Die Einführung der elektronischen Rechnungspflicht rückt näher – nachfolgender Beitrag soll einen kurzen Überblick über den aktuellen Status Quo in Deutschland sowie in einigen Europäischen Ländern geben.
1. ViDA
Die europäische Kommission hat am 08.12.2022 den wohl bedeutendsten Reformvorschlag zur Mehrwertsteuer der vergangenen Jahre gemacht. Das Ziel der Initiative „VAT in the Digital Age“ (nachfolgend „ViDA“) ist neben der Modernisierung des Mehrwertsteuersystems, insbesondere die Eindämmung des Mehrwertsteuerbetrugs innerhalb der EU. Dieses Ziel soll mittels der folgenden Maßnahmen erreicht werden:
Die Kommission möchte, dass Unternehmen zukünftig die zu jedem Umsatz relevanten Informationen nahezu in Echtzeit übermitteln müssen.
Darüber hinaus ist geplant, dass die Unternehmen zukünftig weniger Registrierungspflichten in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten erfüllen. Hierzu sind von der Kommission einige Änderungen im B2B und B2C-Bereich geplant. So soll das Reverse-Charge-Verfahren und das OSS-Verfahren ausgeweitet werden.
Zudem ist eine Sonderregelung für das innergemeinschaftliche Verbringen bestimmter Waren geplant, welches im Bestimmungsmitgliedstaat keine Registrierungspflicht mehr vorsieht. Auch die im Jahr 2020 gerade erst eingeführte Vereinfachungsregelung für Konsignationslager soll für bestimmte Waren wieder abgeschafft und die entsprechende Meldung über das OSS-Verfahren erfolgen.
Zu guter Letzt sollen die Vorschriften für Dienstleistungen, welche im Zusammenhang mit einer elektronischen Plattform erbracht werden, angepasst werden.
Grundvoraussetzung für die Umsetzung all dieser Maßnahmen bildet die verpflichtende elektronische Rechnungsstellung.
2. Stand in Deutschland
Der Deutsche Bundestag hat am 17.11.2023 das sogenannte „Wachstumschancengesetz“ verabschiedet, welches auch Regelungen für die elektronische Rechnung beinhaltet. Die Zustimmung des Bundesrates steht noch aus, allerdings soll das Gesetz noch dieses Jahr verabschiedet werden.
Derzeit ist geplant, dass die E-Rechnung beginnend ab 01.01.2025 eingeführt wird. Dies bedeutet, dass grundsätzlich ab diesem Zeitpunkt alle Rechnungen für inländische B2B-Umsätze elektronische Rechnungen sein müssen.
Offen ist derzeit allerdings, wie und über welches Portal die elektronischen Rechnungen zu melden wären. Denkbar sind hier zwei Alternativen, nämlich eine Lösung über ein privates Portal oder über das Portal des Bundeszentralamt für Steuern (analog dem italienischen Modell).
3. Einzelheiten
Die derzeitige Gesetzesfassung vom 17.11.2023 sieht im Einzelnen folgende Regelungen vor:
- Nach der derzeitigen Gesetzesfassung ist eine elektronische Rechnung, eine Rechnung, die in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen wird und eine elektronische Verarbeitung ermöglicht. Das strukturierte elektronische Format muss dabei der europäischen Norm für die elektronische Rechnungsstellung und der Liste der entsprechenden Syntaxen gemäß RL 2014/55/EU entsprechen. Somit erfüllen Rechnungen der CEN-Norm EN 16931, nach dem XStandard und nach dem ZUGFeRDFormat (ab Version 2.0.1) grundsätzlich diese Voraussetzungen. Auch andere Formate können die Voraussetzungen erfüllen.
- Betroffen von der elektronischen Rechnungslegung sind alle in Deutschland ansässigen Unternehmen, d. h., es ist ein Sitz oder eine Betriebsstätte im Inland erforderlich. Eine umsatzsteuerliche Registrierung reicht nicht aus, da grundsätzlich nur die Rechnungsvorschriften des Landes gelten, in dem der Rechnungsaussteller ansässig ist. Hinzuweisen ist aber darauf, dass dies nach derzeitiger Lesart jeden in Deutschland ansässigen Unternehmer betrifft, somit grundsätzlich auch denjenigen, der zum Beispiel eine Photovoltaikanlage besitzt.
- Nach der Gesetzesfassung hat der Unternehmer grundsätzlich sechs Monate Zeit, eine Rechnung auszustellen.
Grundsätzlich müssen laut Gesetzesfassung ab 01.01.2025 alle Rechnungen für inländische B2B Umsätze zwischen inländischen Unternehmern nach den Vorgaben gemäß RL 2014/55/EU ausgestellt werden. Hier sind allerdings derzeit folgende Übergangsregelung vorgesehen:
- Ursprünglich war geplant, dass es eine Übergangszeit bis zum 31.12.2025 geben sollte, in der auch Papier oder PDF-Rechnungen noch zulässig gewesen wären. Aufgrund großen Widerstands aus der Wirtschaft und von Interessenverbänden wurde diese Übergangsfrist um ein Jahr bis zum 31.12.2026 verlängert.
- Für die in 2027 ausgeführten Umsätze soll statt einer E-Rechnung auch eine sonstige Rechnung auf Papier oder in einem anderen elektronischen Format ausgestellt werden können, wenn der Empfänger zustimmt und der Rechnungsaussteller weniger als EUR 800.000 Jahres-Gesamtumsatz hat.
- Für einen bis 31.12.2027 ausgeführten Umsatz soll befristet bis zum 31.12.2027 statt einer elektronischen Rechnung auch eine sonstige Rechnung in einem anderen elektronischen Format ausgestellt werden können, wenn diese mittels EDI-Verfahren übermittelt wird und wenn der Empfänger zustimmt.
Zu beachten ist abschließend Folgendes:
Die E-Rechnungspflicht gilt grundsätzlich ab 01.01.2025, was im Klartext bedeutet, dass bei Nichtanwendung der Vereinfachungsregelungen durch den Rechnungsausteller inländische Unternehmer (als Rechnungsempfänger) bereits ab dem 01.01.2025 zwingend in der Lage sein müssen, elektronische Rechnungen zu empfangen und zu verarbeiten.
Diese Verpflichtung ist auch grundsätzlich nicht von der Zustimmung des Rechnungsempfängers abhängig. Anders als bisher ist die elektronische Rechnungstellung auch nicht an eine Zustimmung des Rechnungsempfängers geknüpft.
Hinsichtlich des Übermittlungswegs von E-Rechnungen gibt es derzeit noch keine Angaben.
4. Ein Blick nach Europa
a) Österreich
In Österreich gibt es derzeit noch keine Verlautbarungen seitens der österreichischen Finanzverwaltung, wann und wie die E-Rechnung im B2B-Bereich eigeführt werden soll. Somit dürfte es sich aktuell um den von der EU im Rahmen der ViDA-Initiative gesetzten Zeitraum ab 2028 handeln.
b) Frankreich
In Frankreich sollte die obligatorische elektronische Rechnungsstellung für B2B Transaktionen ab dem 01.07.2024 schrittweise eingeführt werden (je nach Unternehmensgröße). Die französische Regierung hat aber Ende Juli 2023 beschlossen, die Einführung zu verschieben. Hinzuweisen ist darauf, dass die obligatorische elektronische Rechnungsstellung für alle Unternehmen gelten soll, die in Frankreich steuerpflichtige Umsätze ausführen.
Elektronische Rechnungen müssen
- obligatorische Angaben (analog denen für Papierrechnungen) und
- entweder eine qualifizierte elektronische Signatur oder ein qualifiziertes elektronisches Siegel enthalten.
Alle Rechnungen müssen in elektronischer Form über eine vom Unternehmen gewählte Plattform übermittelt werden:
c) Italien
Im Vorreiter Land Italien ist die E-Rechnung bereits seit dem 01.01.2019 verpflichtend.
Die Rechnung muss dabei im XML-Format erstellt werden.
Die folgenden Anforderungen müssen erfüllt werden:
- die Authentizität der Herkunft (Aussteller und der Empfänger müssen identifizierbar sein);
- der Inhalt muss unveränderbar sein;
- das Dokument muss lesbar sein.
Der Aussteller kann die elektronische Rechnung an das „Sistema di Interscambio“ (SDI) der Steuerbehörde übermitteln.
d) Polen
In Polen soll die E-Rechnung verpflichtend ab 01.07.2024 eingeführt werden – allerdings wird bereits eine Verschiebung des Termins diskutiert.
Unter die Rechnungspflicht fallen B2B-Transaktionen zwischen in Polen ansässigen Unternehmen oder Unternehmen, die über eine feste Niederlassung in Polen tätig sind. Dies umfasst alle polnischen Rechnungen (mit und ohne Mehrwertsteuer) mit Ausnahme von B2C-Transaktionen.
Das Finanzministerium hat eine neue XSD-Struktur für E-Rechnungen veröffentlicht, die über das nationale E-Invoicing-System („KSeF“) übermittelt werden müssen. Über dieses Portal werden auch die Rechnungen an die Kunden verschickt. Die Rechnungsempfänger können dann die Rechnung aus dem System herunterladen. Steuerzahler, die KSeF nutzen, sind nicht verpflichtet, Rechnungen aufzubewahren, da sie zehn Jahre lang im System gespeichert werden.
Wenn ein Unternehmen eine nicht regelkonforme B2B-E-Rechnung ausstellt, sind per Stand Juli 2024 Sanktionen von bis zu von bis zu 100 % des auf dieser Rechnung ausgewiesenen Steuerbetrags geplant.
5. Hinweis für die Praxis
Bis zum Januar 2025 bzw. 2027 bleibt nicht mehr viel Zeit. Von daher müssen sich Unternehmen langsam, aber sicher mit dem Thema E-Rechnung auseinandersetzen, da die verpflichtende Umstellung unter Umständen viel Zeit in Anspruch nehmen könnte. Hier sollte zunächst identifiziert werden, ob das derzeitige ERP-System die Anforderungen an eine elektronische Rechnungsstellung erfüllt, oder nicht. Andernfalls sollten hierfür entsprechende Ressourcen eingeplant und die Prozesse bereits vorsorglich angepasst werden.