Aufgrund der massiv gestiegenen Inflationsraten im Post-Corona-Zeitraum hat die EZB zwischen Juli 2022 und Oktober 2023 zehnmal in Folge eine Anhebung der Leitzinsen vorgenommen. Auf die rückläufige Inflation im Jahr 2024 reagierte die EZB bereits im Juni 2024 mit einer Senkung der Leitzinsen. Mit Wirkung zum 18.09.2024 senkt die EZB nun zum zweiten Mal in Folge die Leitzinsen. Damit einher geht ebenfalls eine deutliche Senkung des Einlagenzinssatzes und Spitzenrefinanzierungszinssatzes.
Die wirtschaftlichen und geopolitischen Ereignisse, insbesondere die durch den Russland-Ukraine-Konflikt ausgelöste Energiekrise, welche das Jahr 2022 geprägt haben, wirken auch noch im Jahr 2024 nach. Eine Folge der Krisen war ein historischer Anstieg der Inflationsraten in der Vergangenheit – vor allem im Jahr 2022. Das darauffolgende Jahr 2023 war durch massiv rückläufige Inflationsraten gekennzeichnet. Seit Frühjahr 2024 verharrte die Inflationsrate auf einem Niveau etwas oberhalb der Zielinflationsrate von 2,00 %. So lag das Inflationsgeschehen in Deutschland im Mai 2024 bei 2,40 % und im Juli 2024 bei 2,30 %. Für August 2024 fiel die Inflationsrate mit einem Wert von 1,90 % erstmals unter das Inflationsziel der EZB. Zuletzt war ein Wert von unter 2,00 % im März 2021 erreicht worden. Die Volkswirte der EZB rechnen derzeit mit einer Gesamtinflation i. H. v. rd. 2,50 % für das Jahr 2024, 2,20 %, für 2025 sowie 1,90 % für 2026.
Um positive Wachstumsimpulse zu geben, senkte die EZB den sogenannten Hauptrefinanzierungssatz im September 2024 um 0,60 Prozentpunkte auf 3,65 %. Gleichzeitig erfolgte eine Senkung des Zinssatzes für die Einlagefazilität, auch Einlagenzins genannt, um 0,25 Prozentpunkte auf 3,50 %. Somit beträgt der Unterschied zwischen den beiden Zinssätzen nun 0,15 Prozentpunkte, was den entsprechenden Regelungen des überarbeiteten geldpolitischen Handlungsrahmen entspricht (bekanntgegeben am 13.03.2024). Bisher betrug der Abstand zwischen Hauptrefinanzierungszinssatz und Einlagenzinssatz 0,50 Prozentpunkte. Der verminderte Abstand soll den geldpolitischen Transmissionsprozess (Auswirkung der Leitzinsänderungen auf die Wirtschaft) verbessern. Der Zinssatz für die Spitzenrefinanzierungsfazilität wird zeitgleich auf 3,90 % festgesetzt und sinkt somit ebenfalls um 0,60 Prozentpunkte.
Die Zinssätze für Einlagefazilität und Spitzenrefinanzierungsfazilität ermöglichen dem EZB-Rat die Umsetzung seines geldpolitischen Kurses. Geschäftsbanken legen kurzfristig nicht benötigtes Geld (zum Einlagenzinssatz) bei der EZB an bzw. nehmen kurzfristig benötigte Liquidität (zum Spitzenrefinanzierungszinssatz) auf. Aufgrund der kurzen Anlagedauer bzw. Aufnahmedauer spricht man in diesem Zusammenhang auch von Overnight-Money.
Der Zinssatz für die Einlagefazilität bestimmt die entsprechende Verzinsung dieses angelegten Kapitals. Hintergrund ist, dass keine Geschäftsbank bereit sein wird, Kapital zu einem geringeren Zinssatz als den, welcher von der EZB angeboten wird, anzulegen. Weiterhin erfolgt keine Aufnahme von Kapital durch Geschäftsbanken zu einem höheren Zinssatz als dem der Spitzenrefinanzierungsfazilität. Somit wird erwartet, dass sich die angebotenen Zinssätze auf dem Geldmarkt in Richtung der Leitzinsen der EZB bewegen.
Die Ermittlung des für Unternehmensbewertungen relevanten Basiszinssatzes erfolgt auf Grundlage von Kapitalmarktdaten, indem auf Zerobond-Zinssätze für Staatsanleihen zurückgegriffen wird. Somit ist der Basiszinssatz ebenfalls von der allgemeinen Zinsentwicklung abhängig.
Dabei könnte der Basiszinssatz aufgrund des allgemein sinkenden Zinsniveaus am Kapitalmarkt in naher Zukunft ebenfalls rückläufig sein. Gleichzeitig verringern sich die Fremdkapitalkosten von Unternehmen aufgrund von günstigeren Verschuldungskonditionen. In der Folge sinkt der Kapitalisierungszinssatz im Rahmen von Unternehmensbewertungen bei gleichzeitigem Anstieg der bewertungsrelevanten Überschüsse aufgrund geringerer Zinszahlungen von Unternehmen für aufgenommenes verzinsliches Fremdkapital. Somit steigen bei ansonsten unveränderten Bewertungsparametern die Unternehmenswerte an und etwaige Wertminderungsrisiken nehmen ab.