In dem Urteil vom 16. April 2024 (VIII R 3/21) kommt der BFH zu dem Ergebnis, dass der sog. Carried Interest Bestandteil einer gesellschaftsvertraglich vereinbarten Gewinnverteilung ist. Es liege entgegen der Meinung der Finanzverwaltung kein verdecktes Tätigkeitsentgelt vor, welches im abgekürzten Zahlungsweg von den Investoren an die Initiatoren gezahlt werden würde. Aus verfahrensrechtlichen Gründen verwies der BFH das Verfahren wieder an das zuständige Finanzgericht München zurück. Das Urteil birgt erhebliche steuerliche Konsequenzen für Initiatoren wie auch Investoren von PE-Fonds.
Urteilsfall und Sachverhalt
Zentrale Frage des BFH-Verfahrens (Urteil vom 16. April 2024, VIII R 3/21; veröffentlicht am 18.07.2024) war, ob der vereinbarten Gewinnverteilung eines Private-Equity-Fonds („Fonds“) zwischen Initiatoren und Investoren auch für steuerliche Zwecke zu folgen ist.
Der Fonds war in der Rechtsform einer Limited Partnership strukturiert und war aus deutscher steuerlicher Sicht als vermögensverwaltende Personengesellschaft zu behandeln. Die Initiatoren des Fonds waren mittelbar über eine als Komplementär fungierende weitere Limited Partnership an dem Fonds beteiligt. Über diese weitere Limited Partnership erbrachten die Initiatoren materielle und immaterielle Gesellschafterbeiträge, d.h. förderten den Gesellschaftszweck auch durch die Führung der operativen Geschäfte sowie der Bereitstellung des ihres Know-hows, Branchenkenntnis und Netzwerks. Die übrigen in- und ausländischen Investoren erbrachten hingegen lediglich materielle Gesellschafterbeiträge in der Form von Kapital.
Entsprechend der Gewinnverteilungsabrede des Fonds wurde der Gewinn zunächst allen Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Kapitalzusagen zugewiesen, bis diese ihre jeweilige Kapitaleinzahlung zurückerhalten hatte. Der so nicht verteilte Gewinn wurde – unter Berücksichtigung einer üblichen Vorzugsrendite und eines Catch-ups – aufgeteilt: Die Initiatoren erhielten einen Anteil von 30 % über den Komplementär (Carried Interest) und der restliche Gewinn wurden den übrigen Investoren im Verhältnis ihrer jeweiligen Kapitalzusage zugewiesen. Der Fonds erklärte im Rahmen des gesonderten und einheitlichen Feststellungsverfahren den Carried Interest als Teil der Gewinnverteilung.
Im Rahmen einer Außenprüfung lehnte die Finanzverwaltung die Behandlung des Carried Interest als Gewinnanteil ab und klassifizierte den Carried Interest entsprechend der in der Vergangenheit ergangenen Veröffentlichungen der Finanzverwaltung als eine Tätigkeitsvergütung der Initiatoren. Diese Tätigkeitsvergütung würde den Initiatoren von den Investoren geschuldet und werde lediglich im Rahmen eines abgekürzten Zahlungswegs direkt vom Fonds an die Initiatoren gezahlt. In der Konsequenz behandelte die Finanzverwaltung den Carried Interest – je nachdem für den Investor einschlägigen Besteuerungsregime – als Betriebsausgaben oder Werbungskosten.
Gegen diese Einordnung der Finanzverwaltung wurde vor dem Finanzgericht München Klage erhoben. Das FG München bestätigte die Auffassung des Klägers im Urteil vom 17.11.2020 (12 K 2334/18), woraufhin das Finanzamt Revision einlegte.
Urteil des BFH
Aus verfahrensrechtlichen Gründen wurde die Sache vom BFH zurück an das FG München verwiesen. Allerdings stellte der BFH inhaltlich fest, dass das FG München zunächst zu bestätigen habe, ob es sich bei der o. g. Vereinbarung um eine Gewinnverteilungsabrede oder eine Tätigkeitsvergütung handelt. Es ist davon auszugehen, dass das FG München seine bisherige Auffassung bestätigen wird und den handelsrechtlich weder als Aufwand gebuchten noch erfolgsunabhängig vereinbarten Carried Interest auch weiterhin nicht als Tätigkeitsvergütung kategorisieren wird.
Dies vorausgesetzt, hat der BFH in dem aktuell ergangenen Urteil ausgeführt, dass eine zivilrechtlich wirksame Gewinnverteilung grundsätzlich auch steuerlich anzuerkennen ist, da ein natürlicher Interessengegensatz der Gesellschafter besteht und der Carried Interest für die Erbringung immaterieller Gesellschafterbeiträge eingeräumt wird. Der BFH führt damit seine zu gewerblichen Fonds ergangene Rechtsprechung aus dem Urteil vom 11. Dezember 2018 (VIII R 11/16) fort.
Eine solche Gewinnverteilungsabrede gehe nach Ansicht des BFH auch der Bruchteilsbetrachtung nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO vor. Des Weiteren würde auch § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG nichts an der steuerlichen Anerkennung der Gewinnverteilung ändern, da sich aus dem Wortlaut der Norm nicht ergebe, dass der Carried Interest eine verdeckte schuldrechtliche Tätigkeitsvergütung sei, welche die Initiatoren für die Erbringung der immateriellen Gesellschafterbeiträge erhalten würden. Die Vorschrift ordne lediglich an, dass der Gewinnanteil auf Ebene der Carry-berechtigten Initiatoren bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit zu erfassen ist, wenn es sich um einen vermögensverwaltenden Fonds handelt. Nichts anderes gehe aus dem Zwecke der Norm hervor, da § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG nur eingeführt wurde, um eine sachgerechte Besteuerung des Carried Interest zu ermöglichen.
Bedeutung für Initiatoren und Investoren
Das Verfahren VIII R 3/21 enthält – losgelöst von der Zurückweisung an das FG München – höchst praxisrelevante Aussagen zur Sichtweise des BFH auf die steuerliche Behandlung des Carried Interest.
Bei vermögensverwaltenden Fonds bedeutet die Anerkennung des Carried Interest als Gewinnverteilungsabrede, dass für private Anleger die Einkünfte aus Kapitalvermögen nach Abzug des Carried Interest zu versteuern sind, d. h. der Carried Interest mindert die steuerliche Bemessungsgrundlagen dieser Anleger. Entsprechend der vom BFH verworfenen Sichtweise der Finanzverwaltung hätte der Carried Interest hingegen Werbungskosten dargestellt und wäre nicht abziehbar gewesen (§ 20 Abs. 9 EStG). Für Investoren, die den Regelungen des § 8b KStG unterliegen (d. h. v. a. den Investoren in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft), hat die Sichtweise des BFH hingegen zur Folge, dass der Carried Interest die steuerliche Bemessungsgrundlage nur noch in Höhe von 5 % mindern würde und nicht wie bisher zu 100 %.
Das Urteil würde bei vermögensverwaltenden Fonds dazu führen, dass die bisherige de facto Doppelbesteuerung des Carried Interest als Einkünfte aus Kapitalvermögen bei den Investoren und als Carried Interest nach § 18 Abs. 1 Nr. 4 EStG bei den Initiatoren künftig unterbleiben würde.
Ableiten lässt sich aus der vom BFH vorgenommenen Hervorhebung des Gewinncharakters des Carried Interest, dass der Carried Interest aus gewerblichen Fonds grundsätzlich dem Teileinkünfteverfahren bzw. § 8b KStG unterliegen sollten (vgl. hierzu BFH vom 11. Dezember 2018 (VIII R 11/16)).
Fraglich bleibt, wie mit einem Carried Interest umzugehen ist, der den Aufwand in den Financial Statements gemindert hat. Das Argument des BFH, dass der Carried Interest für die Qualifikation als Tätigkeitsvergütung auch zu zahlen sein muss, wenn kein Gewinn erwirtschaftet wurde, kann nicht überzeugen. Im allgemeinen Geschäftsverkehr gibt es regelmäßig Vereinbarungen mit Dienstleistern, die eine Vergütung nur im Erfolgsfall vorsehen (z. B. Makler, Headhunter, etc.).
Das Verfahren muss nun vom Finanzgericht München abgeschlossen werden. Es bleibt abzuwarten, ob die Finanzverwaltung das Urteil im Bundessteuerblatt veröffentlichen wird und damit von ihrer bisherigen Einordnung des Carried Interest abweichen wird.