll die Haftungsobergrenze von Abschlussprüfern bei börsennotierten Unternehmen bei einfacher Fahrlässigkeit von bisher maximal 4 Mio. EUR auf 20 Mio. EUR angehoben werden.
Die Stärkung der Corporate Governance – die u.a. sichtbar wird in der obligatorischen Einrichtung von Prüfungsausschüssen innerhalb des Aufsichtsrats bei Unternehmen von öffentlichem Interesse – wird flankiert von Änderungen im Börsenbereich. Den Betreibern von Börsen soll es zukünftig einfacher möglich sein, Emittenten einfacher aus bestimmten Börsensegmenten auszuschließen.
Die Abgabe eines falschen Bilanzeids soll zu einem eigenständigen Straftatbestand werden. Die in diesem Rahmen bei Vorsätzlichkeit zu verhängende Freiheitsstrafe soll von bis zu drei auf fünf Jahre verschärft werden. Zudem sollen in weiteren Punkten die Strafen verschärft werden. Die leichtfertige Verletzung von Berichtspflichten soll künftig mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe geahndet werden können. Bei Verstößen von Abschlussprüfern oder Mitgliedern des Prüfungsausschusses bei Unternehmen von öffentlichem Interesse soll der Bußgeldrahmen von 50.000 EUR auf 500.000 EUR angehoben werden. Zudem soll gegen die bestellte Prüfungsgesellschaft eine Verbandsgeldbuße in Höhe von bis zu 5 Mio. EUR verhängt werden können.
Daneben sieht der Gesetzesentwurf eine Ausweitung der Prospektpflicht auf Edelmetall- und Goldanlagen vor sowie ein Verbot für BaFin Mitarbeiter, privat mit Finanzinstrumenten zu handeln. Zusätzlich soll der Informationsaustausch zwischen den Finanzbehörden und der zentralen Meldestelle für Geldwäscheprävention (FIU – Financial Intelligence Unit) beschleunigt werden.
Der Gesetzesentwurf ist hier abrufbar: https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Gesetzestexte/Gesetze_Gesetzesvorhaben/Abteilungen/Abteilung_VII/19_Legislaturperiode/2020-10-26-Finanzmarktintegritaetsstaerkungsgesetz/1-Referentenentwurf.pdf?__blob=publicationFile&v=37