Das OLG Frankfurt a.M. hat mit Beschluss vom 13.09.2021 (21 W 38/15) die Zulässigkeit der Schätzung des Unternehmenswertes nach § 278 ZPO zur Festsetzung der Barabfindung anhand eines Vorerwerbspreises in Ausnahmefällen bestätigt. Dies gilt dem OLG Frankfurt a.M. folgend insbesondere dann, wenn ein sogenannter „Paketzuschlag“ ausgeschlossen werden kann.
Im vorliegenden Fall wurde die Barabfindung im Rahmen eines aktienrechtlichen Squeeze-out durch die Hauptaktionärin auf Basis eines Ertragswerts i.H.v. EUR 29,02 festgelegt. Der durchschnittliche Börsenkurs im Drei-Monats-Zeitraum vor der Bekanntgabe des beabsichtigten Squeeze-out betrug EUR 28,65 je Aktie und lag damit unterhalb des zum Bewertungsstichtag 18.12.2012 ermittelten Ertragswerts.
Mit Beschluss vom 25.11.2014 hatte das LG Frankfurt (3-05 O 43/13) im Zuge des Spruchverfahrens die Abfindung auf EUR 32,72 je Aktie festgesetzt, da das LG Frankfurt im vorliegenden Fall Bedenken an der Geeignetheit des Ertragswertverfahrens, insbesondere im Zusammenhang mit dem Wachstumsabschlag und der Marktrisikoprämie hatte. Zudem äußerte das LG Frankfurt Zweifel an der Plausibilität der Planung, die der Ertragswertberechnung zugrunde lag. Die vom LG Frankfurt festgelegten EUR 32,72 je Aktie entsprechen dem Preis, den die Hauptaktionärin verschiedenen Verkäufern am 22.06.2012 für insgesamt ca. 14,13 % des Grundkapitals zahlte. Dabei wies das LG Frankfurt explizit darauf hin, dass bei dem gezahlten Vorerwerbspreis nicht von Paketzuschlägen auszugehen ist, da die Aktienvorerwerbe nicht mit einer Person, sondern mit mehreren Personen getätigt worden sind.
Das OLG Frankfurt a.M. sieht die vom LG Frankfurt auf Basis des Vorerwerbspreises von EUR 32,72 je Aktie festgelegte Barabfindung im Ergebnis als angemessen an. Das OLG Frankfurt a.M. stellt fest, dass Vorerwerbspreise, die ein Großaktionär im sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem Squeeze-out entrichtet, für die Bemessung der angemessenen Barabfindung in der Regel keine Rolle spielen. Allerdings stünde einer Berücksichtigung von Vorerwerbspreisen zur Ermittlung einer angemessenen Barabfindung der Schätzung gemäß § 278 ZPO nicht per se entgegen. Das gelte dem OLG Frankfurt a.M. folgend insbesondere dann, wenn bei den Vorerwerbspreisen kein erhöhter Preis bzw. kein nicht marktüblicher Preis aufgrund von Paketzuschlägen gezahlt wurde. Ein Vorerwerbspreis könne danach dann aussagekräftig sein, wenn die Transaktion im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erfolgt ist, der Kaufpreis sich als Ausgleich der widerstreitenden Interessen von Käufer und Verkäufer am Markt gebildet hat und von unveränderten Verhältnissen am Bewertungsstichtag auszugehen sei.
Das OLG Frankfurt a.M. ging davon aus, dass der Verkäuferseite im konkreten Fall eine angemessene Informationsgrundlage für die Preisbildung zur Verfügung stand und die Vertragsverhandlungen zur Bestimmung des Vorerwerbspreises auf Augenhöhe zwischen Verkäufer und Käufer erfolgen konnten.
In Verbindung mit weiteren Überlegungen zum ursprünglichen Ertragswert des Bewertungsobjekts ist das OLG Frankfurt a.M. zu der Überzeugung gelangt, dass der verhandelte Vorerwerbspreis keinen Paketzuschlag enthalte, sondern den Verkehrswert des Bewertungsobjekts angemessen widerspiegele.
Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände konnte der Unternehmenswert ausnahmsweise anhand des bei dem letzten außerbörslichen Erwerb eines umfangreichen Aktienpakets gezahlten Kaufpreises durch die Hauptaktionärin geschätzt werden.