Das OLG Frankfurt a.M. hat mit seinem Beschluss vom 26.04.2021 (21 W 139/19) die Entscheidung des vorinstanzlichen Landgerichts bestätigt und damit zum Ausdruck gebracht, dass der angemessene Ausgleich für die Minderheitsaktionäre gemäß § 304 Abs. 1 AktG allein anhand des Börsenkurses sachgerecht sein kann. Einen Anspruch auf Meistbegünstigung haben die Minderheitsaktionäre nicht.
Im vorliegenden Fall gaben zwei börsennotierte Aktiengesellschaften, die beide im Immobilienbereich tätig sind, im September 2017 ihre Absicht bekannt, einen Beherrschungsvertrag zu schließen. Gemäß § 305 Abs. 1 AktG muss ein Unternehmensvertrag die Verpflichtung des herrschenden Unternehmens enthalten, auf Verlangen der außenstehenden Aktionäre deren Aktien gegen eine im Vertrag bestimmte angemessene Abfindung zu erwerben. Sofern als Abfindung Aktien einer anderen Gesellschaft gewährt werden sollen, so ist gemäß § 305 Abs. 3 S. 1 AktG die Abfindung als angemessen anzusehen, wenn die Aktien in dem Verhältnis gewährt werden, in dem bei einer Verschmelzung auf eine Aktie der Gesellschaft Aktien der anderen Gesellschaft zu gewähren wären. Um angemessen zu sein, muss das Umtauschverhältnis annähernd identisch sein mit dem Verhältnis der auf die jeweils ausgegebenen Anteile bezogenen Unternehmenswerte. Maßgeblich ist insofern eine Ermittlung der Unternehmenswerte der aufnehmenden und der übertragenden Gesellschaft.
Das vorinstanzliche Landgericht hat zur Prüfung der gewährten Abfindung auf den Börsenwert beider Gesellschaften zurückgegriffen, obwohl die Abfindung seitens des Parteigutachters sowie des gerichtlich bestellten Angemessenheitsprüfers auf Basis des Ertragswertverfahrens nach IDW S 1 ermittelt wurde. Das OLG Frankfurt a.M. schloss sich mit Beschluss vom 26.04.2021 der Vorgehensweise des Landgerichts an. Das OLG Frankfurt a.M. ist der Auffassung, dass das Gericht nicht an die Methodenwahl im Übertragungsbericht und im Prüfbericht gebunden sei. Sowohl der Verfassung als auch dem einfachen Recht ließe sich eine Einschränkung der Überprüfungskompetenz des Gerichts nicht entnehmen.
Bezogen auf die grundsätzliche Geeignetheit des Börsenkurses zur Bestimmung des Unternehmenswerts führt das OLG Frankfurt a.M. aus, dass der Börsenkurs nicht nur die Untergrenze der Abfindung darstellen könne, sondern eine (Unternehmens-)Bewertung auf Basis des Börsenkurses nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls generell eine geeignete Methode darstellt, die Angemessenheit der gewährten Kompensation zu überprüfen. Den Anspruch auf eine methodenbezogene Meistbegünstigung haben die Minderheitsaktionäre nicht. Ältere Entscheidungen des BGH, die auf ein Meistbegünstigungsprinzip hindeuteten, seien zwischenzeitlich überholt.
Das Bundesverfassungsgericht habe in der Telekom-Entscheidung aus dem Jahr 2011 bereits unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass der Börsenkurs nicht nur als Untergrenze der Abfindung dient, sondern auch für die Schätzung des Unternehmenswerts unbedenklich sei (BVerfG vom 26.04.2011, 1 BvR 2658/10). Die Orientierung des Unternehmenswerts an dem Marktwert entspreche regelmäßig einem in der Praxis und in der Rechtsprechung gefestigten Ansatz, welcher bei der Wertermittlung herangezogen werden kann.
Um bei Verwendung des Börsenkurses auf kurzzeitige Kursschwankungen bzw. vorübergehende Kursanomalien zu reagieren und diese zu eliminieren, wird auf einen (dreimonatigen) Durchschnittskurs vor Bekanntgabe der Strukturmaßnahme abgestellt.
Im Ergebnis bedeutet das aktuelle Urteil des OLG Frankfurt a.M. damit eine Aufwertung von Börsenkursen gegenüber üblichen, allgemein anerkannten Bewertungsverfahren. Weiterhin wird jedoch auf den jeweiligen Einzelfall und die zu bewertenden Verhältnisse sowie die die Bewertung auslösende Transaktion abzustellen sein.