Eine Unternehmensbewertung erfolgt stets zukunftsorientiert. Daher muss auf Prognosen und Schätzungen zurückgegriffen werden. Naturgemäß können verschiedene Gutachter, welche das gleiche Unternehmen bewerten, zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Geringe Abweichungen zwischen verschiedenen Gutachten desselben Unternehmens unter der sog. „Bagatellgrenze“ können jedoch als geringfügig akzeptiert werden. Eine starre Bagatellgrenze gibt es dabei lt. dem Beschluss vom 30.01.2024 des LG Dortmund (20 O 17/15 (AktE)) nicht. Im konkreten Fall wurde ein Abweichung von 6,9 % als geringfügig angesehen.
Das LG Dortmund (Beschluss v. 30.01.2024 – 20 O 17/15) beschäftigte sich mit der sog. „Bagatellgrenze“ in der Unternehmensbewertung. Im vorliegenden Fall kam es zu einem verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out, weshalb die Minderheitsaktionäre einen Anspruch auf Kompensationsleistung in Form einer Barabfindung hatten.
Die Höhe dieser Abfindung ermittelte sich aus dem ersten Bewertungsgutachten des Mehrheitsaktionärs, welches eine marktorientierte Schätzung anhand des Börsenkurses vornahm. Ein solches Bewertungsvorgehen ist unter bestimmten Voraussetzungen grundsätzlich zulässig (vgl. BGH v. 21.02.2023 – II ZB 12/21). Allerdings empfanden die ausgeschlossenen Minderheitsaktionäre die Abfindung als zu niedrig und rügten deshalb das Bewertungsvorgehen.
Konkret legten sie ein neues Bewertungsgutachten vor, das eine höhere Kompensationsleistung ermittelte. Diese Abfindungshöhe lag 6,9 % über der ersten ermittelten Abfindung. Fraglich ist, ob eine solche Abweichung als geringfügig akzeptiert werden kann.
In der Rechtsprechung gibt es unterschiedliche Entscheidungen bezüglich der Bagatellgrenze. Das LG Dortmund folgte in seinem Beschluss v. 30.01.2024 – 20 O 17/15 einer Meinung, die eine Abweichung von bis zu 10 % als geringfügig akzeptiert, wenn berechtigte Annahmen bestehen, dass die Bewertung auf Grundlage rechtlicher und wirtschaftlicher Grundsätze erfolgte. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass das erste Bewertungsgutachten zutreffende Daten zugrunde legte.
Die Richter sahen insoweit keinen Bedarf die zuvor bestimmte Abfindungshöhe zu korrigieren. Vielmehr müssen die Verfahrensbeteiligten unterschiedliche Ergebnisse akzeptieren. Eine gerichtliche Korrektur kommt nur in Betracht, wenn die Abweichung oberhalb der Bagatellgrenze liegt. Diese ist in der Rechtsprechung bei ca. 5-10 % angesetzt (vgl. auch OLG Düsseldorf – 26 W 8/20, OLG Frankfurt – 21 W 26/13), bedarf aber regelmäßig einer Einzelfallprüfung.