Grundsätzlich gilt, dass die Erteilung einer Vollmacht zur Stimmabgabe die Ladung des vollmachtgebenden Gesellschafters zu einer Gesellschafterversammlung im Rahmen einer GmbH nicht entbehrlich macht. Das Kammergericht Berlin schränkte diesen Grundsatz in einem jüngeren Beschluss (KG, Beschluss vom 13.11.2023 – 22 W 51/23) ein.
Das Kammergericht wiederholt in seinem Beschluss (KG, Beschluss vom 13.11.2023 – 22 W 51/23) den in Rechtsprechung und Literatur herrschenden Grundsatz, dass die bloße Erteilung einer Vollmacht zur Stimmabgabe noch nicht die Ladung des vollmachtgebenden Gesellschafters zur Versammlung entbehrlich macht. Eine Ladung des Bevollmächtigten anstelle des Gesellschafters genügt dem Einberufungserfordernis nur, wenn der Gesellschafter seinen Bevollmächtigten zuvor als Ladungsempfänger benannt hat.
In seiner Entscheidung schränkt das Kammergericht diesen Grundsatz nun ein: Die Notwendigkeit der Ladung des Vollmachtgebers bzw. eine Benennung des Bevollmächtigten als Ladungsempfänger hängt davon ab, welche Befugnisse dem Bevollmächtigten eingeräumt werden sollten. Dies ist durch Auslegung der Vollmacht und den sonstigen Umständen zu ermitteln.
In dem vorliegenden Fall verpflichteten sich die beiden Gesellschafter einer GmbH mit einer schriftlichen Vereinbarung, der Bestellung des jeweils anderen Gesellschafters zum einzelvertretungsbefugten Geschäftsführer mit einer Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB zuzustimmen. Zugleich stellten sie sich gegenseitig eine unwiderrufliche Vollmacht zu einer entsprechenden Beschlussfassung aus. Jeder Gesellschafter war dadurch nahezu uneingeschränkt zur Übernahme des Geschäftsführeramtes gegenüber dem jeweils anderen Gesellschafter berechtigt.
Abweichend von dem oben genannten Grundsatz nimmt das Kammergericht Berlin in einem solchen (besonderen) Fall keine Notwendigkeit einer Ladung des Gesellschafters oder einer Benennung des Bevollmächtigten als Ladungsempfänger an. Denn hier kam dem vollmachtgebenden Gesellschafter aufgrund seiner zuvor erteilten Vollmacht bzw. der diese begleitenden Umstände nahezu kein Entscheidungsspielraum zu – weder bei der Beschlussfassung noch bei der Bestellung bzw. Abberufung seines Bevollmächtigten.
Im Regelfall ist indes weiterhin von dem Grundsatz auszugehen, dass eine Ladung des Vollmachtgebers auch im Falle der Erteilung einer Stimmrechtsvollmacht erforderlich bleibt. Der hier entschiedene Fall betrifft eine Zwei-Personen-Gesellschaft, in der die beiden Gesellschafter eine inhaltsgleiche Verpflichtung zur gleichlautenden Stimmabgabe gegenseitig geschaffen haben. Selbst wenn der vollmachtgebende Gesellschafter zur Gesellschaftsversammlung ordnungsgemäß geladen worden wäre, hätte er bei dem Beschlussgegenstand gleich dem bevollmächtigten Gesellschafter stimmen müssen. Eine ordnungsgemäße Ladung hatte somit kein anderes Ergebnis haben können.